Digitalisierung:
Internet der Sinne: Hörst du noch oder riechst du schon?
Google Nose war zwar nur ein Aprilscherz vor einigen Jahren - doch neue Technologien nähern sich dieser Idee an. Kommt jetzt das Internet der Sinne - und welche neuen Möglichkeiten bringt das für die Markenkommunikation? fragt Kamila Majnusz von OSK.
Schonmal von „Google Nose“ gehört? Dieses Tool soll es uns ermöglichen, nach Gerüchen zu suchen und sie über Laptop oder Smartphone zu erleben. Kann ich meine Pizza jetzt also schon bei der Bestellung riechen – oder das Parfum, das ich einem Freund schenken möchte? Schön wär's. Denn diese Ankündigung von Google war 2013 nicht mehr als ein Aprilscherz. Aber: Technologien nähern sich dieser Idee immer mehr an.
Bisher nutzen digitale Technologien hauptsächlich zwei Sinne – Sehen und Hören. Das sogenannte „Internet der Sinne“ soll nun die Tür zu Erfahrungen öffnen, die über Video- und Audio-Inhalte hinausgehen – aufbauend auf den rasanten Fortschritten bei AR- und VR-Anwendungen, kombiniert mit den neuen Möglichkeiten zur Echtzeit-Datenübertragung über 5G. Dürfen wir uns in naher Zukunft also darauf freuen, digitale Objekte zu fühlen, zu schmecken und zu riechen?
Der Begriff „Internet of Senses“ stammt vom schwedischen Telekommunikationsunternehmen Ericsson. Er beschreibt die Integration verschiedener Sensoren und Technologien in Produkte, die Daten im Zusammenhang mit sämtlichen menschlichen Sinnen erfassen und übertragen können. Auf diese Weise schaffen sie neuartige digitale Erlebnisse, die den Sinneswahrnehmungen der physischen Welt verblüffend ähnlich sind.
Die Einsatzmöglichkeiten sind so vielfältig wie unsere Sinneswahrnehmungen: Im Internet der Sinne könnten wir zum Beispiel in virtuellen Einkaufszentren shoppen, die vollkommen immersiv sind – und von Zuhause aus unsere Lieblingsprodukte im Vergleich zum klassischen Web nicht nur suchen und kaufen, sondern das rustikale Brot riechen, die neue Eiscremesorte schmecken und den weichen Stoff eines Designer-Wollpullis fühlen – genauso wie beim Kauf im stationären Geschäft.
Pizza Virtuale und Pixel Punsch
Apropos Lebensmittel und Getränke – wie wäre es, nach der digitalen Einkaufstour ein gemeinsames Dinner oder einen leckeren Cocktail mit Freund:innen zu genießen, ohne am selben Tisch zu sitzen? Die Eindrücke eines Restaurantbesuchs nicht nur visuell, sondern auch geschmacklich auf Tiktok mit allen zu teilen? Und was steht einem VR-Food-Festival noch entgegen, wenn ein interaktiver Teller das Lachsfilet als Hologramm zeigt, Meeresduft über Mikroluftpumpen in unsere Nase strömen lässt und die Zungenspitze passend dazu mit wohldosierten elektrischen Impulsen stimuliert wird? Heute unvorstellbar – dank des Internet of Senses aber vielleicht eines Tages möglich.
Grundlage dafür sind entsprechende Endgeräte. So wie Bildschirme uns schon heute Dinge sehen und Lautsprecher uns hören lassen, ohne dass das Objekt physisch vor Ort sein muss, könnte uns ein Glas, das die nötige Elektronik für die multisensorische Stimulation enthält, einen virtuellen Cocktail genießen lassen. Wie das aussehen kann, hat ein Team der National University of Singapore mit ihrem Vocktail bereits vor einiger Zeit gezeigt.
In Sachen Tastsinn hat ein englisches Start-up ein Gadget entwickelt: In ihr tablet-artiges Gerät hat Ultraleap zu diesem Zweck viele kleine Lautsprecher eingebaut. Über ihre Acoustic Radiation Force-Technologie setzen die Entwickler:innen auf Ultraschall, um Oberflächen und Objekte zu erzeugen, die ohne echte Berührung virtuell ertastbar sind.
Sinnlicher Content bringt neue Würze für Markenkommunikation
Was bedeutet diese Entwicklung für Marken und ihre Kommunikationsaktivitäten? Mit dieser Frage beschäftigt sich unter anderem der Social Media Trends Report 2023 von Talkwalker. Die darin befragten Expert:innen stellen fest: Da Menschen unterschiedliche Informationsbedürfnisse haben – manchen sind Strukturen und Fakten wichtig, anderen eher Emotionen und Gefühle – sollten Marken ihren Content unterschiedlich aufbereiten. Dies ist aus User:innen-Sicht allerdings schon lange ein Muss.
Dazu kommt die sinkende Aufmerksamkeitsspanne der Nutzer:innen, sich ständig verändernde Algorithmen und Feature Sets digitaler Plattformen sowie das rasante wachsende Metaverse. In diesem sich stetig weiterdrehenden Spannungsfeld sollten sich Unternehmen um Innovationen bemühen.
Das Internet der Sinne birgt enormes Zukunftspotenzial, um Content nicht nur auf frische Art und Weise, sondern noch passgenauer für verschiedene Zielgruppen aufzubereiten. Zeitgleich bietet sich die Chance, die eigene Marke noch vielfältiger präsentieren zu können – und neuartige, innovative Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die das individuelle Benutzer:innenerlebnis verbessern. Auf diese Weise würden sich Unternehmen nicht nur vom Wettbewerb abheben und eine ganz neue Form wertvoller Nutzungsdaten sammeln, sondern auch ihre Communities begeistern und loyalisieren.
Die Sinne schon heute schärfen
Auch wenn die aktuellen Sinnes-Technologien noch ein paar Evolutionssprünge brauchen, bis das Internet der Sinne Wirklichkeit ist: Einmal verfügbar, könnte die reale noch weiter mit der digitalen Welt verschmelzen und komplette Branchen revolutionieren – vom Medien- und Unterhaltungsbereich bis hin zum E-Commerce.
Unternehmen sollten die weitere Entwicklung also gut im Auge behalten – und schon heute damit beginnen, ihre Markenkommunikation nicht nur visuell und auditiv, sondern auch haptisch, olfaktorisch und gustatorisch zu denken.
Über die Autorin: Kamila Majnusz ist Consultant Digital Communications bei OSK.