Creative Social Responsibility :
Das Ende der Stereotype: Gen Z zwischen Aktivismus und AfD
Die Generation Z scheint widersprüchlich: Fridays for Future und AfD-Wähler, diverse Lebenskonzepte und konservative Werte. Was bewegt diese Generation wirklich, und warum sind alte Kategorien nicht mehr genug? Eine Analyse von Gerald Hensel.
Wisst ihr noch? Damals, als wir jede Präsentation über die Gen Z mit Bildern von Greta Thunberg und Fridays for Future illustriert haben? Der Plot: „Die kaufen halt gar nicht mehr bei Brands, die nicht auf die Barrikaden für eine bessere Welt gehen. Und jeden Freitag geht’s zum Klimastreik.“ Das ist noch gar nicht so lange her.
Und jetzt ist es 2024, und die Welt sieht mal wieder anders aus als gedacht: Zum ersten Mal durften bei der Europawahl Deutsche ab 16 wählen. 16 Prozent der Jung-Wähler:innen gaben ihre Stimme direkt der AfD. Die vermeintlichen Youngster-Lieblinge – die Grünen – landeten auf dem dritten Platz hinter Union und den Rechtsextremen. Wie? Was? Sollten unsere Trendforscher:innen und all die Kolumnen über „die Gen Z“ gar falsch gelegen haben?
Ein Phantom namens Gen Z
Die Frage, was die Jungen bewegt, ist essenziell für unsere Zukunft. Aber bei der Frage, wie sie ihre Welt sehen, neigt auch meine nun in Entscheider:innenpositionen befindliche Gen X dazu, ihre eigene Weltsicht auf die Jungen zu projizieren. Wir erklären uns Wahlen und Transformationen durch die Linse, durch die wir selbst die Welt kennengelernt haben und wie wir sie uns wünschen.
Dabei ist unsere Prognosefähigkeit begrenzter, als uns bewusst ist. Speziell, weil ziemlich viel darauf hindeutet, dass die Gen Z ein eher diffuses Phantom mit ausgeprägtem Medienbild ist.
Der Stratege Harry Guild beschreibt sie in einem lesenswerten BBH-Artikel als „zufällige Ansammlungen von Menschen (…), die keine besondere Verbindung zueinander haben, außer dass sie innerhalb von zwei Jahrzehnten nacheinander geboren wurden “. Dabei hätten Orangina-Trinker:innen, Nuss-Esser:innen und Introvertierte mehr Gemeinsamkeiten als die Gen Z in sich.
Aware, aber nicht zwingend Woke
Als Alterskohorte der Widersprüche charakterisiert sie auch eine aktuelle Sinus Jugend-Studie – vor allem mit Blick auf ihre Werte. Die Jungen seien zwar „Aware, aber nicht (zwingend) woke“. Sie sind sich – anders als viele ihrer Eltern – einer Welt mit diversen Lebenskonzepten von Beginn an bewusst. Doch gleichzeitig sind die Werte fürs eigene Leben wieder konservativer.
Man hat Angst um die eigene Zukunft, die heute – anders als in meiner Grunge-Generation - wieder aus Reihenhaus und bescheidenem Wohlstand bestehen darf.
Und man lässt sich politisch Angst machen, wenn diese Perspektive gefährdet scheint. Konsistent ist da häufig nicht so viel. Mix & Match, wo es passt: Travis Scott und AfD, Klimaangst und Alphamänner, tiktok und Werteunion. Alles kann, nichts muss.
Natürlich wird auch dieser Versuch, eine Aussage über die diffuse GenZ zu treffen, an der Tatsache scheitern, dass es eben doch Gruppen und Muster in ihr gibt. Aber eben nicht so, wie es uns das Label „Gen Z“ vermitteln will. Wundert es wirklich wen? In einer Welt der personalisierten TikTok-Feeds tun wir immer noch so, als säße eine ganze Generation gemeinsam Samstag Abends vor der Schwarzwaldklinik. Das ist nicht so.
Insights statt Labels
Die Gen Z ist eine sehr viel weniger kohärente Gruppe als die Generationen vor ihr. Gerade deshalb müssen wir uns als Kreativwirtschaft wieder einen komplexeren Blick vor allem dann antrainieren, wenn es um gesellschaftlichen Wandel geht.
Wenn Charli XCX im US-Wahlkampf Kamala Harris als „brat“ bezeichnet und diese ihren Social-Media-Account entsprechend brandet, dann wird das erstmal als genialer GenZ-Move wiedergekäut. Aber seien wir ehrlich: Es ist nur eine Reminiszenz an ein bestimmtes Segment. An sehr vielen Jungen wird auch das vorbeigehen.
Deutschland und die Welt steht vor gewaltigen Umbrüchen. Alleine dieses Jahr stehen noch drei wichtige Landtagswahlen an, die wieder maßgeblich von „den Jungen“ mitbestimmt werden. Initiativen, wie C_SR, leisten hier endlich einen wichtigen Beitrag, weil sie Kreativwirtschaft und Zivilgesellschaft verknüpfen helfen.
Umso wichtiger, dass gerade die, die sich mit politischer Kommunikation und der Vermittlung demokratischer Werte beschäftigen, einen klaren Blick auf die jungen Wähler:innen haben.
Planning-Hausaufgaben machen
Das ist nicht leicht, bei einer Alterskohorte, die medial verwertet wird wie keine vor ihr, die aber eben auch nicht leicht zu fassen ist in ihrer Komplexität. Versuchen müssen wir es trotzdem. Wir brauchen wieder eine analytischere Linse statt Labels, wenn wir mit jungen Zielgruppen sprechen wollen – gerade wenn es um die Zukunft unserer Gesellschaft geht. Das schulden wir der Nicht-Generation Z. Und vermutlich wird es in der nachfolgenden Nicht-Generation α nicht einfacher werden.
Warum C_SR?
Weil die Zukunft unserer Demokratie durch Grassroots-Arbeit gerettet wird und C_SR das richtige Konzept ist, um hier Kreativwirtschaft und Zivilgesellschaft zusammenzubringen.
P.S. Wir möchten der W&V Redaktion danken, dass sie uns diese C_SR Kolumne ermöglicht. Wir werden regelmäßig spannende Leute zu Wort kommen lassen, die uns erinnern, ermahnen und inspirieren mögen, uns gesellschaftlich mehr zu engagieren.
Über den Autor: Gerald Hensel ist Co-Gründer und Managing Partner der Marketing- und Innovationsberatung superspring, die Organisationen unter anderem im Aufbau von Resilienzstrategien berät. Darüber hinaus ist er Co-Gründer der Organisation HateAid. Die NGO setzt sich für Menschenrechte im digitalen Raum ein und hat in diesem Bereich wesentliche Grundlagenarbeit vor allem in der Arbeit gegen Gewalt im Netz geleistet.
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