Social-Media-Backlash:
Female Company, HSV, BSR: Drei Marken im Auge des Shitstorms
Früher waren Shitstorms im Internet noch ein Großereignis, mittlerweile sind sie fast an der Tagesordnung. Mit The Female Company, dem HSV und der Berliner Stadtreinigung hat es unlängst gleich drei Marken erwischt.
Fynn Kliemann ist ich der einzige, dem diese Woche der Hass des gesamten Internets entgegenschlägt. Auch The Female Company, der HSV und die Berliner Stadtreinigung müssen in diesen Tagen einiges aushalten.
The Female Company: Shitstorm wegen Periodenslip gegen häusliche Gewalt
The Female Company ist ja eigentlich eine echte Lovebrand. Was das Start-Up schon immer gut verstanden hat, ist, Produkte mit Aktivismus zu verbinden und sich mehr oder weniger tabuisierten Themen anzunehmen. So wie auch dieses Mal: Zusammen mit Grey launchte The Female Company vergangene Woche einen Periodenslip, in dem ein QR-Code eingenäht ist, der zu einer Informations- und Strafanzeigenwebseite für Betroffene von häuslicher oder sexualisierter Gewalt führt. Damit möchte das Berliner Unternehmen zusammen mit Stefanie Giesinger und Ines Anioli als Testimonials sensibilisieren und eine Reform des Sexualstrafrechts fordern. Anders als die bisherigen Initiativen kam die Initiative im Netz jedoch nicht so gut an: dem Start-Up wird vorgeworfen, auf dem Rücken von Betroffenen Geld verdienen zu wollen. Wie die anderen Periodenpanties kosten die Slips aus der Linie "Extra Protection" um die 40 Euro.
Unerbittliches Internet
Aktivist:innen wie @der_hase_im_pfeffer und @jorinde.wiese äußerten sich in den Kommentaren auf Instagram: "Ich fasse es nicht. Wie widerlich kann man sein? Also ganz ehrlich, dass ist einfach peak capitalism von seiner ekligsten Seite. Auf dem Rücken von Betroffenen wollt ihr hier eure Marke pushen und spielt euch damit auch noch als saviours auf" und "Jetzt seid ihr bei 1 Millionen views und was ist der Masterplan zur Veränderung des Sexualstrafrechts in Deutschland?" @silvicarlsson, die auch im Shitstorm gegen Joyce Ilg involviert war, weil sich Faisal Kawusi darüber lustig gemacht hat, dass sie fast an K.O.-Tropfen gestorben wäre, schrieb: "Ich verstehe a) nicht wie der QR Code Betroffenen helfen soll und b) nicht, wieso man auf dem Rücken Betroffener sexualisierter Gewalt ein Panty-Hösschen verkaufen möchte? Ich finde es super, wenn sich Marken positionieren, aber wäre es nicht angebrachter gewesen, dabei nicht eine Panty zu verkaufen? (...) Umso mehr bin ich irritiert, wie Metoo hier gerade für eine Verkaufsstrategie kapitalisiert wird." Etliche weitere Kommentare folgten.
Der Vorwurf wird der DNA und den bisherigen Aktionen des Unternehmens nicht gerecht
Doch es gibt auch bekannte Accounts, die dem Unternehmen zur Seite stehen. Kolumnistin Paula Lambert jedenfalls feiert das Produkt: "Ganz großartig und macht eurem Namen wieder mal alle Ehre." Auch das befreundete Start-Up Gitti findet die Aktion super. The Female Company jedenfalls zeigt, dass es ihr mit dem Thema ernst ist und postet weiter zu dem Thema. Und das ist auch gut so. Denn das Start-Up hat schon vieles bewirkt und setzt sich seit der Gründung für Aufklärung und gegen Diskriminierung ein. Man denke an das Tampon Book, das Projekt "Pads for Girls" in Indien und unzählige Petitionen, die The Female Company gestartet oder unterstützt hat. Dem Unternehmen reine Profitgier vorzuwerfen, wird den bisherigen Aktionen und dem Gedanken, aus dem heraus sich The Female Company gegründet hat, nicht gerecht. Vielleicht handelt es sich um einen thematischen Missgriff, doch auf diesen kann auch sanfter aufmerksam gemacht werden - ohne den Hintergrund des Start-Ups zu vergessen.
HSV: Shitstorm wegen neuem Trikotsponsor Shell
Thematisch in einer ganz anderen Ecke angesiedelt ist der Hamburger Sportverein, den trifft es jedoch die Woche nicht weniger hart. Grund ist die Bekanntgabe vom Freitag, den 17. Juni, dass das Mineralölunternehmen Shell für die nächsten drei Jahre Partner des HSV sein wird. Während die HSV-Führung sich an den Einnahmen erfreut, gehen die Neuigkeiten den Fans nicht gerade wie Öl runter. Zusätzlich Benzin ins Feuer gekippt hat der Chef der Fußball-AG, Thomas Wüstefeld, noch mit seinem Statement: "Die Shell Deutschland GmbH und der HSV haben beide das Ziel, die Gesellschaft nachhaltiger zu gestalten und spielen somit im selben Team. Sowohl Shell als auch der Hamburger Weg haben es sich auf die Fahne geschrieben, die Gesellschaft positiv zu verändern." Michael Pomrehn, Innovation Manager New Energies bei Shell, betonte gar, man wolle "gemeinsam mit dem HSV die Dekarbonisierung im urbanen Raum der Stadt Hamburg vorantreiben".
"Greenwashing passt nicht so zu schwarz-weiß-blau"
Greenwashing vom Feinsten also. So sahen das auch die Fans. Vor allem auf Twitter hatte das Social-Media-Management des Vereines am Wochenende alle Hände voll zu tun. "Ich weiß schon, warum ich als Fan seit über zehn Jahren nicht einen einzigen Cent für den HSV mehr ausgebe. Ganz mieses Zeichen. Gleiche Liga wie Gazprom oder NordStream", schreibt beispielsweise "Shlomo sapiens" bei "Twitter".
Berliner Stadtreinigung: Shitstorm wegen Kampagne "Sei kein Mann"
Ebenfalls alle Hände voll zu tun hat das Social-Media-Team der Berliner Stadtreinigung. Bereits seit längerer Zeit bemüht sich das Unternehmen, gezielt Frauen anzuprechen. So findet kommende Woche etwa unter dem Motto "Wir suchen Frauen, die mitziehen wollen!" der "erste Müllwerkerinnen-Schnuppertag der Berliner Stadtreinigung (BSR)" statt. In einer Mitteilung dazu heißt es: "Im Rahmen eines Praxisparcours können interessierte Frauen das Mülltonnen-Ziehen auch schon mal selbst testen. Für Kinder steht eine betreute Spielecke zur Verfügung." An sich also ein lobenswertes Vorhaben.
Für die Tonne allerdings sind die Slogans, die die Berliner Stadtreinigung dafür gewählt hat. Online heißt es auf verschiedenen Anzeigenmotiven auf Facebook: "Sei kein Mann! Und mach Dich dreckig." Dazu ölverschmierte Mechanikerhände mit einem Werkzeug. Auf einem anderen Foto ist eine Frau hinter dem Steuer eines großen Müllautos zu sehen, dazu der Text: "Sei kein Mann und bezwinge die 40-Tonner!"
Diskriminierung ist keine Einbahnstraße
Wie die Berliner Zeitung berichtet, ist die Aufregung in den sozialen Netzwerken unter den Anzeigen groß. Viele User unterstellen den Machern des Slogans Männerfeindlichkeit, einer droht gar mit einer Anzeige. Ein Klassiker auf Facebook. Auch viele Frauen stören sich an der Werbung. Eine von ihnen schreibt: "Aber Hauptsache man hat 'ne Frauenvertretung. Wird Zeit für ne Männervertretung! Abartig wie gegen Männer 'geschossen“' wird, um Frauen zu werben." In einem weiteren Kommentar heißt es: "Diskriminierung ist keine Einbahnstraße." Eine Frau fragt: "Was ist denn so verkehrt an Männern?" Allerdings gibt es auch Befürworter des umstrittenen Slogans. Eine Frau schreibt: "'Sei ein Mann' ist frauenfeindlich und war für Jahrhunderte normal. 'Sei kein Mann' ist legitime Vergeltung." Da es sich um Anzeigen, nicht um native Posts handelt, sind diese nicht ohne weiteres aufrufbar. Im Netz kursieren jedoch bereits Screenshots.
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