Markenführung:
Haltungsmarketing wie Oatly, Patagonia & Co: Auf diese drei Schritte kommt es an
Haltungsstarke Positionierung funktioniert nur, wenn ein Thema auch wirklich zum Markenkern passt. Doch wie finden Verantwortliche geeignete Markenthemen, die Relevanz und Glaubwürdigkeit einer Marke bewahren?
In den ersten Tagen des Krieges gegen die Ukraine standen viele Marken vor der Frage: Wie können wir helfen? Während LinkedIn-Logos in Gelb und Blau getaucht wurden und Unternehmen großzügige Spenden zusagten, entschied sich Edeka für einen Social-Media-Post mit dem Slogan "Freiheit ist ein Lebensmittel". Es folgte ein riesiger Shitstorm. "Ihr verkauft Lebensmittel. Was soll das kosten? Freiheit?" fragten einige Stimmen empört.
Kriege, steigender Rechtsdruck, zunehmende Angriffe auf demokratische Werte, Klimakatastrophen, soziale Ungleichheit und Spaltung – heutzutage ist es für Marken nicht leicht, sich in einem zunehmend politisierten und polarisierten Umfeld zu positionieren und gleichzeitig Glaubwürdigkeit zu wahren. Markenverantwortliche müssen sich fragen: In welchem Diskurs gibt es für meine Marke etwas zu sagen oder wo bleibt es besser eher leise? Denn auch Stille kann laut sein.
Im Fall von Edeka wäre es mitunter besser gewesen, zu schweigen und das eigene Marketing zurückzustellen. Denn Haltung zu einem bestimmten Thema muss wirklich zum Markenkern des Unternehmens passen. Markenthemenmanagement kann dabei helfen, hierfür ein klares Spielfeld abzustecken. Im Kern geht es darum, Marken mit den Themen zu verbinden, die ihre Kund:innen beschäftigen und bewegen.
Ein gutes Beispiel dafür ist Tony‘s Chocolonely, die seit einigen Jahren mit knalligen Farben die deutschen Schokoladenregale füllen. Neben der (wenig differenzierenden) Qualität der Riegel haben sie sich auf das zentrale Markenthema "100% Slave-free Chocolate" fokussiert. Damit wird soziale Ungerechtigkeit in der Schokoladenproduktion zum Thema gemacht.
Doch wie finden Unternehmen authentische und relevante Themen, die zu ihnen passen?
Folgende Schritte helfen Marken dabei, ihre Themen zu entdecken, zu entwickeln, zu systematisieren und umzusetzen:
Relevante Suchfelder identifizieren und den Puls der Communities fühlen
Zuerst sind die passenden Suchfelder zu definieren. Sie hängen eng mit dem Markenkern, der Branche, gesellschaftlichen Trends und den Anliegen der Stakeholder:innen zusammen. Sie sollten gleichzeitig glaubwürdig sein und im Einklang mit den Unternehmenszielen stehen. Dabei gilt es, folgende Fragen zu beantworten: Welche Themen ergeben sich logischerweise aus unserem Markenkern oder unserer Mission? Welche Themen sind automatisch mit dem Produkt verbunden? Und welche Themen werden von unseren Wettbewerber:innen abgedeckt?
Weiterhin sollten Markenverantwortliche in die Wünsche und Bedürfnisse der Zielgruppen hineinhorchen, um herauszufinden, was Menschen bewegt, die mit der Marke interagieren und worüber sie sprechen. Je nach Stakeholder:innen und Suchfeld bieten sich verschiedene Audit-Methoden an, wie qualitative Marktforschung, Social-Listening und Medienresonanzanalyse. Ziel ist es, in den entsprechenden Communities herausfinden, welches Thema sie beschäftigt und es konkret und ansprechend zu formulieren.
Markenthemen auf den Prüfstand stellen und Proof-Points finden
Einmal identifiziert, sollten potenzielle Markenthemen in einem Relevanzcheck kritisch geprüft werden, im Hinblick darauf, wie wichtig, attraktiv und aktivierend sie für die Hauptzielgruppe wirklich sind. Dafür eignet sich eine quantitative Methodik wie z.B. Online-Panels.
Anschließend gilt es, die Themen mit den richtigen Proof-Points im Unternehmen zu versehen. Was kann die Marke spezifisch zu diesem Thema beitragen und warum kann sie es glaubwürdig vertreten? Welche Schnittstellen und Anknüpfungspunkte bestehen zu den Produkten? Denn fest steht: Es gibt weder ein Handbuch, noch Shortcuts zur Glaubwürdigkeit.
Fokussiert und mutig: Klare Key-Messages entwickeln
Letztlich ist es entscheidend, auf den Punkt zu bringen, wie die Marke zu dem identifizierten Markenthema steht und Key-Messages für Content und Kreation zu formulieren. Dabei sollten Markenverantwortliche sich über die Haltung der Marke zum Thema, die zu transportierenden Fakten und Argumente klar werden und definieren, wie das Thema das Produkt und das Portfolio stärken kann.
Vor allem sollte das Level an Mut durchdacht werden, mit dem eine Marke dabei sein kann – oder eben nicht.
Wie konsistente Markenthemen zu einer erfolgreichen politischen Positionierung beitragen können, zeigen Oatly und Patagonia neuerdings gemeinsam. Beide verbindet das Markenthema "Reduzierung der Umweltbelastung". Deshalb haben sie sich kürzlich für die Kampagne "VOAT for the planet" zusammengeschlossen. Vor dem Hintergrund, dass Europa der sich am schnellsten erwärmende Kontinent ist, sollten EU-Bürger:innen mobilisiert werden, bei der Europawahl eine Partei zu wählen, die sich für den Umweltschutz und damit für den Erhalt unseres Planeten einsetzt.
Im Gegensatz zum Edeka-Beispiel unterstützt das Thema Umweltschutz den allgemeinen Kern beider Unternehmen und ist damit eine logische und glaubwürdige Umsetzung ihres Markenthemas.
Eine erfolgreich etablierte werteorientierte Markenführung macht es für Markenverantwortliche leichter, sich aktiv mit gesellschaftlichen Veränderungen auseinanderzusetzen. Sie sollte daher als wichtiger Bestandteil der Unternehmensstrategie verstanden werden. Denn so lassen sich einerseits Reputationsrisiken vermeiden und andererseits eine starke Corporate-Brand-Advocacy aufbauen.
Mit einem systematischen Markenthemenmanagement bleiben Marken up-to-date, flexibel und können ihre Rolle als vertrauenswürdige Botschafter:innen in sozialen und ökologischen Belangen stärken.
Autor:innen: Lisa Sibbing, Practice Lead Brand Building & Management & Emke Hillrichs, Director für Brand Strategy & Management bei der Strategieberatung Diffferent
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