Mediaplanung:
„Standortqualität und Umfeld werden noch zu selten berücksichtigt“
Bei Digital Out-of-Home braucht es mehr Austausch zwischen Media und Kreation, sagt Christian Kaeßmann, Geschäftsführer der Mediaagentur Plan. Auch der Diskussion um Brand Safety wird sich die Gattung stellen müssen.
Digital Out-of-Home ist der Trend in der Außenwerbung, das Wachstum ist riesig. Ein Großteil der Flächen ist bereits programmatisch buchbar - doch was bedeutet das für die Mediaplanung und das Zusammenspiel zwischen Media und Kreation? Media-Experte Christian Kaeßmann im Interview.
Herr Kaeßmann, Out-of-Home gilt als ideale Ergänzung zu anderen klassischen Werbeauftritten, etwa in TV oder Radio – für manche Werbekunden ist Außenwerbung sogar der zentrale Reichweitenkanal. In digitaler Form erhebt Out-of-Home aber den Anspruch, bei Bedarf auch ganz individuelle Botschaften ausspielen zu können. Wie passt das zusammen – einerseits die hohe Reichweitenleistung, andererseits die Möglichkeit, unmittelbaren, personenindividuellen Dialog im öffentlichen Raum zu schaffen?
Die Assoziation, dass Digital Out-of-Home (DOOH) ein Medium der Außenwerbung und somit ein Reichweitenkanal ist, ist für viele Marktteilnehmer naheliegend und bei Buchung der im Markt verfügbaren großen Angebote im öffentlichen Raum auch sicher richtig. Der Anspruch der individuell ausspielbaren Werbung resultiert primär aus dem „digitalen Lager“, bei dem das Medium oft als One-To-One-Medium auf Basis von granularen Targetings wahrgenommen wird. Da treffen plötzlich innerhalb einer einzigen Gattung unterschiedliche „Philosophien“ aufeinander. Vereinen lassen sich diese im Rahmen einer Reichweitenkommunikation jedoch nicht. Es geht auch bei DOOH immer noch darum, vor dem Einsatz von Kommunikation Entscheidungen zur Zielsetzung seines eigenen Tuns zu treffen.
Welchen Stellenwert hat bei DOOH das Zusammenspiel zwischen Kreation und Media? Welche besonderen Media-Wirkungshebel können durch die Kreation einer DOOH-Kampagne zusätzlich unterstützt werden?
Im Kontext der Kreation bietet DOOH tatsächlich einige Vorteile. Die Motivflexibilität ergibt sich durch Ebenen, die es in der klassischen Außenwerbung so vor DOOH nicht gab. Motive nach Standort/Regionalität zu differenzieren ist nicht neu. Die digitalen Möglichkeiten lassen die Motivaussteuerung nun nach Tageszeiten, Wetter, Echtzeit-Bewegungsdaten und anderen Dingen zu. Die Möglichkeiten sind deutlich vielfältiger. Dementsprechend braucht es zwischen Media und Kreation auch mehr Austausch und in der Kreation ein viel weiterführendes Denken als bislang.
Über 80 Prozent der DOOH-Flächen sollen heute programmatisch buchbar sein. Wie verändert dies die konkrete mediaplanerische Arbeit mit dem Medium Out-of-Home?
Programmatic DOOH zeigt wunderbar auf, was das Dilemma der Mediaplanung im Allgemeinen ist. Die Digitalisierung und der programmatische Einkauf führen – beinahe unabhängig vom Kanal – zu einer immer größer werdenden Spezialisierung im Einkauf von Werbeflächen. Gleichzeitig wird der generalistische und strategische Blick vernachlässigt. Da geht es primär um Echtzeit, Targetings, Kombination mit Mobile Advertising und vor allem geringe TKPs, also hohe Effizienz.
Die Diskussion um Bots und Brand Safety ist bei Programmatic DOOH bislang noch nicht angekommen ...
... wird aber bald auch hier geführt werden. Standortqualität, Umfeld oder schlichtweg die Sinnhaftigkeit eines Einsatzes werden heute noch viel zu selten berücksichtigt. Und so landet dann am Ende die Werbung für eine Mayonnaise auf dem DOOH-Screen in der Shopping Mall, in der von 100 Geschäften ganze zwei Shops Lebensmittel verkaufen.
Was ist für Sie als Mediaexperte und Beiratsmitglied im DMI Digital Media Institute aktuell die spannendste Entwicklung bei Digital Out-of-Home?
DOOH ist aus den Kinderschuhen herausgewachsen. Die Akzeptanz im Markt ist da. Der Gattung fehlt es jedoch noch an einer klaren Positionierung – die unterschiedlichen Ausrichtungen Reichweite versus Individualität habe ich erwähnt. Kreative, Mediaplaner, Vermarkter und Werbungtreibende haben noch keine einheitliche Definition des Kanals im Kontext aller medialen Kanäle gefunden. Die Perspektiven sind noch zu sehr voneinander abweichend. Im Kontext unterschiedlicher Aufgabenstellungen von Kunden kommt es immer wieder zu Missverständnissen. Es kursieren unterschiedliche Auffassungen, ob DOOH nun ein Außenwerbemedium, ein Digitalmedium oder ein Bewegtbildmedium ist – was sich teilweise überlappt. Irritationen bezüglich des Einbezugs von Daten und technischen „Spielereien“ wie Kameras, Sensoren oder beispielsweise Gesichtserkennung führen weiter zu vielen Diskussionen. Bis es ein gemeinsames Verständnis in der Branche darüber gibt, was DOOH wirklich ist und leisten kann, wird noch ein wenig Zeit vergehen.