Recruiting 2.0:
Céline Flores Willers: Wie sie ihre neue COO suchte und fand
Die Linkedin-Expertin Céline Flores Willers brauchte eine:n COO - und suchte öffentlich via Linkedin. Ein halbes Jahr nahm der Prozess in Anspruch, zum Teil äußerst kritisch kommentiert. Sarah Derschatta wird nun ihre "Partnerin in crime", wie beide sagen. Ich habe mit ihnen über diesen ungewöhnlichen Recruiting-Prozess gesprochen.
Wenn Céline Flores Willers sich bei Linkedin zu Wort meldet, gehen die Kommentare und Bewertungen im Sekundentakt ein. Kein Wunder, bei mehr als 185.000 treuen Follower:innen. Und genau das ist auch ihr Business, das sie seit 2020 verfolgt. Ihr Unternehmen The People Branding Company (TPBC) unterstützt Personen und Marken dabei, sichtbarer zu werden bei Linkedin. Im Portfolio sind unter anderem SAP, Henkel und Hugo Boss sowie zahlreiche CEOs.
Das Ganze funktioniert allerdings nur, weil Céline inzwischen ein Team von 20 Mitarbeiter:innen um sich geschart hat. Wie bei allen Start-ups hängt das weitere Wachstum davon ab, geeignete Strukturen einzuziehen, damit sich jeder auf seinen Job fokussieren kann.
Daher war Céline klar: sie braucht eine COO, die ihr bei der Verbesserung von Strukturen und Prozessen den Rücken frei hält. Im März 2024 stieß sie den Suchprozess an - via Linkedin. Seitdem verfasste sie um die 15 Postings, die den Recruiting-Prozess quasi live nachvollziehbar machten. Sehr transparent, aber auch herausfordernd für alle Beteiligten.
Denn unter den 3.395 Kommentaren waren auch viele kritische, die etwa Célines Anspruchshaltung als Arbeitgeberin hinterfragt haben. Insgesamt kamen die Posts auf um die 2,6 Millionen Impressions und mehr als 14.000 Likes.
Öffentlichkeitswirksam zum neuen Job
Einen ähnlich prominenten Weg - allerdings in umgekehrter Richtung - hat Marcus Diekmann beschritten. Zusammen mit dem Manager Magazin und natürlich auch über sein Linkedin-Profil (knapp 45.000 Follower:innen) ließ sich verfolgen, wie und wo er sich bewirbt, um nach Rose Bikes seine Karriere fortzusetzen. Ein Weg, der ihn schließlich zu Armed Angels führte.
Céline will mit ihrer Art der C-Level Suche auch eine Debatte um eine neue Form der Personalsuche in Zeiten des Fachkräftemangels anstoßen. Bei ihr gingen mehr als 150 Bewerbungen ein, allein 80 davon in den ersten sieben Tagen.
Entschieden hat sie sich für Sarah von Derschatta. Sie hat bereits in einigen renommierte Agenturen gearbeitet und passt mit ihrem Profil gut zu Célines Anforderungen. Zu ihren Karrierestationen zählen Agenturen wie Serviceplan, Namics oder C3 Creative Code and Content (Teil von Hubert Burda Media). Zuletzt leitete sie als Geschäftsführerin den C3-Standort in München mit über 130 Mitarbeiter:innen.
Ich sprach mit beiden über diese spannende Zeit und wie dann ihr Kennenlernen in "real life" verlief:
Céline, Du hast für deine Company eine:n COO via Linkedin gesucht. Warum hast Du das für den besten Weg gehalten?
Céline Mein Empfinden war, dass der Standard-Headhunter-Prozess so für uns einfach nicht passte.
Ich glaube an die Kraft von Linkedin, den Status Quo unserer Berufswelt in Frage zu stellen und aufzubrechen. Warum also nicht auch explizit bei der Talentsuche, die das Kerngeschäft der Plattform ausmacht?
Darüber hinaus habe ich genau für solche Anlässe in den letzten 5 Jahren in meine Personal Brand investiert. Meine Reichweite dient keinem Selbstzweck, sondern meinen Unternehmenszielen. Dazu zählt auch, neue Impulse in unserer Branche und im Markt zu setzen und diese auch für unsere Kunden zu testen.
Sarah, wann hast Du Dich entschieden, auf Célines Aufruf zu reagieren?
Sarah Ich bin sofort bei Célines "Ausschreibung" hängengeblieben. Was mich besonders angesprochen hat, war die Originalität und die Ehrlichkeit, in der die Stellenbeschreibung verfasst war. Wir alle kennen ja die 08/15 Ausschreibungen von Headhuntern, die nicht wirklich aussagekräftig sind. Oft sind die Namen der Unternehmen, die sie rausgeben fast austauschbar. Das war hier anders.
Und genau dieses direkte, auf den Punkt gebrachte und auch nicht davor scheuend, die toughen Elemente zu betonen – das war für mich ausschlaggebend, um mich zu bewerben.
Céline, vielleicht erklärst Du nochmal, welche Erwartungen Du an die neue COO hast.
Céline: Mein Ziel war es, einen Partner in Crime zu finden, mit dem ich mein Unternehmen auf die nächste Stufe heben und weiter skalieren kann. Weil wir ein enges, eingespieltes Team sind und auch sehr vertrauensvolle Beziehungen zu unseren Kunden haben, waren für mich Soft Skills und persönlicher Fit superwichtig.
Genauso wichtig, wie meine Erwartungen an Leistungsbereitschaft, Disziplin und Einsatz. Und natürlich brauchte ich jemanden, der mein Skill-Set ergänzt – der das Beratungs- und Agenturengeschäft kennt und die wachsenden Anforderungen an Produkt-, Team-, Kundenentwicklung und Prozesse schonmal selbst geführt und verantwortet hat.
Sarah Darin habe ich mich wiedergefunden: hohe Taktzahl, Lust am unternehmerischen Wachstum und Fokus auf Team- und Kundenentwicklung. Das hat meine Arbeit in den letzten Jahren ausgemacht. Célines explizite Suche nach einer Partnerin in Crime war noch dazu perfekt, weil ich keine Einzelkämpferin bin.
Wie würdest du die Bewerber:innen kategorisieren? Eher jünger?
Céline: Jünger auf keinen Fall. Alle Bewerbungen waren sehr „seniorig“, sicherlich 70 Prozent der Bewerber:innen hatten bereits umfassende Führungspositionen. Zum Teil war ich sogar überrascht, aus welch renommierten Unternehmen wir Bewerbungen erhalten haben, von Senior Vice Presidents aus Großkonzernen bis hin zu C-Level Leads aus namhaften Agenturen.
Das hat mich im positivsten Sinne überrascht. Und auch, dass es keinerlei Branchenfokus- oder -limitierung gab. Ich hatte selbst eher die Erwartungshaltung, dass über eine öffentliche Suche mit hoher Quantität zu rechnen ist, aber nicht mit Qualität. Und das konnte ich bei unserer Suche absolut widerlegen.
Hattest Du parallel weitere Bewerbungen laufen, Sarah?
Sarah: Ja, ich habe auch andere Gespräche in der Zeit geführt – was gut war, weil Entscheidungen ja auch immer vom Vergleich leben und die Gespräche mit Céline sind von Anfang an herausgestochen. Mir war klar, dass für mich der nächste C-Level Schritt ansteht, aber natürlich muss es auf allen Ebenen passen.
Im vergangenen Jahr bin ich Mutter geworden und habe einen Lehrauftrag an der Uni übernommen, was lange ein Traum von mir war. Zudem war mein Ziel, wieder in ein Unternehmen einzusteigen, das wirklich auf Skalierung angelegt ist und in dem ich meine Erfahrung aus den großen Agenturen einbringen kann.
Hast du Dir vorher Gedanken gemacht, was es bedeutet, Teil eines so öffentlich inszenierten Recruitingprozesses zu sein?
Sarah: Es gab schon auch Momente, in denen ich gezögert habe und genau diese Frage mich intensiv beschäftigt hat. Gleichzeitig habe ich klar erkannt, dass ich unabhängig davon vor allem Lust auf die Sache und die Zusammenarbeit mit Céline als Person habe – und das ist am Ende das Wichtigste.
Gab es Momente, wo Du das auch als belastend oder nervig empfunden hast?
Sarah: Nein, nervig nicht, aber ein neues Terrain und ein Schritt aus der Comfort Zone war es in jedem Fall. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass es eben diese Schritte manchmal braucht, damit richtig coole Dinge entstehen. Und klar bin ich auch gespannt, was heute, am Tag des Announcements auf meinem Linkedin-Account so passiert und ob er der Welle an Profilbesuchen standhält.
Die Zeit seit März war für euch beide sehr aufreibend. In den Kommentaren ging es zum Teil hoch her. Welche Learnings hast Du aus dieser Zeit mitgenommen, Celine?
Céline: Einen solchen Prozess öffentlich zu begleiten heißt, eine weitere große Stakeholdergruppe – nämlich die interessierte Öffentlichkeit bzw. die Follower – mitzunehmen.
Gleichzeitig findet der Recruiting-Prozess ja quasi live statt. Das heißt, der „echte“ Bewerbungsprozess muss gut auf den „Posting-Prozess“ abgestimmt werden, damit die Bewerber:innen nicht aus den Posts erfahren, wie die Lage gerade ist. Das war gar nicht so einfach, weil wir so einen großen Pool an Bewerber:innen hatten. Durch die Asynchronität in der Planung wird die Suche als Prozess in jedem Fall komplexer.
Und mein Haupt Learning: Selten habe ich bei Themen, die ich auf Linkedin geteilt habe, so eine riesige Spannbreite zwischen Zustimmung und Ablehnung erfahren. Zum Prozess, den Inhalten der Posts usw. Heißt, es gilt bei sich zu bleiben und sich nicht selbst verunsichern zu lassen. Das kenne ich natürlich schon, aber in diesem Fall war es besonders stark zu spüren.
Sarah: Und noch ein Satz dazu, sozusagen aus Kandidaten-Sicht und mit Blick auf die ja zum Teil wirklich sehr harschen Kommentare auf Linkedin. Céline war im ganzen Prozess immer super wertschätzend, verlässlich und transparent in der Kommunikation, v.a. auch gegen Ende, als natürlich auch andere Kandidat:innen im Spiel waren. Sie hat mich mitgenommen, vorab über anstehende Posts informiert und immer sichergestellt, dass ich nicht von außen verunsichert werde.
Céline, welche Wege hast Du bisher im Recruiting deiner Mitarbeiter:innen eingeschlagen? Das hier war ja sehr aufwendig.
Céline: Na klar, so einen intensiven Prozess haben wir in der Vergangenheit noch nicht aufgesetzt. Wir recruiten aber grundsätzlich über unsere organische Reichweite bei Linkedin.
In erster Linie hatte die COO-Suche das Ziel, den perfekten Match für TPBC zu finden. Gleichzeitig geht es mir auch immer darum, Ableitungen für unsere Kunden und unsere Beratung treffen zu können.
HR und Recruiting sind ja eher diskret und verschwiegen, auch um potenzielle Kandidat:innen zu schützen. Während Du ja sehr transparent und offen bist. Eine schwere Balance?
Céline: Nein, das war keine schwere Balance – ich bin super transparent und offen und genau darum sollte es ja auch gehen auf diesem Weg. Es gibt nicht zwei Versionen oder zwei Wahrheiten. Es gibt eine – und die teile ich erst mit den Kandidat:innen, dann mit der Community. Das kann beim timing tricky sein, aber nicht bei den Inhalten.
Mein Gefühl ist auch, dass sowohl Kandidat:innen als auch Community diese Art der Kommunikation schätzen. Straight und verlässlich. Was für mich eher ein Spagat war, war dass ich den Prozess ja von Anfang bis Ende selbst komplett betreut habe und Kandidat:innen zum Beispiel teilweise länger auf ihr Feedback gewartet, als ich es mir gewünscht hätte.
Sarah, wie empfandest Du das erste Vorstellungsgespräch face to face?
Das erste Kennenlernen mit Céline war großartig. Es hat praktisch direkt „gefunkt“, wenn man so will. Die Einladung kam direkt am Tag nachdem ich das Bewerbungsvideo nachts um 22 Uhr hochgeladen hatte und wir waren sofort in einem gemeinsamen Brainstorming-Modus. Genau dieses Gefühl, was entstanden ist, wenn wir vor allem über inhaltliche Dinge gesprochen haben, hat dann auch alle Bedenken Zweifel hinsichtlich der Öffentlichkeit deutlich übertroffen.
Welche Erfahrungen aus deinen vorhergehenden Beschäftigungen kannst Du bei The Branding Company einbringen? Was willst du als erstes anpacken?
Ich bin durch und durch „Agenturkind“ und kenne das Beratungs- und Servicegeschäft in allen Facetten. Von kleiner PR-Agentur über internationale Gruppe oder Netzwerk bis hin zur mittelständischen Agentur mit Konzern-Background. Ich habe in all diesen Strukturen Teams unterschiedlicher Größe geführt, neue Unternehmensbereiche aufgebaut, X Pitches gemacht und gewonnen sowie große Kunde beraten und entwickelt.
Ich bringe alles mit, was Céline braucht, um gemeinsam in die nächste Wachstumsphase zu starten und unser gemeinsames Ziel anzugehen, mit The People Branding Company die führende Beratung für alle Themen rund um Linkedin zu werden. Für CEOs, CMOs und CHROs.
Danke euch beiden für das Gespräch.
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