Kommentar von Petra Schwegler:
Jugendkanal nur im Netz: Kaum billiger, aber besser!
Kein Schaden ohne Nutzen, meint W&V-Redakteurin Petra Schwegler: Wenn ARD und ZDF einen Jugendkanal nur im Netz gestalten, könnten sie dort eine echte neue Marke etablieren.
Es steht nun fest, dass der von ARD und ZDF geplante Jugendkanal "nur" im Internet an den Start gehen soll. Ein eigenes Angebot in Radio und Fernsehen soll es nach dem Willen der Länder nicht geben. Dem ursprünglich geplanten Multimedia-Auftritt für 14- bis 29-Jährige in Fernsehen, Radio und im Netz haben die Ministerpräsidenten der Länder am Freitag bei ihrer Konferenz in Potsdam damit eine Absage erteilt.
Sollten die Öffentlich-Rechtlichen nun lamentieren und sollte die kritische private Konkurrenz rund um den Verband VPRT jetzt jubeln? Nein! Im Gegenteil: Es könnte für ARD und ZDF von Vorteil sein, sich jetzt mit viel Kreativität in den Online-Bewegtbild-Kosmos zu stürzen. Marken, die heute bei oder neben Youtube bestehen, sind Marken, die die Kaufkräftigen von morgen im Moment registrieren und später dann erinnern. Die private Konkurrenz wie ProSiebenSat.1 schickt ja nicht ohne Grund bekannte deutsche Youtuber rund um Gronkh zum Blödeln in die Villenviertel der USA und stellt das Mitgefilmte dann in die konzerneigenen Youtube-Kanäle ein ...
Übers klassische TV kommen ARD und ZDF ohnehin nur noch schwer an die Teens und Twens heran. Aber ein Online-Jugendkanal kann auf Smartphone, Tablet und PC abgerufen werden – reicht doch! Das sind die Geräte, die 14- bis 29-Jährige heute überwiegend nutzen. Damit haben die beiden Sender eine echte Chance, ein wirkliches "Jugendmedium" zu entwickeln. Damit tun sich übrigens andere klassische Anbieter genauso schwer; Bauers "Bravo"etwa kann ein Lied davon singen. Vorteil für die Öffentlich-Rechtlichen: Sie haben mehr als genug Kanäle für die Crosspromotion eines jungen Online-Angebots.
ZDF-Intendant Thomas Bellut klingt nun auch ganz zuversichtlich, wenn er sagt: "Die Entscheidung der Ministerpräsidenten ist für uns ein Ansporn, noch mehr Angebote für junge Zuschauer zu machen." Das Internetportal sei eine perfekte Ergänzung zu ZDFneo und ZDFinfo, "die bereits mit Erfolg ein jüngeres Publikum erreichen". Mit Blick auf die vom VPRT via Brüssel aufgesetzten Web-Checklisten für Öffentlich-Rechtliche - genannt "Drei-Stufen-Test" - fordert der ZDF-Chef dann aber doch noch etwas für Jugendkanal.de ein: Er will "mehr Bewegungsspielraum im Netz als bisher".
Tapfer sein müssen unterdessen die Kritiker des öffentlich-rechtlichen Systems: Billiger wird ein reiner Online-Jugendkanal kaum! Das werbefreie Projekt sollte in der geplanten Form 45 Millionen Euro pro Jahr kosten. Die ARD wollte 30 Millionen Euro übernehmen, das ZDF 15 Millionen Euro. Nun hat der federführende SWR schon vor einigen Monaten gegenüber dem Branchendienst "dwdl.de" durchblicken lassen, dass "eine Beschränkung auf den Ausspielweg Online nur geringfügig günstiger" kommen würde. Nur knapp 6,5 Prozent würden gespart, die erforderlichen Workflows blieben dieselben. Schließlich soll für das junge Angebot extra produziert werden (jetzt dürfen sich mal kurz die Produzenten freuen).
Abwarten, wie schnell die beiden Sender nun die Offerte ins Netz bringen. Der SWR ging bisher von Anfang 2016 fürs gesamte Paket mit TV, Web und Radio aus. Eine eigens im Web platzierte Broschüre sollte schon einmal für das Vorhaben trommeln und ließ bereits hoffen: Das könnte fürs Internet ganz gut taugen!
Update: Der VPRT jubelt tatsächlich. Aber nur ganz kurz. Dass wie geplant zwei bestehende Digitalsender nach dem Willen der Landesväter gestrichen und keine Weichen für ein neues junges TV-Programm gestellt werden, beklatschen die Privaten. Aber 45 Millionen für ein reines Online-Angebot - da vermutet der Verband einen "Blankoscheck" und freie Fahrt für neue Konkurrenz. Die Kollegen vom APR, die zahlreiche kleine Stationen vertreten, sind richtiggehend entsetzt. Der Verbandsvorsitzende Felix Kovac wähnt eine "massive Bedrohung der Privatradios" verbunden mit "einem massiven Verdrängungswettbewerb, den eine Anzahl beliebter privater Stationen nicht überleben wird". Noch ist ja nicht sicher, ob ARD und ZDF neben groß gewordenen Internet-Marken wie Youtube online tatsächlich eine Adresse für die Jugend werden. Im Netz herrschen ganz andere vor.