Zenith:
2020: Weniger Werbeminus als befürchtet
Der Boom des E-Commerce hilft dem Werbemarkt. Das ist einer der Gründe, warum Zenith die Lage weniger pessimistisch sieht als im Sommer. 2022 soll bereits auf dem Niveau des Vor-Coronajahres 2019 liegen.
Die Aussichten für den weltweiten Werbemarkt wurden nach oben korrigiert. Der Zenith Advertising Expenditure Forecasts erwartet eine schnellere Erholung nach dem durch die Coronavirus-Pandemie verursachten schweren Einbruch im 2. Quartal. Die globalen Werbeausgaben werden im Jahr 2020 um 7,5 Prozent auf 585 Milliarden Dollar zurückgehen. Dies ist eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Juli-Forecast, der noch einen Rückgang von 9,1 Prozent vorhersagte. Mehr als jeder zweite Werbe-Dollar fließt in Digitalwerbung. Auch das ist eine Folge der Corona-Pandemie.
Zenith sieht für das Jahr 2021 eine Steigerung der globalen Werbeinvestitionen um 5,6 Prozent auf 620 Milliarden Dollar. Begünstigt wird dieses Wachstum auch durch die mit einem Jahr Verzögerung stattfindenden Olympischen Sommerspiele sowie die Fussball-Europameisterschaft. Trotz dieses Anstiegs wird das 2019er-Niveau der Werbeinvestitionen im kommenden Jahr noch nicht wieder erreicht werden. Auf diesem Level wird der globale Werbemarkt erst 2022 wieder sein, wenn die Werbeausgaben nochmals um weitere 5,2 Prozent steigen werden.
"In Deutschland schrumpft der Werbemarkt in diesem Jahr nur um 3,1 Prozent, statt um 12,1 Prozent, wie wir noch im Juli angenommen hatten", sagt Jennifer Andree, CEO Zenith in Deutschland. "Der Hintergrund ist, dass die Werbungtreibenden ihre Kommunikationsmaßnahmen nach dem Lockdown im März sehr schnell wieder aufgenommen haben und der aktuelle Lockdown Light in Verbindung mit staatlichen Hilfen für Wirtschaft und Konsumenten nicht so stark dämpft wie der im Frühjahr. Dennoch verlieren hierzulande fast alle Mediengattungen zwischen drei (Zeitungen) und 70 Prozent (Kino) ihrer Werbeeinnahmen. Lediglich das Internet verzeichnet fünf Prozent mehr Werbeumsätze als 2019."
Für das kommende Jahr rechnet Zenith Deutschland mit einem Werbewachstum um 2,5 Prozent. 2022 sollen es drei Prozent und 2023 noch mal 2,4 Prozent sein. "Bei den deutschen, wie auch bei den globalen Zahlen gehen wir davon aus, dass sich die Weltwirtschaft mit der Einführung der COVID-19-Impfstoffe im kommenden Jahr nachhaltig erholen wird und es keine weitere Pandemie geben wird", betont Andree.
Schub für digitale Werbung
Positive Zahlen vermeldet Zenith hinsichtlich der weltweiten digitalen Werbeausgaben. Hier glaubt Zenith an ein Plus von 1,4 Prozent für 2020. Der digitale Anteil an den gesamten Werbeinvestitionen steigt damit auf 52 Prozent; 2019 waren es noch 48 Prozent.
Euromonitor International prognostiziert, dass die E-Commerce-Verkäufe in diesem Jahr um 25 Prozent zunehmen werden, während der Umsatz im stationären Handel um fünf Prozent zurückgeht. Die Unternehmen haben ihre Werbeausgaben in digitalen Kanälen erhöht, um den Traffic zu ihren eigenen E-Commerce-Shops und zu Partnerplattformen zu fördern. Dabei wurde vor allem in Search (+ acht Prozent Wachstum in 2020) und in Social Media (+ 14 Prozent) stark investiert.
"Es ist nicht zu erwarten, dass E-Commerce wieder an Bedeutung verliert, sobald sich die Welt von der Coronavirus-Pandemie erholt hat", so Andree. "Die digitale Transformation hat ihren Nutzen während der Pandemie deutlich bewiesen. Unternehmen werden diese Entwicklung nun umso energischer vorantreiben. Damit wird auch der Anteil der digitalen Werbeinvestitionen weiter ansteigen. Bis 2023 wird die Digitalwerbung in Deutschland 47,5 Prozent aller Werbeinvestitionen umfassen."
Weltweit prognostiziert Zenith, dass die digitale Werbung bis 2023 sogar 58 Prozent der Werbeinvestitionen ausmachen wird.
Online-Video forciert Werbung
Die Sehgewohnheiten der Verbraucher haben sich weltweit, aber auch in Deutschland seit Jahren in Richtung On-Demand-Nutzung entwickelt. 2020 hat sich diese Entwicklung deutlich beschleunigt. Online-Video-Plattformen profitieren coronabedingt von wachsenden Abonnentenzahlen. Dazu gezwungen mehr Zeit zu Hause zu verbringen, strömten die Verbraucher zu bestehenden Subscription-Video-on-Demand-Plattformen (SVOD) wie Netflix, das im ersten Halbjahr weltweit 25 Millionen neue Abonnenten gewann, und zu neuen wie Disney+, das sein Fünfjahres-Wachstumsziel international in nur neun Monaten erreichte.
Das deutsche Publikum passt sich mehr und mehr den internationalen Nutzungstrends an und ist bereit, für SOVD oder AVOD (Advertising-Video-on-Demand) ein Haushaltsbudget bereitzustellen. Dementsprechend reagieren die Advertiser mit steigender Nachfrage für Werbefläche in werbefinanzierten deutschen AVOD-Plattformen wie z.B. Joyn (ProSiebenSat.1) oder TVnow (RTL Gruppe). Als Webapplikation für Desktop oder Mobile schon etabliert, wächst deren App-Nutzung auch auf den internetfähigen TV-Geräten.
Retail Media großer Wachstumsmarkt
Der sprunghafte Anstieg des E-Commerce in diesem Jahr führte zu einer rasch wachsenden Nachfrage an Retail-Media – damit sind Werbung oder Suchanzeigen auf Handelsplattformen gemeint, die Konsumenten auf dort zum Kauf angebotene Produkte hinweisen. Dies ist in China bereits ein relativ gut etablierter Werbekanal, hat aber andernorts, wie beispielsweise in Deutschland, noch großes Wachstumspotenzial. Marken bezahlen diese sehr wirksamen Platzierungen in der Regel aus Budgets, die für Verhandlungen mit Händlern vorgesehen sind und nicht aus Marketingbudgets. Dieser Werbekanal kann daher wachsen, ohne bestehende Werbeausgaben zu kannibalisieren. Amazon ist der prominenteste Anbieter von Retail Media außerhalb Chinas, und dessen Einnahmen stiegen im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr jedes Quartal um mehr als 40 Prozent.
Retail Media haben global ein enormes Wachstumspotenzial, da ihr Marktanteil weltweit derzeit mit drei Prozent nur knapp ein Sechstel des chinesischen Niveaus (19 Prozent) erzielt. Zenith schätzt, das Retail-Media Volumen 2019 auf 35 Milliarden Dollar. 2020 werden es bereits 51 Milliarden US-Dollar sein, also 46 Prozent mehr als im Vorjahr.
"Werbung in E-Commerce-Plattformen ist auch in Deutschland ein Wachstumsfeld", sagt Jennifer Andree. "In Zeiten geschlossener Ladenzeilen und langer Warteschlangen stößt der traditionelle Handel an seine Grenzen. Marken, die jetzt auf hybriden Absatz umsatteln und ihre Produkte konsequent auf den einschlägigen Online-Handelsplattformen positionieren, werden als Gewinner aus der Krise hervorgehen. Dabei sollten sie jedoch darauf achten, dass die von ihnen ausgewählten Handelspartner nachweisbaren Mehrwert durch transparente Daten und Messmethoden bieten, damit nicht nur die Marke das Wachstum der Plattform fördert, sondern auch umgekehrt."
Der asiatisch-pazifische Raum sowie Mittel- und Osteuropa als Vorreiter des Aufschwungs
Sowohl für den asiatisch-pazifischen Raum als auch für Mittel- und Osteuropa wird prognostiziert, dass die Werbeausgaben bereits 2021 wieder auf das Niveau von 2019 zurückkehren werden. Die erfolgreiche Eindämmung von COVID-19-Infektionen in vielen Märkten des asiatisch-pazifischen Raums hat den wirtschaftlichen Schaden begrenzt und in der Region die Grundlagen für eine rasche Erholung im Jahr 2021 geschaffen. Die Länder Mittel- und Osteuropas haben im Allgemeinen zwar stärker unter der Krise gelitten, aber ihre Werbemärkte sind weniger entwickelt. Dadurch haben sie in der Regel aber auch eher höhere Wachstumsraten. Zenith prognostiziert, dass die Werbemärkte in beiden Regionen im Jahr 2020 um sechs Prozent schrumpfen und im Jahr 2021 um sieben Prozent wachsen werden.
Der Werbemarkt in Nordamerika hat sich in diesem Jahr besser geschlagen als jede andere Region der Welt und wird den Prognosen zufolge im Jahr 2020 nur um 5,3 Prozent schrumpfen. Das ist aber zum Teil auf die sehr hohen Werbeausgaben im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen zurückzuführen. Da die politische Werbung im kommenden Jahr praktisch wegfällt, prognostiziert Zenith für 2021 in der Region nur ein Wachstum von 3,3 Prozent. 2022 wird der Werbemarkt dann wieder um 4,5 Prozent wachsen, damit wäre dann auch in Nordamerika wieder das Niveau vor der Pandemie erreicht.
Die Werbemärkte in Westeuropa, Lateinamerika sowie im Nahen Osten und Nordafrika (MENA) werden in diesem Jahr voraussichtlich um 12,3 Prozent, 13,8 Prozent bzw. 20,0 Prozent schrumpfen. Westeuropa wird erst 2023 wieder das Werbeausgabenniveau von 2019 erreichen.
"Der globale Werbemarkt hat sich im Laufe des Jahres von seinem Tiefpunkt im 2. Quartal erholt", sagt Jonathan Barnard, Leiter der Prognoseabteilung von Zenith. "Die Aussicht auf mehrere wirksame Impfstoffe stimmt uns zuversichtlich, dass sich das Wachstum des Werbemarkts im Jahr 2021 und darüber hinaus fortsetzt und der Markt 2022 wieder das Niveau von 2019 erreicht."