TV-Gipfel der Medientage München:
Wie Video on Demand und Streaming Inhalte prägen
Matthias Schweighöfers Amazon-Serie ist kein klassischer TV-Inhalt. Auch Werbung verändert sich mit VoD und Streaming, wie der TV-Gipfel der #mtm16 zeigte.
Mit der sechsteiligen Thrillerserie "You are Wanted" setzt Amazon Prime ab Anfang 2017 eine Duftmarke in der deutschen Bewegtbild-Geschichte: Die erste in Deutschland gedrehte Fiction-Produktion eines der großen Streaminganbieter startet dann im Netz. "You are Wanted" steht aber auch für einen Wandel bei den Inhalten: "Die Serie hätten wir so nicht im linearen Fernsehen machen dürfen", sagte Produzent Dan Maag beim TV-Gipfel der Medientage München. Er ist Geschäftspartner von Hauptdarsteller Matthias Schweighöfer.
Was meint Maag, kaufmännischer Chef der Schweighöfer-Firma Pantaleon, damit? Zum einen, dass er mit Alexandra Maria Lara und Karoline Herfurth zwei weitere Schauspielerinnen aufbieten könne, die für eine Serienproduktion im klassischen TV bisher nicht zu haben gewesen wären. Eine US-Entwicklung schwappt nach Deutschland.
Und: Die redaktionellen Wege bei Amazon seien kürzer, auch die Entwicklung von der ersten Besprechung bis zur Fertigstellung jetzt habe mit knapp anderthalb Jahren nur vergleichsweise kurze Zeit in Anspruch genommen. Auch die horizontale Erzählweise, wobei eine Episode auf der anderen aufbaut, zählt aus Maags Sicht zu den Vorteilen einer Produktion für Video on Demand oder Streaming.
Schafft Amazon neue Erzählweisen?
Alles neue Ausprägungen, die dem Pantaleon-Manager zufolge auch aufs klassische TV überspringen könnten. Zumal der Nutzer anspruchsvoller werde und mehr Qualität vom Anbieter erwarte, wie auf dem TV-Gipfel weiter zu hören war. Maag: "Die Energie, die Amazon auf die Straße bringt, könnte eine neue Flexibilität bei den Serien-Playern auslösen."
Aber ist Amazon nicht größter Konkurrent für klassisches TV? Christoph Schneider, Deutschland-Chef des Streaming-Anbieters Amazon Prime Video, zeichnete auf den #mtm16 ein anderes Bild, sprach von "gutem Austausch" mit den meisten Fernsehsendern. Als Beispiel nannte er die Kooperation mit RTL; Amazon und der Kölner Sender entwickeln zusammen die historische Spionageserie "Deutschland '86", eine Fortsetzung der Serie "Deutschland 83", die bei RTL vor einem Jahr im Free TV von den Quoten her scheiterte, von der Kritik aber positiv bewertet wurde.
HR-Fernsehdirektorin Gabriele Holzner sagte beim TV-Gipfel, dass private Anbieter und Plattformen sich auf ihr Ziel konzentrieren könnten, wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe seinen Auftrag zu informieren, alle Genres abzubilden und alle gesellschaftlichen Gruppen ins Visier zu nehmen. Für die Inhalte bedeute das: "Der HR muss auch das bieten, was der User wissen sollte."
Die Fernsehdirektorin mahnte dennoch jedoch an, die digitalen Bemühungen stärker voranzutreiben: "Wir müssen eine attraktivere Mediathek bekommen", sagte Holzner in Hinblick darauf, dass im kommenden Jahr die Einschaltquoten der TV-Sender um die Werte ergänzt werde
Auch klassisches TV wird immer öfter abgerufen
Aus gutem Grund, wie eine weitere Veranstaltung zur Zukunft von Bewegtbild im Rahmen des TV-Gipfels ergab. So konnte etwa Sky Zahlen aus seinem eigenen Forschungspanel vorlegen, die auf allen Nutzungssituationen in der "Luxuszielgruppe" der Pay-TV-Nutzer basieren. Dort hat nach Angaben von Dirk Otto, Vice President Research bei Sky Deutschland, zwischen 2014 und 2016 (jeweils auf den Zeitraum Januar bis September bezogen) die On-Demand-Nutzung von Sky-Inhalten um 113 Prozent zugelegt.
Alles in allem würden auch klassische TV-Inhalte immer öfter abgerufen, zeitversetzt genutzt, gestreamt. Wenn auch nicht so rasant wie in den USA, wo der Empfang des klassischen Fernsehens den Nutzer auch deutlich teurer kommt als das Abo bei Netflix. Wichtig sei nun auch für die Werbewirtschaft Transparenz bei den Nutzerzahlen, mahnte Otto an. Christian Franzen, Managing Director bei Mediacom, pflichtete dieser Forderung mit Blick aufs bald erweiterte AGF-Panel bei und fügte hinzu: "Der Mediaplaner muss einfach wissen, wo die Leute sind."
Andere Bewegtbild-Werbeformen setzen sich durch
Wenn schon die Inhalte geprägt werden – auch die Werbeformen verändern sich mit Streaming und VoD. Schauspieler und Produzent Kai Wiesinger hat mit Opel einen Markenartikler zur Seite, der seine Sat.1-Webvideoserie "Der Lack ist ab" mit Branded Entertainment begleitet.
Der Zuschauer fühle sich nicht gestört, die Marke profitiere, die Serie wiederum sei Nukleus für die neuen TV-Spots der Rüsselsheimer, berichtete Wiesinger beim TV-Panel. Und er sprach die Hoffnung aus: "Vielleicht kommen wir zu einem sinnvollen Mäzenatentum der Marken zurück, mit dem Kultur klug unterstützt wird."
ps (mit dpa)