Netflix/Skyflix/ORFflix:
Wie kann TV dem Trend hin zu Video on Demand trotzen?
Microsoft-Manager Christian Illek rät Sendern zu mehr Interaktivität - zumal VoD-Erfolgsmodelle à la Netflix auf den deutschen Markt zurollen.
Die Fernsehlandschaft wird sich nach Einschätzung von Experten in den kommenden Jahren auch in Deutschland deutlich verändern. Neben dem traditionellen linearen Fernsehprogramm seien die technischen und inhaltlichen Voraussetzungen für neue Angebote inzwischen vorhanden, betont Microsoft-Deutschlandchef Christian Illek im Gespräch mit der Nachrichtenagentur "dpa". Aktuell seien hierzulande 14 Millionen videofähige Geräte online, die vielfach auch Videos auf Abruf bieten. "Wir werden einen massiven Shift zur Entlinearisierung erfahren", meint Illek, der lange für die Telekom und für dessen IPTV-Angebot Entertain gewirkt hat. Wer sich als Programmanbieter in der verändernden TV-Landschaft künftig gut aufstellen wolle, müsse sein Angebot deutlich sozialer und persönlicher machen. "Das Einspielen eines Twitter-Accounts reicht dabei nicht mehr aus", so Illek. Der Fernseher müsse künftig weitaus mehr Interaktivität und Dialog auf vielen verschiedenen Plattformen wie Smartphone, Tablet oder TV-Gerät bieten. "Geschlossene Insellösungen werden Nutzer mittelfristig ablehnen", zeigt er sich überzeugt.
In den USA sei Netflix mit seinem Online-Angebot und rund 30 Millionen Kunden der "Platzhirsch", meint Illek. 2015 rechnet man mit 40 Milllionen Abonnenten. In den Staaten nutze Netflix in Spitzenzeiten für sein Angebot inzwischen ein Drittel des verfügbaren Breitbandnetzes. In Deutschland seien allerdings die komplizierten Rechteverhältnisse bei den Inhalten noch immer ein Hindernis für ein entsprechendes Angebot. Hierzulande untersagten die Kartellwächter ein gemeinsames "Hulu" von ProSiebenSat.1 und RTL ebenso wie das ARD-ZDF-Projekt Germany's Gold. Dann muss eben doch das klassische TV her: In dieser Woche startet ProSieben die Ausstrahlung der Serie "House of Cards" in Deutschland im traditionellen Programm. In den USA war die Serie mit Hollywood-Star Kevin Spacey ursprünglich für Netflix produziert worden.
Apropos Netflix: Neben Sky plant nun auch der ORF im Nachbarland Österreich ein eigenes kommerzielles Videoportal, das durch Werbung sowie Abos und Abrufgebühren finanziert werden soll. Man wolle "nicht warten, bis Netflix den österreichischen Markt aufrollt", sagt ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz dem "Handelsblatt" (Dienstagsausgabe). Noch bis Ende des Jahres soll eine Entscheidung fallen, wie das Portal umgesetzt werden kann. Probleme seien derzeit noch die hohen Kosten für Rechte, Technik und Software. Außerdem müssten für alte Produktionen die digitalen Rechte nachverhandelt werden, die es bei Vertragsschluss noch nicht gab. Die deutschen Rückschläge – oben erwähnt - lassen Wrabetz kalt: "Wir gehen davon aus, dass es in Österreich keine unüberwindbaren juristischen Hürden geben wird".
Wie der W&V-Schwestertitel "Kontakter" vor einigen Wochen berichtet hat, will Sky seinen neuen Video-on-Demand-Dienst Skyflix im kommenden Jahr starten. Ziel ist es demnach nicht nur, bestehende Konkurrenten wie Maxdome oder Watchever auszustechen, sondern auch einem Deutschland-Start des US-Anbieters Netflix zuvor zu kommen. Gerüchten zufolge arbeitet dieser an einem Launch im europäischen Markt. Skyflix bietet eine Film- und TV-Serien-Flatrate: Gegen eine Gebühr von voraussichtlich acht bis zehn Euro rufen Nutzer so viele Videos ab, wie sie mögen. Sky ist hier im Vorteil, besitzt es doch bereits die Senderechte für viele Filme und arbeitet seit Jahren mit den großen US-Studios eng zusammen. Anders als bei Sky Go, das nur Sky-Abonnenten als Online-Videothek zur Verfügung steht, soll Skyflix laut "Kontakter" allen Filmfans offen stehen. Stoff aus dem eigenen Haus könnte auch parat stehen: Anlässlich der Bilanzzahlen zum dritten Quartal haben die Münchner verkündet, zusammen mit Red Arrow von ProSiebenSat.1 mit "100 Code" die erste eigene Serie produzieren zu wollen. Alles in allem macht Sky mit einem eigenen und für alle offenen VoD-Portal dem klassischen TV zusätzliche Konkurrenz.
Angst, dass ARD und ZDF als gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Sender dem aufkeimenden VoD-Markt kaputt machen könnten, haben derweil die Produzenten. Sie sind besorgt, dass die Länder die "7-Tage-Regel" bei deren Online-Mediatheken kippen. Für die Produzentenallianz betont Alexander Thies mit Blick auf Video on Demand als rasant wachsender Markt für den Vertrieb von audiovisuellen Medien: "Mit einer Abschaffung der Sieben-Tage-Regel würden Auftragsproduktionen in den öffentlich-rechtlichen Mediatheken zeitlich unbegrenzt und unentgeltlich zugänglich werden. In der Konsequenz würde dadurch die Entstehung eines VoD-Marktes für deutsche Produktionen und deren Refinanzierung verhindert. Damit würde Vielfalt, Kreativität und Relevanz deutscher Produktionen reduziert." Auch die Produzenten haben das Beispiel Netflix vor Augen: Die hauseigene Serie "House of Cards" ist schon Emmy-gekrönt.
ps/dpa