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Ein neues Agenturmodell: Wie Odaline arbeitet
Niemand konnte ahnen, was aus dem Experiment werden würde, das Jan König und Nico Combes im Januar 2020 wagten. Odaline sollte von Anfang an virtuell arbeiten und das Geschäftsmodell Agentur neu erfinden. Warum das gelang.
Corona ist längst vorbei. Aber wer meint, Jan König und Nico Combes jetzt in ihren Agenturräumen besuchen zu können, hat Pech. Odaline gibt es nur virtuell; sämtliche Kolleg:innen arbeiten remote. Das hatten die Gründer - damals waren sie mit Marin Curkovic noch zu dritt - schon im Januar 2020 so geplant. Als dann wenige Wochen später eine Pandemie über die Welt kam, waren sie vorbereitet. Was für ein Glück!
Bleibt also nur der Teams-Call. König schaltet sich aus Werne dazu, wo er mit seiner Familie lebt. Das Leben in seiner alten Heimatstadt, in die er vor ein paar Jahren zurückgezogen ist, erdet ihn bei all dem Trubel, den das Agenturgeschäft so mit sich bringt. Combes dagegen liebt genau dieses Wuselige. Er schaltet sich aus Berlin zu, wo Odaline - dann doch - ein kleines Büro angemietet hat: An Orten, an denen sich die Zahl von Odaline-Mitarbeiter:innen häuft, finden sie sich in kleineren Büros oder Co-Working-Spaces zusammen. Wer halt will.
Modell Virtuelle Agentur
Eine virtuelle Agentur also. 2016, 2017 hat das Modell Schule gemacht, als der Kreative Constantin Kaloff ("Geiz ist geil") sich mit seiner Firma "We are open" selbstständig machte. Im Nachgang hat sich eine ganze Reihe ähnlicher Agenturen gegründet.
Die Kennzeichen dieses Typus: Ein kleines Kern-Team schart je nach Kundenauftrag die passenden Spezialist:innen um sich, arbeitet ihn ab und löst sich dann wieder auf. Quasi: Customized-Agentur auf Zeit. Das war flexibler, schneller, produktiver und vielfach auch kostengünstiger als so manch großes Agenturkonstrukt mit seiner Vielzahl von Gewerken.
Nur komplett remote
Eines aber freilich war damals anders: Die Leute haben sich in diesen maßgeschneiderten Agenturen persönlich getroffen, etwa in angemieteten Studios, Galerien oder Privatwohnungen. Auch hier: Startup-Feeling auf Zeit. Und viele von damals haben sich schließlich doch zu ausgewachsenen Agenturen entwickelt.
Bei Odaline dagegen soll es beim Virtuellen bleiben. Alles läuft konsequent remote. "Uns ist wichtiger, dass die Menschen glücklich an ihrem physischen Lebensmittelpunkt sind, als dass wir jeden Tag in einem Büro zusammen sind", sagt Jan König. Und das, obwohl Odaline mit ihren inzwischen 17 Mitarbeiter:innen, bereits relativ groß ist und weiter wächst.
Data, Content, Media aus einer Hand - diesmal wirklich
Die Gründer wollten 2020, als sie Odaline aus der Taufe hoben, das Agenturgeschäft neu erfinden. "Die Medienlandschaft ist über die Jahrzehnte immer komplexer geworden, die Silos zwischen den Disziplinen haben sich immer weiter vergrößert", sagt Nico Combes. "Wir haben uns gefragt: Wie bringen wir die vielen Kanäle im Sinne des Kunden zusammen?"
"Wir verstehen uns eigentlich gar nicht als Agentur."
Die Antwort darauf hatten die beiden Media-Experten - Combes war einst Königs Trainee bei Group M - schnell gefunden: Indem man relevanten Content lieferte, der auch bei der (vor allem digitalen) Verbreitung Erfolg hatte. Media sollte bei der Kreation also von Anfang mitgedacht werden.
Immer wieder behaupten Agenturen, Data, Content und Media aus einer Hand zu bieten. Am prominentesten war wohl das Beispiel Mediamonks. "In Wirklichkeit", betont König, "konkurrieren im Agenturgeschäft aber gerade Kreation und Media häufig miteinander."
Die Anti-Agentur
Odaline entwickelt stets nur die Strategie und das Konzept für die Kommunikation, setzt es aber selbst nicht um. "Wir verstehen uns deshalb eigentlich gar nicht als Agentur", betont Combes. "Wir beraten unsere Kunden eher, erarbeiten aus unserem Marken- und Marktverständnis heraus mit ihnen eine Strategie und Konzepte zur Lösung des Business-Problems und bringen für die Exekution am Ende die Expert:innen und Dienstleister in unserem 'Collective' zusammen, die das am besten können."
Deshalb auch der Name: Odaline de la Martinez ist eine amerikanische Komponistin und Dirigentin. Und darum, ein Orchester unterschiedlicher Disziplinen zu führen, geht es hier ja.
Orchester verschiedener Disziplinen
Das "Collective" bilden 40 bis 45 Unternehmen; die Liste wird ständig um weitere Spezialisten erweitert. Sie kommen aus allen möglichen Disziplinen, historisch bedingt vor allem aus der Bewegtbildproduktion. Konkurrenz um Aufträge gebe es unter den Dienstleistern nicht, sagt Odaline. "Die meisten haben begriffen, dass wir die komplexen Probleme unserer Kunden heutzutage nur in der Kollaboration lösen können", sagt König. Und so seien sie immer auch anderweitig ausgelastet.
Die Kunden wüssten selbstverständlich darüber Bescheid, wen Odaline für ihre Briefs holt. "Wir entlasten sie damit ja auch oft von der Pflicht, selbst einen Agenturpool zu führen", bemerkt Combes. "Aber Transparenz ist uns wichtig."
"Wir machen unsere Arbeit mit dem Kopf."
Ihre Partner-Firmen stellt Odaline - wie gesagt - je nach Kundenauftrag neu zusammen. Mal liegt der Fokus auf Influencer-Kommunikation, mal auf klassischer Kreation, mal auf Tiktok, Paid Media, mal auf E-Commerce. Dabei kann Odaline im Lead sein und mit allen Dienstleistern abrechnen oder der Kunde übernimmt die Fakturierung selbst. "Das machen wir ganz von den Wünschen unserer Ansprechpartner:innen abhängig", sagt Combes, der sich bei Odaline ums Finanzielle kümmert. In jedem Fall aber steuert Odaline den Prozess, außer die Agentur ist selbst Teils eines Dienstleisterpools.
Odaline rechnet keine Stundensätze ab
Wie diese komplizierte Konstrukt abgerechnet wird? Es ist eine Mischkalkulation. Mit Stundensätzen handelt generell Odaline nicht. "Wir machen unsere Arbeit schließlich mit dem Kopf", sagt König.
- Dafür setzt Odaline beim Projektgeschäft (Disney, Carlsberg, DHL, Cosnova, SIMon mobile, Michelin, Mustang Jeans, Gustavo Gusto) Tagessätze an.
- Bietet ihnen der Kunde einen Retainer (Aldi Süd, Vodafone, EnBW, Ford, Jack Wolfskin, Zurich, Hochland etc.), einigt man sich auf Pauschalen, in denen das Handling-Fee für das Agenturpool-Management bereits berücksichtigt ist.
Im Sommer sind so zum Beispiel die Arbeiten für Ford entstanden, die sich im deutschen Markt neu aufstellen. Als amerikanische Autobauer können sie hierzulande nicht mit den großen Marken mithalten: Sie brauchen für sich ein Nischenprofil. Und Ford will künftig für Abenteuer stehen.
Content-Systeme lösen Kampagnen ab
Dafür hat Odaline eine passende Content-Plattform gebaut: Die Inhalte, die in Kooperation mit Influencern wie Enissa Amani entstanden sind, fühlen sich nach Abenteuer an, rücken dabei die Marke Ford selbst nicht allzu sehr in den Vordergrund.
"Niemand will Werbung sehen", sagt König. Das Bild von Ford werde sich so automatisch verändern. Alle zwei Wochen wird ein Youtube-Format veröffentlicht; dafür gibt's täglich Shortform Content auf Tiktok, Instagram Reels und Youtube Shorts.
Aus dem Collective der Agentur haben hier Firmen mitgearbeitet wie Justaddsugar (Creator Content, 15 Adventurers, Ford Bootcamp mit Otto Bulletproof), BSP Media (BRB-YouTube-Format, kleine Content-Projekte), HRZN (Community Management), InSocial Media (Influencer) und All-In (Unseen Adventures, YouTube-Format).
"Niemand will Werbung sehen."
Ähnliche Content-Systeme hat Odaline davor bereits für Kunden wie Go Daddy ("GoTeam"), Zurich ("Planet Hero"), Jack Wolfskin ("Go BackPack") und Aldi Süd ("Wie ein Gourmet") erarbeitet. Bei Aldi gab es Ärger wegen eines Plagiatsvorwurfs, der sich allerdings nicht erhärten ließ. Jack Wolfskin hat Odaline zu einer der begehrtesten Jugendmarken überhaupt gemacht. Die Agentur versteht die Menschen da draußen, weiß, wie man Communitys aufbaut und langfristig pflegt. Alle Cases
Remote first, aber mit Kultur
Natürlich stellt das Arbeiten im Home Office eine Agentur wie Odaline vor besondere Herausforderungen. Dass man über Tools wie
- Notion fürs Projektmanagement,
- Teams / Slack / Whatsapp für den Austausch,
- Range, einem Remote Collaboration Tool,
- Langdock GPT, einem internen Chatbot bei voller Datenkontrolle inkl. Prompt Library
- Microsoft Cloud inkl. Sharepoint für Files
über Städte und Ländergrenzen hinweg reibungslos auf Kundenprojekten arbeiten kann, wissen wir seit Corona.
Einmal OMR: 30.000 Euro
Auf der Strecke bleiben indes häufig das Miteinander und damit Inspiration, der Spaß am Job und ja, auch die mentale Gesundheit. Nicht umsonst holen Agenturen ihre Leute wieder zurück, manche mittels Zwang, andere subtiler über schickes Büro-Design, Incentives und interaktive Formate, die es so nur in der Agentur gibt. Wie hält es Odaline mit der Kultur?
Neben den genannten Cowork Spaces und angemieteten Büros bietet Odaline
- Offsites (vierteljährlich) für agenturinterne, strategische Fragen
- Workations (jährlich) wie zuletzt in Kroatien, die die Kolleg:innen und ihre Partner aus dem Collective zusammenbringen sollen, sowie
- Events und Konferenzen. Dieses Jahr war die ganze Agentur auf der OMR. Das hat Odaline 30.000 Euro gekostet.
Und natürlich können sich Teams, wenn sie wollen, auch ganz selbstständig in persona treffen. Niemand muss das tun, kann es aber. Denn immer gilt: Remote first!
Miteinander arbeiten, voneinander lernen
Wer sich einmal ein bisschen auf den Linkedin-Profilen von Odaline-Leuten umgesehen hat, weiß, dass das funktioniert. Als Strategiegeschäftsführerin Alina Ludwig die Agentur verließ, eine für Odaline über die Jahre wirklich prägende Person, waren die Kommentare sehr eindeutig: Odaline steht für eine besondere Kultur des miteinander Arbeitens und Lernens, das seinesgleichen in der Branche sucht.
Alina wird deshalb auch nicht ersetzt. Alle, die von ihr gelernt haben, übernehmen peu à peu ihre Aufgaben.
Das Ziel: Vertikales Wachstum
Mit ihrem Agenturmodell hat Odaline abgesehen von den Corona-Jahren, in die ja die Gründung fiel, in den vergangenen Jahren Umsatz und Neugeschäft stets ausgebaut. Zahlen nennen die Agenturchefs nicht, aber die wachsenden Mitarbeiter:innen-Zahlen sprechen für sich. Mit der Corporate-Erfahrung ihrer Gründer und dem schlanken Agenturmodell schafft es Odaline, ebenso große Marken wie Start-ups an sich zu binden und das sogar, ohne zu pitchen!
"Wir wollen wachsen, aber auch unserem Modell treu bleiben."
"Über 30 Kunden bei 17 Mitarbeitenden klingt verrückt – aber es funktioniert", sagt König. Denn nicht jeder Kunden brauche sie jeden Tag. "Wir hüpfen von einem Ford-Dreh zu einer Vodafone-Strategie und von dort in ein Tiktok-Konzeptionsmeeting für Disney." Die Abwechslung hält die Leute fit, motiviert.
Odaline will weiter wachsen und zwar vertikal mit immer neuen Units wie zuletzt Paid Media um den Experten Janik Keßel. Einen Tag nach der Ankündigung im Dezember 2022 konnte Odaline bereits Budgets in Höhe von 2 Mio. Euro verwalten. Im ersten Schritt fokussieren sie derzeit auf die Kanäle, auf denen ihr Content Stack aktiv ist: Paid Social, Youtube, digitales Bewegtbild.
Demnächst wird Odaline auch ins Community-Management einsteigen. "Wir starten im Januar mit fünf Leuten auf vier Kunden", sagt König. Das Angebot nennt sich "Alondra Social". "Es ist das", sagt der Agenturchef, "was man insbesondere von der Bahn, Aldi Süd, 'Bro' Sieben und Co. auf Tiktok kennt. Denn das formt heute Marken."
Das ist gleichzeitig ein Angebot an die eigenen Mitarbeiter:innen: Wer sich entwickeln will mit einer eigenen Unit muss dafür nur einen Business-Plan vorlegen.
Aus Fehlern lernen
Natürlich lief nicht immer alles glatt. Odaline probiert sich gerne aus und wenn etwas nicht klappt, gestehen sie sich das ein. "Wir sind ja recht blauäugig gestartet", sagt König, "hatten mit Corona unsere Not, später dafür Wachstumsschmerzen und mussten unser Tool-Stack nach und nach anpassen. Wir hatten zum Beispiel einen schrecklichen Onboarding-Prozess, der erst jetzt so richtig funktioniert. Manchmal matchen wir auch nicht mit Kund:innen, die für uns (noch) nicht bereit sind – aber das ist ok."
Alles in allem blickt Odaline optimistisch in die Zukunft. Bis Ende 2024 wollen sie trotz Kriegen und Krisen über 30 Leute sein. Kann Odaline da ihrem Modell treu bleiben? "Das macht unseren Kern doch aus", sagt Combes.
Mit ihrem speziellen Ansatz scheint die Agentur im Markt weiterhin gefragt. Wer Nico Combes und Jan König persönlich kennenlernen will, muss also weiterhin nach Berlin fahren oder eben Werne. Erdet recht schön.
Zahlen & Fakten
*1.1.2020 Gründung kurz vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie. Die Agentur steckt gleich in der Existenzkrise, hat aber zum Glück eine Kampagne mit Eko Fresh, Philipp Westermeyer und Bonnie Strange am Start, die erstmal etwas Geld einbrachte. Die Gründer verzichten auf die Auszahlung ihrer Gehälter.
Sitz offiziell Karlsruhe, aber eigentlich remote
Gründer/Management Jan König, Marin Curkovic, Nico Combes. Director Level: Anna Lisa Lappenküper, Axel Koppermann, Patricia Heydemann, Paul Woelky, Matthias Rossini
Mitarbeiter:innen 17 (21 ab Januar 2024)
Portfolio Strategie, Konzeption, Content, Beratung, Media, Influencer Marketing
Kunden Vodafone, GoDaddy, Jack Wolfskin sind Startkunden. Dann: Accenture, Aldi Süd, American Express, EnBW, Forest Gum, Gustavo Gusto, Michelin, Simon Mobile, Tonies, DeLonghi/Nutribullet, Zurich, Disney, Parship, Warner Bros. (Harry Potter), NABU, Ford
Awards Deutscher Preis für Online-Kommunikation. Deutscher Mediapreis (Media-Idee für das Content-Marketing von Zurich 2023, Media-Idee für Digital & Social Media von Jack Wolfskin 2022), Effie (Jack Wolfskin), German Brand Award (Jack Wolfskin 2022), Digital Communication Award (DCA), TikTok Greatest Creative 2023 (für Ford), TikTok Best DACH (Nikon), The Best Agency Award 2022 (Cherrypicker)
Beteiligungen / Kooperationen David + Martin, München, sind seit 2020 an All Eyes On Screens (ehemals AdScanner) beteiligt, der Holding von Odaline. Das Joint Venture FYPX mit Performance Media, Deutschlands erste One-Stop-Shop Tiktok-Agentur, bestand von Januar 2021 bis Dezember 2022.
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