Außenwerbung:
"Den Kreativen müssen wir noch besser erklären, wie DOOH funktioniert"
Der Verband für Digital Out of Home IDOOH besteht nun seit gut einem halben Jahr - zu diesem Anlass haben wir mit Geschäftsführer Frank Goldberg über Rekorde und Herausforderungen gesprochen - und über Strom.
Es läuft bei der Außenwerbung: Das Jahr 2022 könnte das stärkste in der Geschichte des Mediums werden, Programmatic setzt sich immer weiter durch und es gibt weiteres Wachstumspotenzial. Frank Goldberg, Geschäftsführer des Institute for Digital Out of Home Media (IDOOH), erklärt im Interview, warum - und wo es noch Herausforderungen gibt.
Herr Goldberg, trotz Corona und Ukraine-Krieg hat DOOH nach dem Rekordjahr 2021 die nächste Bestmarke gesetzt und von Januar bis Juni das bislang erfolgreichste erste Halbjahr hingelegt. Wie erklären Sie sich das?
Das liegt einerseits an dem langfristigen Trend und am Corona-Booster. Den langfristigen Trend hatten wir vor Corona schon und der ist auch jetzt noch intakt. DOOH ist ein Medium, das zwei Stärken verbindet: eine große Reichweite mit der Möglichkeit, die Medien digital anzusteuern und damit auch datengetrieben zu buchen und Targeting zu betreiben. Dann kommt noch hinzu, dass andere Reichweitenmedien immer stärkere Probleme bekommen und auch Online und Mobile anscheinend ihre stärksten Wachstumsphasen hinter sich haben.
Und wie konnte DOOH ausgerechnet durch die Pandemie profitieren?
Während Corona hat man gemerkt, dass man mit DOOH auch viel flexibler sein kann. Ich kann kleinere Budgetgrößen einsetzen, kleinere Einheiten ansteuern, lokales Targeting machen und viel kurzfristiger auf Sendung gehen als bei vielen, vor allem klassischen Medien. In Zeiten von Unsicherheiten ist Digital somit ein Mittel der Wahl, und DOOH, weil es eben dann noch mit dem Potenzial einer großen Reichweite daherkommt, umso mehr.
Hat Programmatic ebenfalls zum Wachstum von DOOH beigetragen?
Auf jeden Fall! In den letzten zwei Jahren hat sich der Bereich rasant entwickelt. Wir sind 2018 mit einem mikroskopisch kleinen Anteil an programmatischen Umsätzen gestartet. Im letzten Jahr waren wir schon bei 30 Prozent im Gesamtmarkt, aktuell dürften wir bei rund 40 Prozent liegen. Einzelne Publisher generieren bereits 50, 60 Prozent ihrer Umsätze über Programmatic. Und die meisten dieser Programmatic-Umsätze bringen echte neue Gelder. Da werden nicht klassische Budgets ins Programmatische geshiftet, im Gegenteil: Wir bekommen gerade von denen, die neu auf den Programmatic-Zug aufspringen, die Rückmeldung, dass sie damit neue Budgets und neue Kunden gewinnen.
Allerdings funktioniert DOOH anders als Online – ist das bei den Agenturen schon überall angekommen?
Leider nicht. Es haben noch nicht alle verstanden, dass DOOH ein anderes Digital ist als das, was sie von Online und Mobile kennen. Es ist nicht schlechter und nicht besser, sondern einfach anders. Das liegt vor allem daran, dass es ein One-to-Many-Medium ist, daher kommt auch die enorme Reichweite von DOOH. Dadurch kann man es aber auch nicht für Performance-Marketing nutzen, wo man die persönliche Ansprache und das persönliche Feedback braucht. Dieses Personalisieren ist auf DOOH nicht möglich. Es ist jetzt unser Job, diese Unterschiede besser zu erklären.
Vor welchen Herausforderungen steht die Branche noch?
Zunächst müssen wir dafür sorgen, dass wir als Branche – und damit meine ich die klassische und die digitale Außenwerbung – schlagkräftig und vor allem gemeinsam vorgehen. Wir können es uns nicht länger leisten, wie in der Vergangenheit drei verschiedene Marktforschungsstudien zu haben und mit verschiedenen Stimmen zu sprechen. Stattdessen muss analog und digital zusammen gedacht, zusammen verkauft, zusammen geforscht werden. Dafür braucht es gemeinsame Konzepte und einen gemeinsamen Außenauftritt. Wir müssen unsere Stärken einfach gemeinsam nutzen.
Manchmal passt DOOH aber besser zu Online und Mobile als zum geklebten Plakat …
Sicher, wir dürfen auch nicht vergessen, dass die Kunden immer stärker fordern, Medien crossmedial buchen zu können. Daher müssen wir dafür sorgen, dass unser Medium kein Silo ist, und uns schnell mit anderen Medien, die sinnvoll mit DOOH gebucht werden können, so verbinden, dass es dem Kunden leicht möglich ist, entsprechende crossmediale Kampagnen zu schalten.
Bislang war nur von der Planung die Rede – wie sieht es mit der Kreation von DOOH aus?
Auch den Kreativen müssen wir noch besser erklären, wie DOOH funktioniert. Weil die ganz am Anfang stehen, wenn eine Kampagnenidee entwickelt wird und auf die verschiedenen Medien adaptiert werden muss. Aus diesem Grund haben wir vor zwei Jahren die DOOH Creative Challenge (DCC) ins Leben gerufen, den einzigen Kreativwettbewerb speziell für DOOH. Die läuft auch sehr erfolgreich, wir haben eine hochkarätige Jury und bekommen auch tolle Einreichungen.
Trotzdem gab es in diesem Jahr in der Kategorie „Future Vision DOOH“ keine Shortlist …fehlt den Kreativen noch die Fantasie?
Oh nein, wir kennen reichlich Kampagnen, die in diese Kategorie super reingepasst und einen Preis gewonnen hätten! Die wurden nur nicht eingereicht, und das kann nur damit zu tun haben, dass wir die Kategorie nicht gut genug erklärt haben. Im ersten Jahr hatten wir ja solche Einreichungen, deswegen haben wir dann die Kategorie eingerichtet. Das Potenzial dafür ist in jedem Fall da!
Apropos Potenzial: Aktuell gibt es knapp 135.000 Screens bundesweit - wieviel Wachstumspotenzial sehen Sie hier noch?
Es gibt noch einige Touchpoints, die extrem frequenzstark, aber kaum erschlossen sind. Ganz oben auf der Liste steht der Outdoor-Bereich, also die Straße und Fußgängerzonen. Hier wurden schon digitale Screens installiert, wie das Deluxe-Net von Wall. Auch Ströer baut kontinuierlich sein Public Video Roadside aus. Anfang des Jahres aber waren von den 135.000 Standorten nur rund 4.000 an der Straße, also nur knapp 3 Prozent. Hier wird noch viel passieren in den nächsten Jahren. Jeder klassische Außenwerber wird am Ende des Tages da mitmachen müssen. Darüber hinaus sehe ich noch enorm viel Potenzial in Touchpoints wie Tankstellen, LEH, Drogeriemärkte oder Apotheken.
Mehr Screens verbrauchen mehr Strom – eine Tendenz, die aktuell sehr kritisch beäugt wird. Wie steht es um den CO2-Footprint von DOOH?
Jedes Medium hat eine meist nicht so tolle Klimabilanz und muss daher zusehen, wie es diese verbessert, egal ob digital oder klassisch. DOOH ist da nicht schlechter als andere Medien. Viele DOOH-Anbieter sind in der Richtung auch schon aktiv. Ströer will bis 2025 klimaneutral sein, und auch Wall, Goldbach, Cittadino und andere haben Nachhaltigkeitskonzepte entwickelt. Aber der Druck wird zunehmen und damit die Notwendigkeit, sich dazu zu erklären. Das bedeutet, dass wir branchenweite Konzepte benötigen, um unsere Green Credentials zu erhalten und zu verbessern. Das können beispielsweise Gütesiegel sein, die die Klimabilanz einer CO2-Kampagne nachweisen. Das wird sicherlich eines der nächsten Themen sein, mit denen wir uns im IDOOH befassen werden.
Das IDOOH existiert jetzt etwas mehr als ein halbes Jahr – wie fällt Ihre bisherige Bilanz aus?
Durchweg positiv! Das Schöne daran ist: Alles läuft sehr konstruktiv. Die Branche als Ganzes hat erkannt, dass man viel mehr gewinnt, wenn man an den Stellen, wo es Sinn macht, zusammenarbeitet. Und wir sind voll im Plan, unsere erste gemeinsame Reichweitenstudie wird wie vorgesehen im Herbst erscheinen.
Was darf der Markt von der Studie erwarten?
Das allerwichtigste an der Studie ist, dass wir aus den bisherigen drei Studien im OOH-Markt zunächst einmal zwei machen. Bisher gab es für die digitale Außenwerbung die Public Video von Ströer und die Public & Private Screens vom DMI, diese werden wir ablösen durch die IDOOH Public & Private Screens. Dort werden wir alle DOOH-Medien in Deutschland mit besonderem Fokus auf Indoor erfassen. Das heißt, dass wir die Screens, die an der Straße oder in Fußgängerzonen stehen und bereits von der ma OOH erfasst werden, nicht doppelt erfassen und auf keinen Fall eine zweite Währung in den Markt bringen werden. Aber wie gesagt, von 135.000 Flächen stehen 131.000 indoor. Um diese werden wir uns vorrangig kümmern.