Nach Beginn der Ermittlungen:
Fynn Kliemann: Jetzt platzt ihm der Kragen
"Mein gesamtes Leben zerstört": Nachdem Fynn Kliemann nach dem großen Eklat eher ruhig war, meldet er sich per Instagram zurück und holt zum Rundumschlag aus. Gegen Fans, Presse und Social Media...
Und immer noch ist kein Ende in Sicht in der Kliemann-Affäre. Nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe im Mai durch Jan Böhmermann und sein Team, dem Rückzug etlicher Kooperationspartner, Shitstorms auf allen Social-Media-Kanälen und etlichen Berichterstattungen, starteten nun Mitte Juni sogar Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Diese und die Berichterstattungen darüber ließen dem Influencer wohl endgültig den Kragen platzen. Nun meldet sich Kliemann, der seit all dem etwas ruhiger auf seinen Kanälen war mit einer vier Minuten langen Instagram-Story zurück.
"Alles ist kaputt. Können wir jetzt bitte weitermachen?"
Darin kritisierte er vor allem den medialen Umgang mit seiner Person und den Vorwürfen, die gegen ihn erhoben wurden, fordert ein Ende der Berichterstattung und kündigt an, weiterzumachen. "So. Es ist doch jetzt gut. Da haben ziemlich viele Leute ziemlich viel durcheinander gebracht, dann haben es alle abgeschrieben, hat sich super geklickt. Mein gesamtes Leben zerstört, zehn Jahre Non-Stop-Arbeit – alles ist kaputt. Können wir jetzt bitte weitermachen?"
Nachdem er wie in einem früheren Video noch einmal leugnet, Masken aus Bangladesch verkauft beziehungsweise an Geflüchtete verschenkt zu haben. "Ich habe aber auch verstanden, dass die Sachlage scheißegal ist. Ob ich's war, ob ich's nicht war, die Wut an sich macht genug Spaß", die Medien würden seinen Fall das gesamte Sommerloch weiter ausschlachten. "Uh, ein Ermittlungsverfahren wurde eröffnet. Uh, eine Akte wurde von links nach rechts bewegt". Natürlich habe er Fehler gemacht, daraus habe er gelernt und sichergestellt, dass es nicht wieder passiere. Das sei aber nicht sein erster Fehler gewesen und er verspreche, dass er noch viele Fehler machen werde. "Weil ich jeden Tag das mache, wovor Leute da draußen Angst haben: was Neues".
Im Anschluss setzte Kliemann zu einem Werbeblock für das Kliemannsland an, seinem eigenen Kreativprojekt in Niedersachsen. Dort würde man so akzeptiert, wie man sei. Am Ende des Videos lädt er die Zuschauer ein, sich selbst ein Bild davon zu machen.
Zu sehr die Opferrolle
Ganz Unrecht hat Kliemann mit seinem "Rant" nicht. Auch Kolumnist Mike Kleiß kritisierte bereits vor einiger Zeit den Umgang mit Fehlern: "Nach dem Investigativbericht hat er sich gemeldet und entschuldigt. In Sachen Fehlerkultur ein Muss! Sehr bald hat er den nächsten Fehler begangen, er gab Interviews. Er vertraute unter anderem Stern und Spiegel. Medien-Formate, die in der Vergangenheit immer wieder über den positiven Aspekt der Fehlerkultur geschrieben haben, die aber plötzlich ihre Haltung verließen, und wie der Boulevard auf Reichweitenfang gingen."
Kliemann beruft sich in dem Vier-Minuten-Statement darauf, dass er "anders" sei – und leitet daraus eine gewisse Opferrolle ab. Er teilt gegen die "linke woke Bubble" aus und lässt ordentlich Dampf ab. Dass damit die Aufregung abflaut, ist unwahrscheinlich. Denn jede öffentliche Äußerung bietet eben auch wieder neue Angriffsfläche. Auch wenn er selbst sagt, dass man nichts richtig machen kann: so ein Vier-Minuten-Rant dürfte noch weiter Öl ins Feuer gießen. Vor allem, weil die Stimmung auf Social Media und in den Berichterstattungen ja nicht gegen ihn und sein "Anderssein" oder das Kliemannsland geht, sondern gegen seinen mutmaßlichen Maskenbetrug.
Die "linke woke Bubble" reagiert auch dementsprechend. So schrieb beispielsweise @der_hase_im_pfeffer: "Junge, die Leute hassen dich nicht, weil du "anders" bist. (...). Du bist nicht "anders" oder outside the box. Du bist ein basic Kapitalist mit der typischen Portion Größenwahn privilegierter weißer Jungs (I call it Elon Musk Syndrom), die es einfach nicht gewohnt sind, dass jemand ihr Handeln kritisiert." Ein anderer Account @wastarasagt schreibt: "Ich finde die Rhetorik sehr gefährlich. 'Anders sein' wird hier glorifiziert und hat auch absolut nichts mit der eigentlichen Thematik zu tun. Es wird sich an manipulativer Rhetorik bedient, die am Ende nichts anderes ist als Werbung und ihn selbst als Opfer darstellen lässt." Auch was der Werbeblock für das Kliemannsland in dem emotionalen Video soll, ist nicht ganz klar: "Für das Team im Kliemannsland und die Projekte ist das sehr bedauerlich... ohne Frage. Aber sein Video hat einen anderen Schwerpunkt und das ist nicht das Kliemannsland."
Die Story auf Instagram ist nur 24 Stunden verfügbar, auf Instagram und Twitter kursieren aber bereits Ausschnitte und Mitschnitte, sowie Reaction-Videos.
Das Kliemannsland selber distanziert sich... Oder doch nicht?
Parallel zu Kliemanns bizarrem Instagram-Auftritt ist am Sonntagabend auf dem offiziellen Kliemannsland-YouTube-Kanal ein Video mit dem Titel: „Das Kliemannsland hat sich von Fynn Kliemann distanziert“ online gegangen. Es handelt sich um eine Chronologie der Ereignisse seit Ausstrahlung des kritischen TV-Beitrags von Jan Böhmermann. Mitarbeiter:innen legen darin dar, wie sie die Berichterstattung sowie die Absagen der Kooperationspartner:innen wahrgenommen haben – und überlegen, wie sie weiter vorgehen sollen. Das Video endet mit der entschlossenen Entscheidung weiterzumachen. Allerdings bleiben sie eine Stellungnahme zur Distanzierung schuldig. Vielmehr scheint es mit emotionalen Szenen und Nahbarkeit Besucher:innen und Kooperationspartner:innen anlocken zu wollen.
Alle W&V-Beiträge zum Maskenskandal um Fynn Kliemann in chronologischer Reihenfolge:
6. Mai 2022: Influencer Fynn Kliemann - ein Betrüger?
9. Mai 2022: Fynn Kliemann gerät weiter unter Druck
12. Mai 2022: Auch Toom und Berentzen geben Kliemann den Laufpass
13. Mai 2022: Der Fall Kliemann: Wie geht es weiter im Influencer-Marketing?
23. Mai 2022: Akte Kliemann: Jetzt verliert er seinen Geschäftsführer Tom Illbruck
24. Mai 2022: Fehlerkultur adé! Warum der Fall Kliemann ein Desaster ist
16. Juni 2022: Fynn Kliemann: Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft
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