Nicht so erfrischend:
Vita Cola: Warum nicht jede Kampagne eine tiefere Botschaft haben muss
Pünktlich zum Sommer hat der ostdeutsche Getränkehersteller Vita Cola sein Design überarbeitet, sich eine neue Lead-Agentur und einen neuen Claim zugelegt. Veränderung ist lobenswert, doch bei der Markenwirkung wird leider auf's falsche Pferd gesetzt.
Wer sagt denn, was eigentlich normal ist? Vita Cola möchte mit seiner neuen Lead-Agentur Werk 3 und einer neuen Kampagne angreifen. Pünktlich zum Sommer, der Hochzeit der Erfrischungsgetränke und FMCG-Kampagnen. Mit Slogans wie "Wer sagt denn, wir müssen erwachsen werden?" oder "Wer sagt denn, das Leben ist kein Wunschkonzert?" soll offensichtlich die Gen Z angesprochen werden. Doch bei all der Sympathie für kleinere Hersteller und Underdog-Agenturen, handelt es sich leider um ein ziemlich einfallsloses Konzept a là "Ich bin so verrückt, weil ich auf Fotos die Zunge rausstrecke". Zu den weiteren Kunden der Rostocker Agentur gehören Lotto Mecklenburg-Vorpommern, Edekabank, IKK Nord, die Staatskanzlei MV, der Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern und das Bildungsministerium in MV.
"Konventionen und gängige, gesellschaftliche Normative in Frage stellen": Die Frage ist: Wie?
"Mit der Kampagne stellt Vita Cola lässig-humorvoll Konventionen und gängige, gesellschaftliche Normative in Frage", sagt Alexander Hopf, Geschäftsführer von Werk 3 über die Idee und die Positionierung der Marke. Doch was ist auf den Motiven eigentlich zu sehen? Zwei junge Frauen, die sich Zitronenscheiben in den Mund stecken und damit in die Kamera grinsen. Ist nicht ganz die Zunge, aber genauso verrückt langweilig. Oder eine Frau auf einem Roller, die die Hände zu den Seiten streckt als würde sie fliegen, während ihr Freund hinter ihr bei schlechter Sicht das Gefährt lenkt. Freiheit, doch nur bis es aufgrund des riskanten Manövers kracht. Das letzte Motiv zeigt einen jungen Mann, der auf einem Gartenschlauch Gitarre spielt und sich dabei offensichtlich ziemlich Rock'n'Roll fühlt. Verrücktheit bis zum Abwinken. Denn auf die Idee irgendeinen Gegenstand als Gitarre zu nutzen, muss man erst einmal kommen. Die eigentliche Frage ist jedoch, was das alles mit Infragestellung von gängigen gesellschaftlichen Normativen zu tun hat.
Nicht in jede Kampagne muss Haltung oder Purpose interpretiert werden
Werk 3 schreibt außerdem: "Alle Visuals, Audio, Video und Social- Media-Aktivitäten zahlen konsequent auf das Lebensgefühl der Jugend ein. Dazu werden die Colas, Limos und Energydrinks der Marke mit jungen Leuten in Szene gesetzt, die ihr Leben aktiv und unabhängig gestalten, die ihr eigenes Ding machen und Spaß haben." Letzteres hätte schon ausgereicht, man muss nicht jede Kampagne, jedes Produkt künstlich mit Pathos versehen. Vor allem nicht im FMCG-Bereich. Das passt zu Marken, die Innovation, Nachhaltigkeit oder ähnliches in ihrer DNA haben. Für Getränkehersteller wie die Thüringer Waldquell Mineralbrunnen GmbH ist es vollkommen ok, einfach nur Spaß zu haben. Was besser zu einem Hersteller wie der Hassia Gruppe passen würde - wenn man schon auf eine tiefere Botschaft setzt - wäre, mit dem Image des Underdogs zu spielen, mit den Sympathien für kleinere Unternehmen, die es wert sind, unterstützt zu werden, statt immer nur den großen amerikanischen Konzernen wie Coca Cola das Geld in den Rachen zu werfen. An den konsumkritischen Idealismus der Gen Z zu appellieren.
"Das sind genau die jungen Menschen, die wir ansprechen und so für uns gewinnen wollen. Sie sind unkonventionell, lassen sich nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben und zeigen ganz selbstverständlich und erfrischend locker Haltung", sagt Markensprecher Paul K. Korn. "Gleichzeitig fühlen sich auch unsere bestehenden Verwender von dieser Kommunikation angesprochen. 'Nicht normal, aber original' bringt das Herz der Marke auf den Punkt. Unser Ursprungsprodukt, die Vita Cola Original mit dem Spritzer Zitrone, ist schon immer anders als herkömmliche Colas, eben wirklich ein echtes Original." Hoffentlich ist mit "Haltung" gemeint, dass auf dem Roller die Balance gehalten werden kann, denn eine gesellschaftliche oder politische Gesinnung lässt sich hier nirgendwo rauslesen. Wie gesagt: Einfach nur Spaß ist genug.
Überarbeitung des Designs
Die neue Kampagne ist seit Juni im Vertriebsgebiet Ostdeutschland im Bereich Out Of Home auf Großflächenplakaten, Station Videos, Banner und Info-Screens an Bahnhöfen zu sehen und wird außerdem per Funkspots, Online, im Adressable TV, auf YouTube, Social Media und im Kino flächendeckend zu sehen und hören sein. Parallel zu Claim und Kampagne wurde außerdem das Produktdesign aller Markengetränke modernisiert. Dazu gehören ein neues, dynamisches Logo für die Dachmarke und angepasste Logos für die Ranges Vita Cola, Vita Limo und Vita Energy. Die Etiketten sind klarer und reduzierter gestaltet, Sorten und Inhaltsstoffe damit schneller zu erkennen. Das soll für eine gute Wiedererkennung und bessere Orientierung im Handel sorgen.
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