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Greenwashing & Recht: Wir beantworten die wichtigsten Fragen
Greenwashing wird zunehmend zum Image- und Rechts-Problem. Doch wo sind die Grenzen und wie sollten Marken ihre Kommunikation zu Nachhaltigkeit aufstellen? KPMG-Rechtsexpertinnen beantworten unsere Fragen:
Greenwashing-Vorwürfe sind der Super-GAU für viele Unternehmen. Ist die Glaubwürdigkeit einmal verspielt, lässt sie sich nicht mehr so schnell herstellen. Noch schlimmer kommt es, wenn man als Unternehmen rechtlich dafür belangt wird. Und das passiert immer häufiger. Ein besonders prominentes Beispiel: Erst im Juli dieses Jahres verbot ein Gericht der Drogeriekette dm die Labels "klimaneutral" und "umweltneutral" auf Produkten.
Doch mit gezielten Maßnahmen können diese Risiken der Greenwashing-Anklage deutlich verringert werden. W&V-Gastautorinnen und KMPG-Rechtsexpertinnen Isabelle Knoché und Jasmin Runge beantworten die dringendsten Fragen zur drohenden Klagewelle.
Was genau ist eigentlich Greenwashing?
Unter dem weit auszulegenden Begriff des Greenwashings sind alle vorteilhaften, unrichtigen oder unvollständigen Angaben von Unternehmen zu ESG-bezogenen Themen zu verstehen. Bei der Bewerbung von ESG-bezogenen Bestrebungen durch Unternehmen ist daher zunehmend Vorsicht geboten – Werbebotschaften zur Nachhaltigkeit bergen eine Vielzahl rechtlicher Fallstricke.
Warum ist das ein rechtliches Problem?
Durch die Implementierung neuer Initiativen und die damit verbundenen umfangreicheren Transparenzanforderungen steigt die Anzahl an Greenwashing-Vorwürfen aktuell immens an. Welche umweltbezogenen Aussagen sind berechtigt und wo folgen Unternehmen nur einer gesellschaftlichen Entwicklung, um Reputationsschäden zu vermeiden? Die kürzlich vorgeschlagenen Green Claims-Richtlinie der Europäischen Kommission rückt die Bewerbung für Produkte und Dienstleistungen noch stärker in den regulatorischen Fokus.
Wie lauten die rechtlichen Rahmenbedingungen?
Mit dem Regierungsvorschlag vom 22. März 2023 hat die EU-Kommission eine Richtlinie über die „Substantiierung und Kommunikation von umweltbezogenen Werbeaussagen“ veröffentlicht. Die Richtlinie definiert einen europaweit gültigen Rahmen über einheitliche Standards zu Inhalt und Nachweisbarkeit von umweltbezogenen Werbeaussagen. Zukünftig müssen Umweltaussagen umfassend, substantiiert und durch unabhängige Prüfstellen verifiziert werden. Auch Umweltsiegel sollen in Zukunft unter strengeren Voraussetzungen reguliert werden.
Warum sind Standards überhaupt notwendig?
Die einheitlichen Standards sollen unter anderem besonders dem Verbraucherschutz dienen. Laut einer Studie der Kommission wurden 53,3 Prozent der geprüften Umweltaussagen in der EU als vage, irreführend oder unfundiert eingestuft, und zwei Drittel der Umweltaussagen waren nicht belegt. Der Vorschlag der Green Claims-Richtlinie zielt darauf ab, dem Verbraucher zuverlässige, vergleichbare und überprüfbare Informationen über Produkte oder Dienstleistungen bereitzustellen. Das grundlegende Ziel besteht darin, Greenwashing zu verhindern und gleiche Wettbewerbsbedingungen auf europäischer Ebene sicherzustellen.
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Betrifft das auch meine Marke, mein Marketing?
Nach dem Kommissionsvorschlag werden alle in der EU tätigen Unternehmen und Gewerbetreibenden von dem Anwendungsbereich erfasst. Neben produkt- und dienstleistungsbezogenen Umweltaussagen zu Werbezwecken, werden auch Angaben über das werbende Unternehmen selbst von der Green-Claims Richtlinie umfasst.
Lediglich Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern und 2 Millionen Euro Umsatz sind von dem Anforderungskatalog des Kommissionsvorschlags ausgenommen. Die Anzahl betroffener Unternehmen wird erheblich sein. Unternehmen ist daher anzuraten, sich umfassend mit dem Themenkomplex „Umweltaussagen“ auseinanderzusetzen.
Was kann meinem Unternehmen passieren?
Im Falle eines Greenwashing-Vorwurfs sind die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, angemessene und effektive Sanktionsmechanismen einzuführen, diese können auch darin bestehen, dass bei Verstößen gegen die Green-Claims Richtlinie der Weg zu den Zivilgerichten offensteht. Verbandsklagen und Masseverfahren werden wahrscheinlich die Folge sein.
Der Wandel in Richtung Nachhaltigkeit birgt auch einen Wandel der deutschen Rechtsordnung. Offene Rechtsbegriffe und die dynamisch variable Verkehrsanschauung werden aller Voraussicht nach zu einer noch klimafreundlicheren Rechtsprechung führen. Der regulatorische Trend zu einer nachhaltigen Entwicklung zeigt sich bereits jetzt durch jüngst in Kraft getretene Regularien, wie die EU-Taxonomie-Verordnung oder das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz des Bundes (LkSG).
Wie kommuniziere ich denn jetzt richtig?
Es wird sich zeigen, welche Unternehmen zielgerichtet ESG-Aspekte mitberücksichtigen. Die für das Unternehmen einschlägigen ESG-Pflichten müssen identifiziert und frühzeitige Maßnahmen und Prozesse etabliert werden. Auch eine transparente ESG-Berichterstattung ist unerlässlich, um die nötige Transparenz zu bieten.
Insbesondere sollten Aussagen über Produkte überprüfbar und unmissverständlich gestaltet werden, von vagen Aussagen wie „umweltneutral“ oder „klimaneutral“ ist abzuraten. Eine umfassende "Klima-Compliance" ist daher notwendig, um Verstöße zu verhindern und damit Haftungsrisiken im Zusammenhang mit Greenwashing-Vorwürfen von vornherein zu minimieren.
Welche Prozesse sollte ich intern aufsetzen?
Die Haftungs- und Sanktionsrisiken, die Unternehmen im Kontext von Greenwashing begegnen, erfordern gezielte Maßnahmen zur Haftungsprävention. Nachhaltigkeitsbezogene Risiken sollten in die Risikoanalyse integriert und rechtliche Entwicklungen auf nationaler sowie europäischer Ebene überwacht werden.Dies beinhaltet nicht nur die aktuelle Gesetzgebung, sondern auch die Beobachtung und Analyse von „Klagetrends“.
Des Weiteren sollten ESG-Faktoren unter Berücksichtigung der individuellen Risikofaktoren des Unternehmens in das bestehende Compliance-System eingegliedert werden. Intern sollten innerhalb des Unternehmens klare Zuständigkeiten etabliert werden, ein gezieltes ESG-Management kann Zuständigkeiten koordinieren, feste Prozesse einrichten und Umweltaussagen kontrollieren und prüfen. Um sich von vagen Umweltaussagen abzugrenzen, sollte besonders die Dokumentation zur Nachweisbarkeit der getätigten Umweltaussagen gewährleistet sein.
Zusätzlich wird die Einrichtung von Risikominimierungsprozessen, wie dem Vier-Augen-Prinzip, sowie regelmäßige und stichprobenartige Überprüfungen der getroffenen Maßnahmen empfohlen. Schließlich sollten Schulungen und Verhaltensrichtlinien eingesetzt werden, um Mitarbeiter und Führungskräfte für die vielfältigen Risiken im Zusammenhang mit Greenwashing zu sensibilisieren.
Kurz und knapp: Die wichtigsten Tipps gegen den Greenwashing-Verdacht
It’s all about facts: Die zugrundeliegenden Daten müssen zuverlässig sein; Produktaussagen durch standardisierte und anerkannte Prüfmethoden belegbar sein
Langfristigkeit: Gesamten Lebenszyklus eines Produktes beachten
Spezifisch sein: Zielgerichtet Werben und auf Selbstverständlichkeiten verzichten
Relevanz: Die Verbindung der Nachhaltigkeitsaussagen zum Produkt muss erkennbar sein
Autorinnen: Isabelle Knoché, Senior Managerin und Rechtsanwältin, und Jasmin Runge, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Diplom-Juristin, arbeiten beide für die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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