Kommentar:
Bachelorette, Checks, Shows: Im TV sind nur noch Klone neu
Wann war TV für Sie zuletzt richtig spannend? Bei der WM? Gut. Aber sonst? W&V-Redakteurin Petra Schwegler gähnt mittlerweile oft. Ein Kommentar.
Alarmiert zeigen sich die RTL-Granden angesichts des Zuschauerschwunds. Sorgen machen sich die Verantwortlichen bei Sat.1, zumal der Privatsender seit Jahren mit der Zehn-Prozent-Hürde ringt. ARD und ZDF wollen (um jeden Preis) jüngere Zuschauer erreichen, bevor der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit der älteren Fan-Gemeinde ausstirbt. Währenddessen zieht ein Video-on-Demand-Anbieter nach dem anderen ins Land ein. Die bieten, was der Zuschauer offensichtlich sucht: gut gemachte Unterhaltung. Von den Inhalten auf Youtube, Bewegtbildangeboten in anderen sozialen Netzwerken oder auf sendereigenen Plattformen, die das Publikum von der Glotze ablenken, ganz zu schweigen.
Der Beobachter würde nun (vielleicht etwas naiv ...) denken, dass in den Fernseh-Chefetagen mit voller Kraft an Konzepten und Formaten gefeilt wird. Doch was ist zu sehen? Funktioniert ein Genre hier, bekommt es zig Ableger dort – sei es eine Kochreihe oder ein Coaching-Format oder eine TV-WG mit Facebook-Anbindung. Im eigenen Programm abkupfern geht übrigens auch. Auf RTL etwa die "Bachelorette" als Klon des zugegeben erfolgreichen "Bachelors". Obwohl die früheren Sendermacher schon vor über einem Jahrzehnt beschlossen hatten, der Reihe den Garaus zu machen.
Im Kern ist es Recycling, was die Kölner hier machen. Es geht RTL offenbar schon so an den Kragen, dass selbst die Flopps der guten 2000er-Jahre wieder herhalten können. 2,57 Millionen Zuschauer ab drei Jahren und einen Gesamtmarktanteil von 10,3 Prozent für den Auftakt der Kuppelshow mit verkehrten Vorzeichen am Mittwochabend: Darüber hätte RTL vor ein paar Jahren vermutlich nur kurz nachgedacht und dann den Giftschrank geöffnet.
Recycelt wird überhaupt viel, wie aktuell bei Sat.1 mit den Shows "Deal or no Deal" oder "Nur die Liebe zählt". Damit es der Zuschauer heute schluckt, darf der vom ZDF bekannt gemachte Schauspieler und Moderator Wayne Carpendale Geld verteilen oder verkuppeln. Ob ausgerechnet Show-Veteranen Sat.1 rocken? Fraglich, zumal gerade das Genre in einer Quotenkrise steckt. Heraus sticht hier nur, was neuartig ist – mit "The Voice of Germany" etwa ist Sat.1 und der Schwester ProSieben ein Wachmacher gelungen. Klonen von Musikshows geht, aber dann muss es gut sein und neu wirken! Vox hat mit "Sing meinen Song" das Genre auch nicht neu erfunden, aber ihm mit einem sanften Xavier Naidoo einen anderen Anstrich verpasst.
Ist die Strategie der solide finanzierten Öffentlich-Rechtlichen besser? Nein. Show-Recycling und –Geklone sind an der Tagesordnung, "Dalli Dalli" etwa wurde im ARD-Reich wiedergeboren. Motto: "Gut abgehangener Fernsehklassiker abzugeben!" Dessen frühere Heimat ZDF verheizt derweil große Namen ("Wetten, dass ...?") oder verzockt gar seinen Ruf mit vertragswidrigen Kunstgriffen ("Deutschlands Beste!"). Da werden dann die einst vom privaten TV-Part abgeworbenen Produzenten als Schuldige vor die Tür gesetzt. Der Spaß bleibt auf der Strecke, vor allem beim Zuschauer.
Besonders klonfreudig ist das Erste derzeit in einem anderen Segment, das die Senderoberen sogar als ureigensten Part des Programmauftrags darstellen können: bei den Ratgebersendungen. Vor wenigen Tagen flatterte ein Programmfolder in die Redaktionen, der den "Montags-Check im Ersten" verkündet. Nach dem Erfolg der WDR-Reihe rund um Marken wie Ikea, Aldi oder Apple hat der Senderverbund Lust bekommen auf mehr und verkündet für die Zeit ab 25. August sage und schreibe 23 "Checks", die über das kommende Halbjahr verteilt werden.
Gut, so ein Stück wie der "Werbe-Check" vom SWR ist immerhin neu. Damit die Eitelkeiten aller ARD-Fürsten befriedigt sind, gibt es in der neuen Montagsreihe neben dem WDR viele Absender, die den guten Sendeplatz zur Primetime beschicken wollen. Wenn es denn ein quotenstarker Sendeplatz bleibt – hat das Erste aus der Talkflut und Verwässerung dieses Genres nichts gelernt? Wer checkt denn bitte die ARD, die überdies so manche Film-Perle im Nachtprogramm oder im digitalen Sender-Nirvana versteckt? Dann schon lieber zu zuschauerträchtiger Stunde einen "Tatort" – Pardon, schon wieder! – klonen oder recyceln. Der großen Krimi-Marke der ARD hilft die Fiktion. Hiervon scheinen die Zuschauer und Nutzer weltweit immer mehr zu wollen, wenn man Abrufzahlen im Netz glauben darf.
Für richtigen Gesprächsstoff sorgt nur noch, wer Geld für Fußball hat. Dieses TV-Lagerfeuer lodert daher fast nur beim Gebührenfernsehen. Doch was das Neu-Erfinden im deutschen TV angeht: Darauf dürfen wir wohl weiter warten. Noch geht es den Sendern offenbar nicht schlecht genug.