Wieso wird Emma so emotional diskutiert?

Die Kunstfigur ist vielen unheimlich und die ihr übertragene Aufgabe, Deutschland als Reiseland zu repräsentieren, würden offensichtlich viele lieber einem echten Menschen übertragen.

Damit Marketer nicht in die gleiche Falle tappen, ist es wichtig zu verstehen, wieso Menschen auf virtuelle Avatare wie die KI-Influencerin Emma so emotional reagieren.

Diese unbehagliche Reaktion lässt sich mit der wissenschaftlichen Uncanny-Valley-Theorie erklären. Das "Uncanny Valley" (unheimliches Tal) ist ein Konzept aus der Robotik und der Computergrafik, das 1970 von dem japanischen Robotiker Masahiro Mori eingeführt wurde. Es beschreibt ein Phänomen in der menschlichen Wahrnehmung von künstlichen Figuren oder Robotern:

1. Grundprinzip: Je menschenähnlicher ein Roboter oder eine künstliche Figur wird, desto positiver reagieren Menschen zunächst darauf.

2. Der Einbruch: Ab einem bestimmten Punkt der Menschenähnlichkeit kippt diese positive Reaktion jedoch plötzlich ins Negative. Die künstliche Figur wird dann als unheimlich oder abstoßend empfunden.

3. Überwindung: Erst wenn die Menschenähnlichkeit so perfekt ist, dass sie von einem echten Menschen nicht mehr zu unterscheiden ist, wird die Figur wieder positiv wahrgenommen.

(In einem Diagramm sieht dieser Verlauf wie ein "Tal" aus, daher der Name "Uncanny Valley".) Es gibt verschiedene Theorien, warum dieser Effekt auftritt. Eine mögliche Erklärung ist, dass kleine Abweichungen vom menschlichen Erscheinungsbild oder Verhalten als befremdlich wahrgenommen werden und evolutionär bedingte Warnmechanismen auslösen.

Zurück zu Emma: Die Influencerin weist optisch und akustisch Fehler auf, die Unbehagen erzeugen und damit schon zu einer emotionalen Ablehnung der Kunstfigur führen.

Was Marketer aus dem Debakel um Emma lernen können

  1. KI-Influencer sollten ebenso wie echte Influencer eine authentische Persönlichkeit darstellen und mit einer Hintergrundgeschichte, persönlichen Details und potenziellen Ähnlichkeiten aufwarten, mit denen sich eine Zielgruppe identifizieren könnte. 
  2. Die Wirkung potenzieller KI-Influencer:innen sollte vorab in geschlossenen Usergroups getestet werden, um sicherzustellen, dass deren Erscheinungsbilder kein Unbehagen erzeugen
  3. Dazu müssen die KI-Influencer:innen entweder die Menschenähnlichkeit so perfekt darstellen, dass sie von einem echten Menschen nicht mehr zu unterscheiden sind, oder sehr deutlich als Kunstfigur ohne Menschenähnlichkeit dargestellt werden. (Super Mario würde niemand seine fehlende Menschenähnlichkeit vorwerfen.)
  4. Ist die Zielgruppe offen für KI-Influencer:innen oder erfordert das Thema eher menschliche Influencer:innen? 
  5. Nutzwert bieten: Im Falle von Emma ist dieser noch ziemlich begrenzt, die Chatfunktion liefert mangelhafte und uninspirierte Antworten. Dabei gäbe es sinnvolle Einsatzzwecke für eine KI, beispielsweise zur personalisierten Reiseplanung.
  6. First-Mover-Effekt nicht überschätzen: KI-Influencer:innen ohne großen Nutzwert einzuführen, erzeugt Aufmerksamkeit, die aber schnell zu einem Debakel führen kann und die Marke langfristig negativ im Kopf der Zielgruppe verankert.
  7. Deshalb: Keine frühen Entwicklungsstadien veröffentlichen, ein KI-Chatbot muss ausgereift sein und ausreichend getestet werden. 

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Autor: Jochen G. Fuchs

Jochen G. Fuchs, a.k.a. E-Fuchs, betreut das Themenfeld Commerce bei W&V und ist Kurator der CommerceTECH Conference. Der Journalist, Autor und Verleger ist seit 1999 in wechselnden Rollen im digitalen Handel tätig gewesen und schreibt seit mehr als 10 Jahren über Digital Commerce. Sein Interesse gilt vorwiegend den Themen CommerceTECH (ShopTech, RetailTech), Customer Experience und Nachhaltigkeit im digitalen Handel.