Thomas Koch:
6 Beispiele, dass sich Green Media mehr als auszahlt
Wer seine Mediastrategie anpasst und auf "grüne" Ziele ausrichtet, tut nicht nur der Umwelt Gutes, sondern kann sogar seine KPIs merklich steigern. Wie das geht? Media-Experte Thomas Koch hat einige Beispiele.
Wenn die digitale Welt für vier Prozent und die Werbung für ein weiteres Prozent des weltweiten Energieverbrauchs und somit für den CO₂-Ausstoß verantwortlich sind, müssen Werber und Mediaexperten eingreifen, auch wenn es weh tut. Wenn Sie diesen Artikel zu Ende gelesen haben, werden Sie wissen, dass es erstens nicht weh tut und zweitens, dass Sie gleich morgen damit beginnen können.
Es gibt keine allgemeingültige Anleitung, wie man zum nachhaltigeren, emissionsärmeren Kampagnen- und Media-Auftritt gelangt. Und das ist gut so. Jede unserer Marken befindet sich in einer individuellen Situation, formuliert individuelle Ziele und entwickelt – im Idealfall – eine völlig eigenständige Mediastrategie. Aus diesem Grund haben viele Mediaentscheider noch Bedenken, einzugreifen und ihren Media-Mix zu verändern, um Nachhaltigkeitszielen gerecht zu werden.
Dass diese Bedenken unnötig sind, werden wir gleich verstehen.
Ein unter Nachhaltigkeitsaspekten veränderter Media-Auftritt kann sogar wichtige KPIs steigern helfen und Kampagnen erfolgreicher machen. Selten war der Begriff „Win-Win“ zutreffender.
Die Emissionen der Medien bieten Chancen
Uns kommt dabei entgegen, dass sich auch jedes unserer Medien in einer unterschiedlichen Entwicklung befindet. Die Printmedien Zeitungen und Zeitschriften verlieren seit vielen Jahren Werbeumsätze zugunsten digitaler Medien. Sie sind gleichzeitig die Medien mit den mit großem Abstand höchsten CO₂-Emissionen pro 1.000 Kontakten. Jeder Printkontakt stößt zehnmal so viel CO₂ aus wie das analoge TV. Da aber die Werbeumsätze ohnehin sinken, wird die Werbung mit jedem Jahr nachhaltiger. Ganz von alleine geht diese Rechnung jedoch nicht auf.
Analoges TV, das ebenfalls derzeit Marktanteile verliert, stößt deutlich mehr Emissionen aus als Connected-TV oder Online Bewegtbild, an die es Umsätze verliert. Auch hier tritt also ein automatischer Prozess in Kraft, der unsere Mediapläne nachhaltiger gestaltet. Wer jedoch glaubt, man könne es somit dem Markt überlassen, liegt leider falsch. Denn Online-Bewegtbild stößt immer noch CO₂ in indiskutabler Menge in die Umwelt, 20 Mal mehr als beispielsweise Online Display.
Als vergleichsweise „umweltfreundliche“ Medien können Kino, Radio, Plakate, Online-Display und DOOH gelten. DOOH-Screens stoßen je 1.000 Kontakte lediglich 5 bis 6 Gramm CO₂ aus – im Vergleich zu TV, das auf die 150-fache Menge kommt. Das heißt, jeder Kontakt, der bei Print, TV oder Online Bewegtbild eingespart und bei Radio, Display oder (D)OOH investiert wird, spart einerseits massiv CO₂, kann aber andererseits auch die Reichweite des Media-Mix steigern.
Verzicht ist auch eine Lösung
Ein besonderes Augenmerk gebührt in diesem Zusammenhang den Onlinemedien. Denn sie arbeiten im Performancebereich, wo sie Leistungen erbringen, zu denen andere Medien kaum fähig sind. Hier wären also Ersatz oder Austausch der Medien oft der falsche Weg. Dafür gibt es hier eine viel bessere Alternative: Verzicht. Verzicht auf unnötige programmatische, Energie-intensive Bietvorgänge. Ströer hat hierfür eine Lösung entwickelt, die das Ergebnis von Geboten vorwegnimmt und somit zu hohen Anteilen überflüssig macht.
Es gibt auch hinreichend Möglichkeiten, die digitale Auslieferung von Werbemitteln an Bots forensisch zu dokumentieren und – so wie die Quellen bekannt sind – auf diese Auslieferungen zu verzichten. Je nach Kampagne kann das zehn bis 40 Prozent des Media-Etats und somit der CO₂-Emissionen ausmachen. Gleiches gilt, wenn drei Viertel der Klicks auf Tiktok-Videos von Bots ausgeführt werden (Quelle: fraud0). Diese Werbung weiterhin kommentarlos zu finanzieren, ist nicht nur unter Nachhaltigkeitsaspekten kaum verantwortbar.
Wenn es also bei Onlinewerbung darum geht, auf unnötige Auslieferungen und Emissionen zu verzichten, ohne dass eine Spur von Werbewirkung verloren geht, bedeutet es gleichzeitig, Etat-Mittel einzusparen oder für Medien freizumachen, die die Werbewirkung der Kampagne weiter steigern.
Eine schönere Nachricht für CMOs und CFOs kann es kaum für das Kampagnenjahr 2024 geben.
Sechs Cases: Weniger Emission, höhere Reichweite
Ein paar Beispiele verdeutlichen, welche Chancen sich durch Nachhaltigkeits-Initiativen für Marketing und Media ergeben. Eine Münchener Agentur kürzte für einen Kunden (Zielgruppe 20-59-Jährige) ein wenig TV, Print und Online-Video und nahm DOOH in den neuen Mediaplan mit auf. Die wöchentliche Reichweite stieg dadurch um sechs Prozent, alle beobachteten Werbewirkungs-KPIs blieben auf hohem Steigerungsniveau – aber die CO₂-Emissionen sanken um 28 Prozent.
Ein junges Unternehmen, das antritt, um Reichweite und Awareness aufzubauen, ergänzte seinen Media-Mix ebenfalls um DOOH. Man steigerte damit die Reichweite um 23 Prozent-Punkte und die Awareness um 19 Prozent. Hätte man den gleichen Werbedruck sowie die gleiche Leistungssteigerung via TV und Online erzeugt, wäre der CO₂-Ausstoß um 372 Tonnen gestiegen.
Auf einen Teil der OOH-, TV-, Print- und Online Video-Investitionen verzichtete man bei Skoda und steigerte stattdessen den Anteil Social Media und Display. Das Ergebnis war eine Verringerung der CO₂-Emissionen um 17 Prozent. Verluste bei Werbewirkung und Medieneffizienz: null.
Die Medieneffizienz eines Software-Unternehmens steigt um 24 Prozent, nachdem man Search, Print und TV kürzt und Display sowie DOOH steigert. Im gleichen Atemzug spart man rund 350 Tonnen CO₂ ein.
Ein Telekommunikationsanbieter verschob lediglich sieben Prozent seiner TV- und Print-Budgets zugunsten OOH und DOOH und erzielte nicht nur 13 Prozent mehr Zielgruppenkontakte, sondern senkte den CO₂-Ausstoß um elf Prozent – was in Summe mehr als 1.500 Tonnen CO₂ im Jahr ausmacht.
Für die McDonald’s "Plastik gibt den Löffel ab"-Kampagne kürzte OMD die Spotlängen bei Online und Social, setzte bei Print auf Recycling-Papier und ergänzte den Media-Mix um mehr DOOH. Das Ergebnis: Markensympathie +22 Prozent, Vertrauenswürdigkeit +15 Prozent - aber minus 3,5 Tonnen CO₂.
Kleine Ursache, große Wirkung
Diese sechs Beispiele zeigen, dass selbst geringfügige Veränderungen am Media-Mix ausreichen, um große Mengen CO₂ einzusparen. Und dass Mediapläne durch diese Veränderungen obendrein gewinnen: ein Plus an Reichweite und oftmals auch ein Plus bei Media- und Business-KPIs. Mehr kann man sich als verantwortungsbewusste EntscheiderInnen für eine nachhaltigere Mediaplanung nicht wünschen.
Um es in Erinnerung zu rufen: Jede größere TV-Kampagne stößt im Schnitt etwa 500 Tonnen CO₂ in die Luft. Jede durchschnittliche Online-Kampagne emittiert 70 Tonnen CO₂. Jede einzelne Mediakampagne stößt laut OMG Momentum im Schnitt 5,4 Tonnen CO₂ aus.
Wir befinden uns mitten in der Planungsphase 2024. Jetzt ist der Zeitpunkt, um in den Media-Mix einzugreifen und jeden Mediaauftritt jeder Marke nachhaltiger zu gestalten. Ein Termin zwischen Kunde und Agentur, bei dem es nicht um nachhaltige Media geht, sollte am besten nicht stattgefunden haben. Die Umwelt wird uns dafür danken.
Über den Autor: Thomas Koch ist eine Ikone der Media-Branche. Agenturchef, Autor, Blogger, Kolumnist und Keynote-Speaker. Er kennt in der Media-Branche alles und jeden.
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