Auch Personas werden durch generative KI buchstäblich zum Leben erweckt – etwa, indem ein internes GPT mit qualitativen und quantitativen Elementen einer Persona gefüttert wird. Das Ergebnis: ein real anmutender Chat mit der Persona, die wiedergibt, was ihr bei der Entscheidung für ein neues Elektrofahrzeug besonders wichtig ist. Auch Prototypen und Interaktionspfade sind mit Hilfe von ChatGPT, Midjourney oder Google Gemini schneller mit sehr guter Qualität erstellt. Dazu Customer Journeys mit generativer KI weiter ausgeprägt und um Trendsignale erweitert werden. Tools wie SyntheticUsers oder Conjointly helfen bei der initialen Recherche und beim Test entwickelter Ideen.

Personalisierung, Automation, Analysen und stetige Fortentwicklung – die Werkzeuge der generativen AI sind ein "Turboboost" für jede CX-Expert:in. Der Zeitaufwand für verlässliche Ergebnisse wird beträchtlich reduziert, während die Qualität der Ergebnisse gleichbleibend hoch ist. Ist also gut mit KI?

Generative KI für die CX-Strategie? Think again

Zur Wahrheit gehört: Generative KI wird weder Ihre CX-Strategie ersetzen noch Ihre CX-Probleme auf magische Art und Weise lösen. Im CX-Management, wo Kundenbindung und -zufriedenheit das A und O sind, scheint die Verlockung groß zu sein, generative KI einzusetzen, um personalisierte Erlebnisse zu schaffen, die die Kundenbindung stärken könnten. Doch ist es ratsam, die Entwicklung von CX-Strategien an eine KI auszulagern?

Das Beratungsunternehmen BCG fand 2023 in einer Studie heraus, dass generative KI in Bereichen, die außerhalb ihres Kompetenzfeldes liegen und vor allem für strategische Arbeiten unter Umständen sogar eher kontraproduktiv sein kann.

Das Ergebnis zeigt deutlich, dass generative KI – so beeindruckend ihre Fähigkeiten auch sein mögen – derzeit nicht dazu geeignet ist, menschliche Strategen in der CX-Planung zu ersetzen. Zwar kann sie bei der Identifizierung von Mustern und Trends in Kundendaten helfen und wertvolle Einblicke für die strategische Planung liefern. Aber wenn es darum geht, diese Einblicke in eine umfassende CX-Strategie zu übersetzen, die die einzigartigen Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden berücksichtigt, kommt die KI an ihre Grenzen.

Denn eine effektive CX-Strategie erfordert mehr als nur Datenanalyse. Sie erfordert Empathie, um die Emotionen und Bedürfnisse der Kunden wirklich zu verstehen, um sie zu begeistern. Und sie erfordert strategisches Denken, um langfristige Pläne zu entwickeln und umzusetzen. Diese menschlichen Fähigkeiten kann KI – zumindest derzeit – nicht ersetzen.

Das bedeutet jedoch nicht, dass KI in der CX-Strategieentwicklung keinen Platz hat. Im Gegenteil: Wenn sie richtig eingesetzt wird, kann sie ein wertvolles Werkzeug sein, das den Strategen hilft, ihre Arbeit effizienter und effektiver zu gestalten. Sie kann als persönlicher Assistent fungieren, der Routineaufgaben übernimmt und den Strategen so mehr Zeit für die wirklich wichtigen Aufgaben wie die Bewertung von Daten, Überarbeitung bestehender Strategien oder kreative Arbeiten lässt. Doch um das volle Potenzial der KI in der CX-Strategieentwicklung zu nutzen, müssen Unternehmen ihre Mitarbeiter entsprechend schulen und unterstützen. Sie müssen ihnen beibringen, wie sie die KI richtig einsetzen und wie sie ihre Ergebnisse kritisch hinterfragen können. Und sie müssen bereit sein, ihre Strategien und Prozesse kontinuierlich anzupassen und weiterzuentwickeln, um mit der rasanten technologischen Entwicklung Schritt halten zu können.

Generative KI birgt enormes Potenzial und kann zu herausragenden Ergebnissen führen – wenn sie kompetent und für die richtigen Dinge eingesetzt wird. Doch die Entwicklung von CX-Strategien gehört derzeit noch nicht dazu. Hier sollte der Mensch weiterhin die Kontrolle behalten und die KI vielmehr als Assistenz nutzen. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass KI-Tools wie GPT-4 Werkzeuge sind, die von Menschen entwickelt und gesteuert werden. Ihre Verwendung muss daher stets ethischen Überlegungen unterliegen.

Warum Ethik wichtig ist

Unternehmen, die KI in CX integrieren, stehen vor vielschichtigen ethischen Herausforderungen – auch vor dem Hintergrund der allmählich beginnenden Regulation. Compliance-Probleme fördern nicht nur kritischen Rückfragen der Stakeholder, sondern säen auch Misstrauen bei den Nutzern, was das Engagement behindert und negatives Feedback fördert.

Ethische Versäumnisse entstehen oft durch Verzerrungen, die vielen KI-Systemen innewohnen, sowohl in Bezug auf die Trainingsdaten als auch auf das algorithmische Design. Diese Verzerrungen können den Lernprozess der KI beeinflussen und möglicherweise zur Verstärkung bestehender Vorurteile führen bis zu dem Punkt, dass bestimmte Benutzergruppen marginalisiert werden könnten.

Dieses Szenario zeigte sich in Amazons automatisiertem Rekrutierungssystem, das frühere Einstellungen analysierte, um die Eignung neuer Kandidat:innen zu beurteilen. Aufgrund der historischen Unterrepräsentation von weiblichen Mitarbeitenden im Unternehmen und in der Branche bewertete das System Frauen unfairerweise schlechter und ging fälschlicherweise von einer Präferenz für männliche Kandidaten aus. Amazon versuchte erfolglos, dieses Problem zu beheben, und stellte die Initiative schließlich ein.

Ebenfalls können bestehende Verzerrungen in einer KI bestimmte Ergebnisse durch die bewusste Entscheidung, einzelne Metriken zu priorisieren, herausheben. Dieser Fokus kann jedoch kritische Elemente im Prozess übersehen, was zu ungerechten und unrealistischen Ergebnissen führt. Wenn der Algorithmus beispielsweise so konzipiert ist, dass er für bestimmte Metriken wie den Umsatz optimiert, ohne Fairness oder Inklusion zu berücksichtigen, sind die Ergebnisse der KI nur noch bedingt zielführend.

Diesen Herausforderungen kann begegnet werden, indem vielfältige und repräsentative Trainingsdaten verwendet werden, der Algorithmus einer KI sorgsam gestaltet und entstehenden Verzerrungen umgehend entgegengetreten wird. Ein Weg sind Mitarbeiterschulungen, die nicht nur auf die Entwicklung technischer Fähigkeiten ausgerichtet sind, sondern auch ethische Aspekte mit einbeziehen. Beides ist wichtig, um die Synergie zwischen Mensch und KI im Arbeitsalltag zu gestalten. KI mag zwar leistungsstark sein, aber es fehlt ihr in Teilen ein nuanciertes Verständnis komplexer Geschäftsdynamiken, was eine menschliche Aufsicht in kritischen Entscheidungsbereichen erforderlich macht.

Die Rolle von KI ist somit die eines Werkzeugs zur Umsetzung von Strategien, und ethische Überlegungen sind entscheidend für den Erfolg. Einer aktuellen Umfrage des Center for Artificial Intelligence von Jobs for the Future zufolge sieht eine deutliche Mehrheit der Arbeitnehmer:innen die zwingende Notwendigkeit, neue Fähigkeiten in Erwartung der Auswirkungen von KI am Arbeitsplatz zu erwerben. Dies bietet Unternehmen eine günstige Gelegenheit, derzeitige und zukünftige Arbeitnehmer:innen hier zu unterstützen und Vertrauen, Fachwissen und Verantwortung beim Einsatz von KI zu fördern. Umfassende Mitarbeiterschulungen stellen sicher, dass die Mitarbeitenden gut darauf vorbereitet sind, die Customer Experience mit Hilfe der KI-Tools effektiv und verantwortungsvoll zu optimieren.

KI mit fundierten CX-Basics arbeiten lassen

Zu guter Letzt müssen auch die CX-Basics stimmen. Denn: Ohne Grundlagen, die durch CX-Strategie, CX-Taktiken und definierte Organisation geschaffen werden, wird der Einsatz von künstlicher Intelligenz nur zu schlechter CX führen. Brinks Home, ein Smart-Home-Unternehmen mit Sitz in Dallas (USA), schaffte es zwar, mit Hilfe eines KI-Startups seinen Marktanteil zu vergrößern und binnen eines Jahres den Umsatz um 9,5 % zu steigern. Dies war allerdings nur möglich, weil weite Teile des CX-Fundaments bereits gegossen waren. Cross-funktionale Teams, die mit klaren Budgets auf klar definierte Ziele hinarbeiten, sind ebenso wichtig wie ein intakter Datenpool, eine logische CX-Channel-Strategie, fundierte Kenntnisse über Kundensegmente und ein intakter Tech-Stack.

Unternehmen, die sich folglich mit einem Einsatz von KI für ihre Customer Experience beschäftigen, sollten dies zum Anlass nehmen, eben diese CX-Basics zu überprüfen und gegebenenfalls zu überholen. Ist die CX-Vision mit der bestehenden Markenpositionierung verknüpft? Geben CX-Principles Mitarbeitenden Orientierung bei der Durchführung neuer Projekte? Helfen Customer Journeys, wichtige Momente in der Beziehung zwischen Kunde und Marke zu entdecken? Werden Daten analysiert, damit aktuelle und künftige CX-Potenziale weiterentwickelt werden können?

Steht dieses Fundament und sind ethische Rahmenbedingungen klar vorgegeben, dann ist alles startklar, um generative KI an verschiedenen Stellen der CX-Schleife einzusetzen. Es gilt: Zügig ins „Doing“ kommen und im kleinen Rahmen starten und ausprobieren. So können unterschiedliche Text- und Bildversionen erstellt und getestet werden, Channelausspielung verfeinert und Nutzerfeedback schneller und umfassender ausgewertet werden. Weiter gesponnen können autonome CX- und Innovationsprozesse mit Hilfe einer Software-Entwicklungsumgebung (SDK) wie Microsofts Semantic Kernel aufgesetzt werden, welches den Code bereits bestehender Dienste mit KI-Modellen von OpenAI oder Hugging Face verknüpft.

Unabhängig davon, ob neue Dienste mit KI aufgewertet werden oder Teile des internen CX-Prozesses durch KI beschleunigt oder gar automatisiert werden: Der Wandel ist die einzige Konstante. Die Chancen, die Kundenzufriedenheit durch den Einsatz von KI zu erhöhen und gleichzeitig das Training der eigenen Mitarbeitenden zu fördern, überwiegen die Risiken bei Weitem.

Zu den Autor:innen:

Jan Piatkowski ist Consultant CX & Strategy bei Ogilvy, ebenso wie seine Co-Autorin Laura Ortiz. Der zweite Co-Autor, Sebastian Zwiesler, ist Director Consulting bei Ogilvy.

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Künstliche Intelligenz treibt E-Commerce: X Learnings, wie GenAI das Kauf-Erlebnis besser macht.

Di., 21. Mai 2024

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Autor: W&V Gastautor:in

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