Interview:
Positive Bescheidenheit: Wie sich die Gen Z überzeugen lässt
Nachhaltig zu agieren, hat auch eine soziale Dimension. Die verkörpert etwa die Welthungerhilfe. Für Marken eine gute Chance, das Vertrauen der Gen Z zu gewinnen. Aber nur, wenn man die Regeln kennt.
Wer sein Unternehmen als sozial engagiert positionieren will, findet bei der Welthungerhilfe eine breite Palette von Projekten. Christian Stark, Head of Philanthropy & Partnerships bei der Welthungerhilfe, und Kristina Bonitz, CEO von Diffferent, haben aus ihren Erfahrungen ein Whitepaper kondensiert mit den wichtigsten Tipps für Marken. W&V hat nachgefragt.
Bei fair und nachhaltig denken viele Unternehmen sicher an die klassischen Themen: CO₂-Fußabdruck verringern oder kompensieren, Tier- und Artenschutz, Regenwälder und Robben schützen. Wie passt da die Welthungerhilfe rein?
Christian Stark: Umweltschutz und soziales Engagement sind eng miteinander verknüpft. So leben die Menschen, die am stärksten unter dem Klimawandel leiden, ohne ihn verursacht zu haben, im globalen Süden – dort wo wir Projekte durchführen. Es ist kein Zufall, dass sowohl in den ESG-Kriterien als auch in den Sustainable Development Goals die ökologischen und sozialen Ziele gleichwertig nebeneinanderstehen. Denn erst das Zusammenspiel aus beiden Dimensionen schafft wirklichen Wandel. Daher sollte sich jedes Unternehmen auch mit der sozialen Dimension auseinandersetzen.
Welche Argumente überzeugen Unternehmen am stärksten, sich gemeinsam mit der Welthungerhilfe zu engagieren?
Stark: Letztlich überzeugen wir durch unsere Arbeit vor Ort und die Wirkung, die wir dort erzielen. Dabei macht es die große Bandbreite der Projekte Unternehmen leicht, genau das Engagement zu finden, das zu ihrer CSR-Strategie passt. Sei es die Ausbildung von Jugendlichen in Asien, Wasserversorgung in Afrika oder ein Klimaprojekt in Lateinamerika. Wir nehmen uns Zeit, gemeinsam mit den Unternehmen die Ziele einer möglichen Zusammenarbeit zu definieren und eine individuelle Partnerschaft zwischen Unternehmen und uns zu entwickeln.
Aus Ihren Erfahrungen entstand ein Whitepaper. Was wollten Sie darin festhalten? Vor welchem Hintergrund kam denn der Gedanke zu diesem gemeinsamen Whitepaper auf?
Kristina Bonitz: Für Unternehmen, aber auch für junge Menschen sind Nachhaltigkeit und eine wertebasierte Unternehmensführung heutzutage wichtiger denn je. Der Weg dahin führt u.a. über produktive Partnerschaften zwischen Unternehmen bzw. Marken und NGOs. Das Whitepaper soll erste Schritte aufzeigen, wie solche Kooperationen entstehen können und somit Marketingverantwortliche dazu motivieren und inspirieren, loszulegen.
Auch wir selbst – die Welthungerhilfe und Diffferent – fungieren als Beispiel für eine solche Kooperation. Dazu haben wir unsere jeweiligen und sehr unterschiedliche Kompetenzen und Erfahrungsschätze zusammengeführt – mit der Ambition, Unternehmen in Bewegung zu setzen hin zu einem verantwortungsbewussteren Wirtschaften.
Die Gen Z ist besonders sensibel, wenn es um Greenwashing geht. Wie muss eine Kooperation zwischen Marken und einer NGO aussehen, damit junge Menschen sie tatsächlich akzeptieren und unterstützen, Frau Bonitz?
Bonitz: Ehrlichkeit steht für die Gen Z an erster Stelle. Das Credo einer Marke in Sachen Nachhaltigkeit muss daher lauten: „Wir sind dabei, uns zu entwickeln“ statt „Wir sind die Besten“. Eine positive Bescheidenheit könnte man das nennen. Abzuraten ist definitiv davon, Dinge in der Kommunikation zu vertuschen oder unter den Tisch fallen zu lassen. Das führt zu sofortigem Vertrauensverlust bei den jungen Menschen.
In Kooperation mit NGOs sollten Unternehmen zwar die positiven Beiträge und Wirkungen in den Mittelpunkt ihrer Nachhaltigkeits-Erzählung stellen. Es ist aber ebenso wichtig, diese realistisch einzuordnen, aktiv auf Limitierungen aufmerksam zu machen und den Impact der eigenen Handlungen nicht zu überschätzen.
An einigen Punkten erfolgt damit tatsächlich eine Evolution der traditionellen Marketingkommunikation, bei der die Realität ja häufig beschönigt und überhöht wird.
Kommt es da nicht auch auf einen glaubwürdigen Absender an? Welche Imagewerte hat die Welthungerhilfe? Insbesondere bei der Gen Z? Wieviel investieren Sie ins Marketing, um dieses Image zu festigen? Was sind die bevorzugten Kanäle?
Stark: Definitiv leben sowohl die Partnerschaft als auch die Absender von der Glaubwürdigkeit. Die Marktforschung zeigt, dass die Gen Z – neben der Kriegsgeneration – das höchste Vertrauen in NGOs hat. Auch das Image der Welthungerhilfe ist in dieser Gruppe überdurchschnittlich positiv. Unser Budget ist kleiner als das durchschnittlicher Markenartikler, wird aber dankenswerterweise durch Pro-bono-Angebote verstärkt. Wie andere Marken auch, investieren wir derzeit vor allem in Online-Marketing. Seit letztem Jahr vermehrt auch bei TikTok, dem Social-Media-Darling der Gen Z. Dort arbeiten wir mit Influencer*innen zusammen, um auch hier auf unsere Themen aufmerksam zu machen und unsere Imagewerte zu festigen.
Herr Stark, Sie sind als Referent bei den Green Marketing Days mit von der Partie. Verraten Sie uns doch bitte kurz vorab: Was erfahren wir in Ihrem Vortrag?
Stark: Basierend auf den Erkenntnissen unseres gemeinsamen Whitepapers werde ich über das Misstrauen der Gen Z gegenüber der Nachhaltigkeitskommunikation von Unternehmen sprechen. Und wie man diese kritische Generation mit ernst gemeinter Nachhaltigkeit überzeugen kann - zum Beispiel durch die Zusammenarbeit mit NGOs.