Fernsehmarkt:
Cord-Cutting vs. lineares Fernsehen
Amerika und das Kabelkappen: Wenn sich Zuschauer von ihrem TV-Anbieter trennen - und nur noch streamen.
In den USA geht der Trend zum Cord- bzw. Cable-Cutting, zum Kabelkappen: So heißt es, wenn sich Zuschauer von ihrem TV-Serviceanbieter lösen und nur noch streamen. Sie durchtrennen die Nabelschnur, die ihnen lineares Fernsehen nach Hause liefert, sparen sich das Geld für einen Kabelanschluss, der hunderte von Kanälen ausspielt, von denen sie vermutlich nur 10 bis 20 regelmäßig schauen. Das Geld wandert dann in Streaming-Abos oder einzelne Bezahlangebote, wie sie in den USA etwa die Sportligen betreiben.
Ein Trend ist das, weil in den USA bisher immerhin 1,4 Millionen Menschen ermittelt wurden, die genau das 2016 gemacht haben (Quelle: SNL Kagan). Man sollte aber auch dazusagen: Gut 118 Millionen Fernsehhaushalte (mit mindestens einem Apparat) gibt es in den Vereinigten Staaten. Und potenzielle 324 Millionen Zuschauer. Da sieht diese Zahl dann doch weit weniger bedrohlich aus.
Selbst das US-Marktforschungsinstitut SNL Kagan gibt Entwarnung: "All the angst about the demise of incumbent U.S. pay TV providers due to cord cutting may be overdone", schreibt der SNL-Experte Bishop Cheen. Den Niedergang der US-Zugangsanbieter auszurufen sei also übertrieben. 53 Millionen Kabelanschlüsse, 33,6 Millionen Satelliten-TV-Kunden und 12,4 Millionen via Telekommunikationsanbieter meldet SNL Kagan für 2016. Die Hochrechnungen für 2020: Kabel und Telko werden leicht zurückgehen, Sat-TV (DBS) minimal zulegen (siehe Grafik).
Für den Medienwandel vom klassischen Fernsehen hin zum Streaming sprechen allerdings Marktveränderungen wie die geplante Übernahme von Time Warner durch AT&T oder der Streamingdienst Unplugged, den Google plant, schreibt die "Süddeutsche Zeitung". Mobilfunker AT&T will - logo! - nach der Übernahme tatsächlich mit einer neuen Plattform Netflix Konkurrenz machen (schreibt u.a. die "FAZ").
Kabelkappen als Bedrohung in Deutschland?
Die kurze Antwort: Erst mal nein. Zum einen wegen des Rundfunkbeitrags, um den selbst Streamingkunden nicht vorbeikommen. Und wegen der deutlich niedrigeren Kosten, die der deutsche Fernsehzuschauer im Vergleich zum US-Bürger (rund 70 Dollar im Monat) für den Zugang zu TV aufbringen muss, das hier überwiegend noch frei empfangbar ist.
Hinzu kommt, dass sich die hiesigen Senderverantwortlichen bemühen, ihre Angebote schon heute über verschiedene Plattformen zeitversetzt und ortsunabhängig anzubieten. Wenn es also - eines Tages in der Zukunft - jemandem in Deutschland an den Kragen geht, werden dies zuerst die Kabel - und Satellitenbetreiber sein, nicht die Sender selbst.
Die gute Nachricht: Alle können vom Wettbewerb profitieren
Der Zuschauer ist der erste Gewinner: Weil sich abzeichnet, dass sich diejenigen Programmanbieter durchsetzen werden, die mit Qualität von Inhalten ein Publikum zu überzeugen wissen. Der Wettbewerb, der derzeit auf dem Fernsehmarkt tobt, macht's möglich.
Und wie sich zeigt, sind die Kunden dann auch bereit, dafür zu bezahlen. Ebenfalls ein Trend, der aus den USA herüberschwappen dürfte. Schon heute gucken in Deutschland vier von fünf 14- bis 34-Jährigen via Streaming und VoD fern (Appinio-Studie, mehr dazu hier). Davon haben dann auch die Programmproduzenten etwas.