60 Jahre W&V:
Nachhaltigkeit: Werdet Teil der Lösung!
Fabian Grischkat heizt der W&V-Geburtstagsgesellschaft mit Klimafakten ein, empfiehlt die Kündigung und diskutiert mit Nachhaltigkeits-Berater Stephan Grabmeier, Isabelle Rogat von Thjnk und W&V-Chefredakteur Rolf Schröter darüber, wie das Marketing Verantwortung in Sachen Nachhaltigkeit übernehmen kann.
Wenn es gut werden soll, dann muss es nicht unbedingt bequem sein. Und dass es besser werden muss, steht für Fabian Grischkat außer Frage. Er eröffnet mit einem Staccato an Klimafakten das zweite Panel der Jubiläumsfeier anlässlich des 60. Geburtstags der W&V im Münchner Haus der Kunst: die sieben heißesten Tage der vergangenen 1.000 Jahre fanden innerhalb einer Woche in diesem Jahr statt. Das Meer vor Kalifornien hat sich auf über 38 Grad erhitzt und allein 2022 gab es mehr als 60.000 Hitzetote in Europa.
Auf diese Weise führt er der Werbebranche vor Augen, dass sie Teil der Lösung werden und zu "Türstehern gegen Greenwashing" werden muss, um mit BAM-Gründer Jan Pechmann zu sprechen, den Fabian Grischkat mit diesem Sprachbild zitiert. Für alle Anwesenden, die ihren Job mit Zweifeln machen und sich nicht ganz sicher sind, ob sie eher Teil des Problems statt Teil der Lösung sind, hat der Influencer und Aktivist für Klimaschutz den simplen, aber unbequemen Rat: "Kündigt euren Job, entscheidet euch nicht für die dunkle Seite der Macht!" Agenturen sollten seiner Meinung nach viel stärker darauf achten, was sie bewerben.
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In der anschließenden Diskussion mit W&V-Chefredakteur Rolf Schröter schränkt Isabelle Rogat von Thjnk ein, dass niemandem damit geholfen sei, Kunden abzuschlagen. Denn wenn die eine Agentur eine Kampagne ablehne, gehe der Kunde eben zu einer anderen Agentur, um genau die gleiche Kampagne dort umzusetzen. "Viel eher sollte man dann über das Portfolio sprechen."
Nachhaltigkeits-Berater Stephan Grabmeier, der ebenfalls mitdiskutiert, spricht sich dafür aus, mit Kreativität die Zukunft zu gestalten. "Eure Branche hat es geschafft, eine ganze Generation auf 'Geiz ist geil' einzustimmen. Warum nutzen wir nicht diese Kreativpower, um eine enkelfähige, lebenswerte Gesellschaft zu schaffen?" Grabmeier erinnert an die planetaren Grenzen, die unser komplettes System zum Zusammenbruch bringen, wenn wir sie überschreiten. "Es reicht daher nicht, weniger Schaden anzurichten. Wir brauchen eine regenerative Wirtschaft."
Allein die nackten Zahlen sollten auch Unternehmen wie Shell davon überzeugen, in den Umbau ihrer Geschäftsmodelle zu investieren, hofft Fabian Grischkat. Er zitiert eine Studie von Deloitte, wonach bei einem Anstieg der Erdtemperatur um drei Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter das BIP in knapp 30 Jahren um 2,5 Prozent geringer ausfallen würde. Das entspräche einem Verlust von 140 Milliarden Euro. Auch wenn die Investitionen hoch seien, überwiegen irgendwann die wirtschaftlichen Chancen.
"Die Tools für den Wandel sind da", sagt Stephan Grabmeier. "Entscheidend sind die Haltung und die Einstellung im Unternehmen" – und zwar auf jeder Ebene: "Jeder Job ist ein Klimajob." In der Kommunikation gehe es darum, positive Zukunftsbilder zu gestalten. Deutschland könne auch schön und innovativ sein, sagt Fabian Grischkat. Gleichzeitig ist es wichtig, ehrlich zu bleiben, auch und vor allem als Unternehmen. "Alle haben Leichen im Keller", sagt Isabelle Rogat. "Da hilft es nur, Fehler zuzugeben und ehrlich zu sein, wie zu einem guten Freund."
Der Begriff der Haltung fällt immer wieder in der Diskussion und auch wenn er in der Debatte rund um Nachhaltigkeit schon viel strapaziert wurde, hat er nichts an Relevanz eingebüßt. Isabelle Rogat bringt es einfach, aber klug auf den Punkt: "Wenn in einem Unternehmen Haltung da ist, dann brauchen wir keine Nachhaltigkeitskampagnen und auch keine Diversitykampagnen." Dann brauche es auch keine Corporate Influencer, denn wenn Unternehmen so aufgebaut seien, dass Menschen gerne Dinge über ihren Arbeitgeber teilen, dann müsse man sie dafür auch nicht extra motivieren.
"Es ist 2023!", ruft Fabian Grischkat ins Publikum. Und damit ist eigentlich alles gesagt. Denn 2023 müssen wir nicht mehr darüber diskutieren, ob sich Diversity in Unternehmen bezahlt macht, oder ob es eine Notwendigkeit zur Transformation gibt. Es bleibt nur die Frage danach, wie der Wandel stattfindet und wie die Botschaften wahr und authentisch kommuniziert werden. "Wir gestalten Sehgewohnheiten", sagt Isabelle Rogat. Das betreffe Körperbilder genauso wie Nachhaltigkeitsbotschaften.