Kommentar:
Cannes Lions und die verpassten Chancen
Cannes Lions - das war ein nahtloses Anknüpfen an frühere Zeiten: ein fröhliches Sich-Selbst-Feiern. Hinterfragt wurde das eigene Tun nicht. Auch nicht vom Veranstalter. Eine verpasste Chance. Schade.
Es war wie immer. Die Sonne schien (meist), die Cafés und Bars waren überaus gut besucht, Menschen aus aller Herren Länder strömten ins Palais und warteten geduldig auf die Sessions. Abends wurde flaniert oder kräftig gefeiert. Im dichten Menschenpulk bei Massive Music, aber auch in kleinen Gruppen entspannt bei Meta oder anderen Techies. Sie stemmen inzwischen die meisten Abendveranstaltungen. Es war, als hätte es die vergangenen zwei Jahre nicht gegeben. Als wäre Corona nur eine Chimäre und der Ukraine-Krieg ein Phänomen weit ab von der eigenen Realität. Stattdessen viel Gelächter, Umarmungen und eine freundlich-versöhnliche Grundstimmung.
Das eigene Tun wird nicht hinterfragt
Verständlich, dass viele Menschen nach zwei Jahren Pandemie Heißhunger auf echte Begegnungen haben, auf Impulse und Anregungen außerhalb der digitalen Welt. Nicht grundlos sprechen viele von "Nachholbedarf". Es mag auch eine Portion Eskapismus dabei sein angesichts der wirtschaftlichen Folgen des Kriegs. Doch derlei Entschuldigungen dürfen nicht für den Veranstalter gelten. Denn auch dort war alles beim Alten geblieben. Diversität und Nachhaltigkeit waren erneut die dominierenden Themen, Purpose der omnipräsente Grundton. Ja, auf dem Programm stand am ersten Tag "Creativity Under Bombs", eine Runde mit Kreativen aus der Ukraine. Und auch die Rückkehr der Kreativität nach Corona war ein Thema. Mehr aber nicht. Hier hätte man sich sicher mehr an Veranstaltungen und Aktionen erwarten dürfen. Geschweige denn wurde das eigene Tun angesichts der großen Herausforderungen auf der Welt hinterfragt.
Zwar fiel die Eröffnungsfeier samt Feuerwerk aus, wohl aus Kostengründen. Aber am Mittwoch und bei der Closing Gala lösten sich wieder zigtausend Euro in Luft auf. Mit Nachhaltigkeit indes hat ein Feuerwerk wenig zu tun. Weshalb nicht stattdessen ein Drohnen-Ballett den Himmel verzieren lassen? Abgesehen davon, dass das Geknalle für Menschen, die aus Kriegsgebieten kommen, eher unangenehm sein dürfte. Oder das viele Plastik. Als gäbe es die Diskussion über die Verschmutzung durch Kunststoffe nicht, wurden bei der Gala sämtliche Getränke in Einmalplastik konsumiert. Auch gegessen wurde mithilfe von Kunststofftabletts und -besteck. Zeitgemäß ist das nicht.
Der Kampf fürs Klima geht alle an
Völlig aus der Zeit gefallen war die Reaktion auf die Greenpeace-Aktivisten. Man versuchte, sie größtmöglich zu ignorieren. Was natürlich scheitern musste. Das hatte zur Folge, dass die Umweltschützer die Festival-Macher, ja eigentlich die ganze Branche, vor sich her trieben. Ob die Plakataktion zu Beginn, das Anlanden mit Protestbooten am WPP-Beach, die Löwen-Rückgabe auf der Bühne durch Gustav Martner (Head of Creative bei Greenpeace Nordic) oder die Protestaktion vor dem Palais: Die Frage, welche Verantwortung die Agenturen und Techdienstleister beim Kampf fürs Klima und gegen den Einsatz von fossilen Brennstoffen übernehmen sollten - die war in Cannes erst gar nicht richtig gestellt worden. Zumindest nicht vom Veranstalter.
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