Creative Social Responsibility:
Die Zukunft der Werbung ist keine Werbung
Oder: Warum öffentlicher Raum mehr von den Dingen braucht, die man sich Zuhause gerne hinhängen möchte. Ein Appell von Chiara Jaumann, Heimat TBWA.
„Kann ich eins haben?“
Freitag, 13. September 2024, 14 Uhr, Linienstraße. Es wird selbst plakatiert, weil Pro-Bono-Projekt, und das Budget ist knapp. Dafür nicht ganz so knapp: Die Liebe. Und vor allem: Die Liebe fürs Projekt.
Liebe für Correctiv (gemeinwohlorientiertes Medienhaus, für alle, die’s nicht kennen) in dem Fall. Es geht um 6 Wochen Crowdfunding – für mehr Recherchen. Für mehr Faktenchecks. Für mehr unabhängigen Journalismus. Für mehr Demokratie. Für mehr Gutes also, ultimativ.
Zurück zur Linienstraße, weil da passiert Folgendes: Noch während wir unsere Plakate aufhängen, werden sie abgenommen. „Kann ich eins haben?“ Lange nicht so oft gehört. Und ja – ihr könnt eins haben.
Warum? Weil das keine Werbung war. Oder so: Nicht nach Werbung aussieht. Sondern, zur Abwechslung mal: Nach Kunst. Die Idee der Kampagne: Wir machen aus Correctivs recherchierten Fakten eben das: Kunst. Denn: Kunstfreiheit ist Pressefreiheit und umgekehrt. Und beide sind Grundpfeiler unserer Demokratie.
Fakt ist. Und Fakt darf jetzt – dank mutigen Kunden (nennt man einen NPO-Partner auf Augenhöhe eigentlich überhaupt Kunde? – Also: Wird der Begriff einem Non Profit gerecht?) und großherzigen Künstler*innen – bleiben. Vielleicht für die Ewigkeit. Und dafür auch die Langfristigkeit.
Die, bei all dem Druck zu verkaufen, in unserer Branche ja leider oft vergessen wird.
Ich wünsch‘ unserer Branche
„Wir als Künstler*innen haben das Privileg, unsere Meinung unabhängig auszudrücken. Oftmals sind wir nicht an Ideologien oder Werte Dritter gebunden, die wir nicht teilen. Und wir müssen dieser Verantwortung nachgehen, egal was für Konsequenzen es möglicherweise mit sich bringt“, sagt Monty Richthofen.
Was Monty sagt.
Und ein Stück von dem, was Monty sagt, wünsch‘ ich unserer Branche.
Ich wünsch‘ unserer Branche mehr Plakate, die man wirklich bei sich Zuhause hinhängen mag.
Ich wünsch‘ unserer Branche mehr Kunst. Oder: Mehr Zeit, sich wieder ehrlich mit unserer Arbeit auseinanderzusetzen und mehr Zeit, die Dinge schön und genugtuend umzusetzen.
Eben halt nicht: 30 Minuten Keynote Layout. Sondern das Gegenteil davon: Feingeist.
Ich wünsch‘ unserer Branche generell: Mehr Bildungs- und Kulturprojekte. Und ich wünsch‘ unserer Branche ehrlich mehr Umverteilung bzw Finanzierungsmöglichkeiten, um, gerne im Rahmen von C_SR, als Kreativindustrie wieder mehr NGOs und NPOs bedienen zu dürfen. In einer Zeit, in der eben das, vielleicht so wichtig ist wie noch nie.
Was wäre, wenn wir öffentlichen Raum, demokratisieren?
… frag ich mich übrigens auch seit Längerem. Was eigentlich passieren würde, würde man die Menschen, die da draußen jeden Tag an der Bushaltestelle warten, fragen, was sie auf Plakatflächen eigentlich gerne sehen würden. Ich nehme an, es wäre weniger Werbung. Und mehr Gutes.
Was ‚mehr Gutes‘ bedeutet, dürft ihr euch gerne erstmal selbst überlegen.
Ich denke ja wirklich: 3 ernsthafte Impressions sind mehr wert als 300.000 oberflächliche.
Alles ganz nach dem Motto:
Der Kunst ihre Freiheit. Für Demokratie. Gegen Rechts.
PS: Falls ihr eine große Marke mit potenziell Marketingbudget und bis Ende des Jahres gebuchten Werbeplätzen seid: Gebt doch mal was ab. An die, die sich das alles nicht leisten können.
Oder es alles – Zeitenwende bedingt – wirklich dringend brauchen.
Ihr positioniert euch dadurch auch – fürs Gute.
Mit Bussi,
Chiara
Warum engagierst du dich für das Projekt C_SR?
Weil ich wirklich noch an Gerechtigkeit glaube. Easy as that ❤️
Über die Autorin:
Chiara Jaumann ist Texterin bei Heimat TBWA – fürs Gute.
Dieser Beitrag ist Teil der W&V-Kolumne Creative Social Responsibility. Zuletzt sind dort unter anderem diese Themen erschienen:
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