Cannes Lions 2023:
Eine Quelle für Inspiration und Vielfalt? Wie divers das Kreativfestival wirklich ist
Seit Montag blickt die Werbebranche gebannt an die Côte d’Azur: Wir, zwei junge Kreative von Fischer-Appelt aus Hamburg, sind live dabei, um eine etwas andere Perspektive auf das Event des Jahres zu liefern.
An der französischen Mittelmeerküste findet zum 70. Mal der Olymp für jede:n Kreative:n statt: das Cannes Lions International Festival of Creativity. Wir sind Svea Drechsler und Anna Kühn, arbeiten beide bei Fischer-Appelt in Hamburg und bilden dort ein Kreativteam. Unser Job: Frische Ideen für unterschiedliche Kunden, Projekte und Kampagnen entwickeln.
Cannes ist also Pflichttermin und Highlight zugleich. Svea war schon dreimal mit dabei – doch es ist für uns beide das erste Mal, dass wir Zugang zu allen Veranstaltungen haben. Und das nutzen wir!
Männer dominieren die Branche nach wie vor
Also ab zum Festival, sich inspirieren lassen – und das war's? Das ist uns zu wenig. Deswegen haben wir uns dazu entschieden, unter dem Motto "Von Löwen und Löw:innen" zu berichten. Wir richten unseren Blick auch gezielt auf das Thema Gender Equality.
"Das Thema ist doch ausdiskutiert", mag sich nun manch eine:r denken. Wir finden: Nein, ist es noch lange nicht. Bestätigt wird dies durch die letzte Umfrage des Ad Girls Club mit knapp 1.500 Teilnehmer:innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie ergab, dass 81 Prozent der Meinung sind, dass die Werbebranche ein Sexismus-Problem hat. Und Fakt ist auch, dass in zu vielen Jurys, Führungsebenen und Panels in Deutschland noch immer Männer dominieren.
Cannes Lions 2023
Bereits zum 70. Mal treffen sich Kreative und Werber:innen an der Croisette, um sich beim Cannes-Lions-Werbefestival über die neuesten Trends in Sachen Kreativität auszutauschen. Wir sind dabei und berichten live vom Werbefestival.
Höchste Zeit also, sich ein internationales Kreativitätsfestival vorzuknöpfen und Antworten auf einige drängende Fragen zu suchen: Wie nehmen wir als zwei junge weibliche Kreative das Festival wahr? Unterscheiden sich die Cannes Lions von deutschen Awards und wenn ja, wie?
Wie sieht es in Sachen Gender Equality aus? Und gibt es besonders spannende Cases von oder für FLINTA? FLINTA, der Begriff steht für Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans Personen und Agender.
Cannes ist diverser als gedacht
Gleich nach unserer Akkreditierung und einem kurzen Spaziergang entlang der Promenade de la Croisette in Cannes stellten wir fest: Wow, die Teilnehmer:innen hier sind sehr divers.
Und das nicht nur im Hinblick auf geschlechtliche Identitäten oder das Lebensalter, sondern auch hinsichtlich der ethnischen Herkunft. Das haben wir in Deutschland bisher so noch nicht wahrgenommen – dort wirkt die Mehrheit der Award-Landschaft auf uns, trotz Bemühungen, oft noch sehr weiß und eben männlich dominiert.
Was für das Publikum der Cannes Lions gilt, lässt sich auch auf die Jurys und Speaker:innen übertragen. Wir haben einmal nachgezählt: Von insgesamt 290 Jury-Mitglieder:innen sind 141 FLINTA, das sind 49 Prozent. Von 238 Speaker:innen sind 110 FLINTA, das ergibt eine Quote von 46 Prozent.
"Wir wünschen uns sehr, dass auch in Deutschland FLINTA mehr gefördert werden."
Fun Fact: Fast jede Jury der verschiedenen Kategorien besteht zu 50 Prozent aus weiblich und männlich gelesenen Personen – lediglich die Jury der Kategorie "Lions for Gaming" kommt auf nur drei FLINTA.
Aber warum schaffen es die Cannes Lions, sich so divers aufzustellen, und deutsche Awards noch nicht? Seit 2014 setzt sich das Cannes Lions Festival zum Beispiel im Rahmen des "See It Be It"-Programms für das Empowerment von FLINTA ein und sorgt so für eine ausgewogene Repräsentation. Das Programm ist selbstverständlich offen für alle, die sich
als weiblich, trans oder non-binary identifizieren.
Wir wünschen uns sehr, dass solche Programme auch in Deutschland noch viel präsenter und FLINTA mehr gefördert werden. Die ADC Future Females gehen hier schon mit gutem Beispiel voran.
Beeindruckende Cases bereits am ersten Abend
Abschließend möchten wir noch auf zwei spannende Cases verweisen, die uns sehr beeindruckt haben. Der erste ist #PERIODSOMNIA von Bodyform UK, der einen goldenen Löwen in der Kategorie "Brand-led Education & Awareness" gewann.
Die Idee ist simpel, die Botschaft aber wichtig: In vielen Werbespots für Perioden-Produkte, insbesondere Produkte für die Nacht, werden nur perfekt gestylte FLINTA gezeigt.
Keine Anzeichen von Schmerzen, Einschlafschwierigkeiten oder Blut im Bett – völlig realitätsfremd. Bodyform drehte daher
einen authentischen Werbespot, der zeigt, wie FLINTA während ihrer Periode wirklich schlafen.
Der andere Case ist "Inequality you can’t ignore" und macht auf das Problem aufmerksam, dass FLINTA of Colour in New Yorker Krankenhäusern von den Mitarbeiter:innen aufgrund von Unconscious Bias schlechter versorgt werden als Weiße. Unconscious Bias bedeutet, dass Menschen diskriminierend handeln, ohne es selbst zu merken.
Diese Handlungen werden oft durch unbewusste Vorurteile und Stereotype beeinflusst. Die Chrysalis Initiative bot Krankenhäusern an, ihnen Werbemittel zur Verfügung zu stellen, die den Mitarbeiter:innen dabei helfen sollten, an ihrem Unconscious Bias zu arbeiten. Leider lehnten viele Krankenhäuser die Werbemittel ab.
Aber: Die Initiative hing die Plakate einfach an Bushaltestellen und anderen Plätzen in der Nähe der Krankenhäuser auf, damit die Mitarbeiter:innen eben doch mit diesem Thema konfrontiert wurden. Wir finden: stark!
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So viel zu unseren ersten Eindrücken von der Croisette. Wir freuen uns auf weitere intensive Tage mit spannenden Insights, Impulsen und Learnings. Wer jetzt Lust auf weitere Eindrücke aus Cannes hat, schaut auf unserem Instagram-Account vorbei. A bientôt!
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