Green Production:
Warum Werbespots immer grüner werden - und es bald nicht mehr anders geht
Reisen, Strom, Transporte: Die Produktion von Werbespots ist alles andere als umweltfreundlich. Doch es geht auch anders. Was das für Kunden, Agenturen und Produktionsfirmen bedeutet.
Der spritzige Bulli rauscht die Küstenstraße entlang, auf der Suche nach der nächsten Welle. Das Wasser tiefblau, die Wiesen grün – man möchte sofort einsteigen und die große Freiheit genießen, die dieses Fahrzeug mit sich bringt. Allerdings: Die Szenerie aus dem VW-Spot für den ID Buzz ist gar nicht echt. Sondern eine „virtual production“, also ein Spot, für den keine Crew an Schauspielern, Produzenten, Regisseuren, Kameraleuten & Co. nach Südafrika geflogen ist; sondern eine Produktion am Computer. Acht Leute hätte es gebraucht, um die Szene mit der Küstenstraße zu filmen, acht Flüge – 25 Tonnen CO₂. Stattdessen ging es mit nur 400 Kilogramm und ein paar Bahntickets, denn die Crew fuhr in diesem Fall mit dem Zug innerhalb Deutschlands – und bastelte den Rest im Studio zusammen.
Werden TV-Spots damit umweltfreundlicher? Das war Thema des Vortrags von David Kettner, geschäftsführender Partner und Executive Producer bei Picsters.tv, einem internationalen Filmproduktionsunternehmen, auf der Screenforce Academy. Der Experte zeigte, wie ökologische Standards in der Werbefilmproduktion geschaffen werden können, welche Unterschiede es im Vergleich zur klassischen Filmproduktion gibt – und was Werbespots eigentlich „grün“ macht.
2027 als neues Normal
Und auch wenn es heute noch nicht an der Tagesordnung ist, grüne Werbespots zu produzieren, so gehört es für immer mehr Unternehmen zum guten Ton: „Spätestens 2027 werden Kunden und Agenturen nicht mehr mit Produktionen arbeiten, die nicht nach grünen Standards produzieren“, sagt David Kettner. „Heute ist es vielleicht noch ein USP. Aber es wird auch bald gesetzlich vorgeschrieben werden.“
Wofür es mit dem Label Green Motion in Sachen Filmproduktion inzwischen einheitliche Standards für eine nachhaltigere Produktion gibt, steht die Werbebranche zwar noch am Anfang. Doch hat sie einen großen Impact. „Es findet ein Umdenken statt“, sagt Kettner. „Alle beginnen, sich mit dem Thema grüne Werbespots zu beschäftigen, Kunden, Agenturen und Produktionsfirmen.“
Doch auch wenn sich viele Marketingverantwortliche ihres Fußabdrucks bewusst sind, schaue es in der Realität oft noch anders aus. Mehrkosten, etwa für die Stelle eines "Green Consultants", der sich am Set darum kümmert, dass nachhaltiger produziert wird und herausfindet, an welchen Stellen überall Energie eingespart werden kann, sind vermutlich ein Grund dafür, dass einige noch zurückhaltend sind.
Grüner Dreh fängt beim Skript an
Kettner rechnet vor: Für einen zweitägigen Werbedreh fallen etwa 4,7 Tonnen CO₂ an – zum Vergleich: Eine Person in Deutschland verbraucht im Jahr durchschnittlich 10,8 Tonnen. Insbesondere die Themen Transport und Reise fallen ins Gewicht und schlagen mit 65 Prozent des CO₂-Ausstoßes von der Produktion eines TV-Spots zu Buche. Wer die Anzahl an Personen und Reisen reduziert, kann also schon deutlich nachhaltiger agieren. Locationbesichtigungen können remote stattfinden, im kleineren Team, aber auch schon beim Storytelling setzt ein grüner Werbedreh an: So können Timings so geändert werden, dass saisonal und möglichst in Deutschland gedreht werden kann, mit lokalen Schauspielern oder Models und Skripten, die eine lokale Produktion sowie den Einsatz von neuen Produktionstechniken wie virtuellem Produzieren zulassen.
LED-Technik beim Dreh bringe 80 Prozent Ersparnis, sagt David Kettner, Ökostrom spare 94 Prozent. Auch bei den eingesetzten Materialien und Set-Konstruktionen kann man nachhaltiger agieren, bei Catering, Logistik und Unterbringung.
Lohnt sich das?...
Lohnt sich das denn überhaupt? Schließlich ist alles, wo „öko“ draufsteht, ja meistens teurer als die herkömmliche Alternative.Unbedingt, sagt David Kettner. Nicht nur der Umwelt und unserer Zukunft zuliebe, sondern auch der Gesetzeslage: So möchte Deutschland bis 2045 klimaneutral sein. „Und da kann kein Unternehmen glaubhaft behaupten, dass es Fortschritte macht, wenn es nicht über eine Strategie zur Messung und Kompensation in der Wertschöpfungskette verfügt, von der die Werbebranche ja ein Teil ist“, so Kettner. „Es ist viel Zusammenarbeit gefragt.“ Er rechnet mit etwa 3 Prozent an Mehrkosten für die grüne Produktion – dafür spare man aber an Flügen und Hotels. Und vor allem eben: an CO₂.
...unbedingt!
„Die Gesetzeslage wird zunehmend alle Beteiligten verpflichten, Emissionen einzusparen, aber je besser wir die Produktion von Werbespots messbar machen und lernen, wo wir Einsparpotenziale haben, desto näher kommen wir auch dem Ziel, dass nachhaltiges Produzieren Standard wird.“
Das kostet vielleicht erstmal Geld, aber, so David Kettner: „Wir können nicht warten.“