So wie Nike mehr als nur Schuhe oder Apple mehr als nur Computer verkauft, schaffen Politiker:innen echte Markenerlebnisse, die ihre persönliche Geschichte, ihre Politik und ihren Führungsstil wiedergeben. Diese Kommerzialisierung der politischen Botschaften hat den Wahlkampf in ein strategisches Markenmanagement verwandelt.

Dabei geht das Branding in der Politik über die traditionellen Slogans hinaus. Politiker:innen gestalten ihre öffentliche Persona mit der gleichen Präzision, mit der Unternehmen ihre Produkte positionieren, und setzen umfassende Markenarchitekturen ein, die von der visuellen Identität bis zum Messaging alles umfassen.

Personal Branding als Marketingtaktik

Doch woher kommt der Trend eigentlich? Politisches Branding ist kein neues Konzept. Marken sind überall und symbolisieren eine komplexe Sammlung von Werten, Eigenschaften und Persönlichkeit. In der Vergangenheit wurden dazu in der Politik ganz klassisch Wahlkampf-Buttons, Slogans und Plakate verwendet, um Kandidat:innen zu unterstützen.

Das digitale Zeitalter hat jedoch die Art und Weise revolutioniert, wie Politiker:innen sich selbst vermarkten, indem soziale Medien, Datenanalysen und gezielte Werbung integriert werden, um Wähler effektiver als je zuvor zu erreichen.

Spitzenkandidat:innen auf Tiktok, X, Instagram und Co.

Wie kann man also eine persönliche politische Marke schaffen und aufbauen? Eine Personenmarke baut auf der Identität der Person, der Persönlichkeit, den Fähigkeiten, dem Mindset und der Haltung der Kandidat:innen auf. Zu den Grundprinzipien der Personenmarke in der Politik gehören Authentizität und Konsistenz in der Kommunikation über verschiedene Plattformen hinweg sowie die Entwicklung eines Storytellings, das mit den eigenen Zielen übereinstimmt.

Beim Political Branding ist die Markenpositionierung eine Möglichkeit, ideal in einem einzigen Wort oder Satz auszudrücken, wer man ist und wofür man als Anwärter steht.

Doch wie sah die praktische Umsetzung der Personenmarken zur Bundestagswahl 2025 aus? Dazu lohnt sich ein Blick auf die Aktivitäten auf den sozialen Plattformen der fünf Spitzenkandidat:innen, denn der Wahlkampf findet zunehmend auf Social Media statt, um auch jüngere Wähler zu erreichen.

Hier ein Überblick:

X-Gespräch mit Elon Musk

Alice Weidel gibt sich als das bürgerliche Gesicht der AfD, mit Bluse, Einstecktuch und Perlenkette – als Marke präsentiert sie sich bewusst konservativ. In den sozialen Medien ist sie präsent wie kaum ein anderer Kandidat. Sie versteht es, die eigenen Kanäle für den politischen Diskurs zu nutzen.

Als Highlight ihrer Aktivitäten zählte das Live-Interview von Elon Musk auf X, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Nach dem Stream hat der Tech-Milliardär es auch geschafft, ein Millionenpublikum mit der Live-Übertragung vom AfD-Parteitag zu erreichen.

Alice Weidel auf X

Manga-Stil für jüngere Zielgruppe

Sahra Wagenknecht hat auf Tiktok, Youtube und Instagram nach Weidel ebenso aktive und reichweitenstarke Kanäle, die die BSW-Chefin vor allem dazu nutzte, um regelmäßig mit persönlichem Video-Content im Manga-Stil ihre Position gegenüber den etablierten Parteien zu stärken.

Sie inszenierte sich als Mahnerin und Kritikerin gesellschaftlicher Verhältnisse. Ihre Hochsteckfrisur und ihren feinen Kleidungsstil pflegt sie beständig als optisches Markenzeichen.

Sahra Wagenknecht Youtube

Wahlkampf bei Fast-Food-Kette

Friedrich Merz setzte hingegen auf Traditionen, um den Abstand zu seinen Konkurrenten zu vergrößern. Fast Food hat übrigens in der politischen Inszenierung eine lange Tradition. Auch Trump besuchte im Wahlkampf 2024 eine Filiale in Pennsylvania und servierte Pommes am McDrive.

Der CDU-Chef erklärte bei einem Besuch in einer McDonald's-Filiale mit Blick in die Kamera: „Kurze Vorbereitung für die nächste Veranstaltung und fürs TV-Duell am Sonntag.“ In der Videobeschreibung steht das Wortspiel „Burgersprechstunde“.

Friedrich Merz auf Instagram

Live-Charakter aus dem Dienstwagen

Christian Lindner, der mittlerweile seinen Rückzug aus der Politik angekündigt hat, erreicht ebenso Millionen von Menschen über die verschiedenen Plattformen hinweg. Er konzentrierte sich auf Instagram – mit aufwendig produzierten Wahlkampfvideos und seiner Selfie-Videoreihe „WAKE UP CALL“ mit Live-Charakter aus dem Dienstwagen.

Ein kurzes Video mit einer provokanten Aussage kommt grundsätzlich effektiver an als langatmige Monologe. Die Inhalte von Noch-FDP-Chef Lindner wurden daher oft mit wichtigen Signalwörtern wie „Wende“ besetzt, um Emotionen bei den Zuschauer:innen zu wecken.

Christian Lindner auf Instagram

Vertrauliche Gespräche am Küchentisch

Robert Habeck setzte hingegen auf X auf ein Profilfoto mit hochgekrempelten Ärmeln, Freundschaftsarmband im Stil von Taylor Swift und dem Satz: „Ein Mensch. Ein Wort.“ In seinen Videos saß er regelmäßig im Gespräch mit normalen Bürgern am Küchentisch und betonte sein Menschsein in Wort und Bild.

Habeck, der ebenfalls mittlerweile angekündigt hat, keine Führungspositionen bei den Grünen mehr anzustreben, positionierte sich in einem neuen Politikstil, als einer, der anders redet, mit Norwegerpulli, und der ein Kinderbuch geschrieben hat – genau das ist sein Markenzeichen.

Robert Habeck auf Instagram

Neuer Fahrtwind mit Boxenstopp

Olaf Scholz schaffte hingegen neuen Fahrtwind im eigenen Wahlkampf mit Sporteinlage und einem Boxenstopp am Imbissstand. Um Nahbarkeit zu vermitteln, ließ er sich bei Currywurst und Bier ablichten. Als Personenmarke setzte der konservative Sozialdemokrat auf Besonnenheit.

Der SPD-Spitzenkandidat bemühte sich auf Tour quer durch die Republik, mit unkonventionellen Auftritten wie bei „World Wide Wohnzimmer“, einer der beliebtesten deutschen Youtube-Shows, um auch jüngere Wähler zu erreichen.

Olaf Scholz auf Instagram

Aufholjagd mit Linke-Superstar

Heidi Reichinnek zeigt exemplarisch, dass die sozialen Medien den Wahlkampf stärker denn je beeinflusst haben. Für die Spitzenkandidatin der Linkspartei war die Brandmauer-Rede im Bundestag der virale Moment, der einen Überraschungserfolg für die Partei einbrachte. Das Video verzeichnete Millionen Klicks bei Instagram und Tiktok sowie unzählige KI-Kopien und Weiterverbreitungen auf sämtlichen Social-Media-Plattformen. Mit ihren 36 Jahren gehört Reichinnek zu den Youngsters in der deutschen Politik.  

Heidi Reichinnek auf Tiktok

Personal Branding in den USA weit voraus

Eine Gemeinsamkeit unter den Kandidat:innen konnte man feststellen: So versuchen sich alle Politiker:innen in zugänglichen Momenten zu zeigen und Einblicke hinter die Kulissen des Wahlkampfs zu gewähren. Ob den Spitzenkandidat:innen das im Wahlkampf einen Vor- oder Nachteil brachte, lässt sich dennoch nicht gesichert sagen.

Ein Alleinstellungsmerkmal stellt die Linke dar, die ihre Zustimmungswerte in den vergangenen Wochen quasi verdoppeln konnte. Doch ein Hype bedeutet noch lange keinen Wahlsieg.

So oder so aber sind die USA im Political Branding weit voraus. Dort weiß die Politik längst bestens um die Bedeutung von Tiktok & Co. Hierzulande aber dämmert den politisch Handelnden gerade erst, dass die Plattformen durchaus Potenzial für den Wahlkampf bieten.

Fazit: Die Bedeutung von Personenmarken in der Politik wird steigen

Die Bedeutung von Personenmarken in der Politik wird durch KI-generierte Inhalte und die Verbreitung von Desinformationen weiter zunehmen. Die Macht der Markenbildung ist jedoch auch mit Verantwortung verbunden.

Irreführendes Branding oder die Nichteinhaltung der Markenversprechen kann zu einer Enttäuschung der Öffentlichkeit und einem Vertrauensverlust führen. Da die Wähler:innen immer wählerischer und kritischer werden, spielen Authentizität und Glaubwürdigkeit eine Schlüsselrolle dabei, um neues Vertrauen zu schaffen.

Zur Autorin

Deborah Klein fungiert seit über den zehn Jahren als freie PR-Beraterin und Kommunikationsexpertin mit Sitz in Hamburg. Zu ihren Schwerpunkten gehören die klassische Pressearbeit sowie die Konzeption und Beratung von PR-Maßnahmen. Zuvor war sie als PR-Consultant in diversen Agenturen und Unternehmen tätig, darunter die Verlagsgruppe Holtzbrinck, die PR-Agentur Publicis und die Self-Publishing-Plattform Books on Demand (libri). Zu ihren Kund:innen zählen diverse Unternehmen, darunter etablierte Größen wie auch junge Start-ups und Einzelunternehmer:innen.

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Autor: W&V Gastautor:in

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