Gruner + Jahr:
Wichmanns Stern sinkt
Nüchterne Bilanz beim "Stern" nach einem guten Jahr mit Dominik Wichmann an der Spitze: Abos und Anzeigen im Minus. Nun wackelt sein Stuhl offenbar immer stärker ...
Die Gerüchte um einen drohenden Chefredakteurs-Wechsel beim Gruner+Jahr-Flaggschiff "Stern" spitzen sich zu: Nachdem der W&V-Schwestertitel "Kontakter" bereits Anfang Juli über die flaue Performance des 2013 aufwändig relaunchten Magazins im Leser- und Anzeigenmarkt und eine mögliche Ablösung von Dominik Wichmann nach nicht einmal eineinhalb Jahren berichtet hatte, gehen nun weitere Branchendienste davon aus, dass Kapitän Wichmann die Kommandobrücke verlassen könnte. Eine Spekulation, die die Presseabteilung des Verlags wiederholt von sich weist und einmal mehr betont, dass Gruner + Jahr derlei Geraune in den Medien ohnehin nicht kommentiere.
Doch kann es so weit kommen, dass Christian Krug vom Schwestertitel "Gala" das Ruder beim "Stern" übernehmen könnte? Es deutet einiges darauf hin, dass er zum Zuge kommen könnte, weil sonst kein potenzieller Nachfolger für Dominik Wichmann in Sicht ist. Auch wenn Krug "Stern"-Erfahrung hat, dort unter anderem als Reporter und Ressortleiter gewirkt hat und zum Inner Circle des Gruner-Vorstands gezählt wird: Im Social Web wird über den People-Kenner Krug eher gewitzelt.
ach, und der @Gala Chefredakteur geht zum @Stern , oder wie.
Was wird der erste Coup-
"Sylvies Tagebücher endeckt"?
— Micky Beisenherz (@MickyBeisenherz) August 14, 2014
Aber wie konnte es so weit kommen? Erst im Mai vergangenen Jahres übernahm Wichmann alleine die Chefredaktion des "Stern". Der ehemalige "SZ-Magazin"-Chef wurde als der große Hoffnungsträger gefeiert, der der Auflage des wichtigen Gruner+Jahr -Titels wieder neuen Schwung verleihen sollte. Kräftig baute er das Magazin um, verpasste der Zeitschrift eine Blattreform und ein neues Layout. Getrommelt wurde intensiv: Rund 25 Millionen Euro brutto Mediabudget nahm das Unternehmen in die Hand, um das neue Gesicht des Stern in der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Jetzt, ein gutes Jahr später, fällt die Bilanz ernüchternd aus. Das millionenschwere Mediabudget ist verbraucht. Die bereits seit Jahren schrumpfende Auflage des Titels ist am Kiosk und bei den Abonnenten weiter gesunken. Bewegte sich der wichtige Einzelverkauf im 2. Quartal 2013 noch bei 217.847 Exemplaren, sank er im 1. Quartal 2014 auf knapp 200.705 Stück - das entspricht einem Minus von 7,8 Prozent. Auch die Abo-Auflage hat weiter Federn gelassen: Sie lag im 1. Quartal 2014 bei 213. 878 Stück. Im 2. Quartal des Vorjahres waren es 229.148 Stück, also noch 6,66 Prozent mehr. Auch das Anzeigengeschäft hat durch den Relaunch kaum Früchte getragen: Es legte in dieser Zeit um brutto 1,05 Prozent zu. Doch die groß erhofften Wachstumssprünge sind ausgeblieben. Die Gesamtauflage im zweiten Quartal lag laut IVW noch bei knapp 770.000 verkauften Exemplaren.
Redaktionsintern herrscht deshalb seit Monaten große Unruhe, wusste der "Kontakter" bereits Anfang Juli zu berichten. Es tauchten Zweifel auf, ob Wichmann mittelfristig der richtige Mann für den Job ist. Gestreut werden Einschätzungen, dass der Journalist kein "Verkäufer"-Händchen besitze, um Henri Nannens "Wundertüte" am Kiosk zu neuem Glanz zu verhelfen. Auch manche Personalentscheidung gilt bisweilen als umstritten. Zuletzt sorgte er mit der Abberufung des Berliner Büroleiters Axel Vornbäumen intern für Unruhe. Bei den Mediaagenturen, so erfragte der "Kontakter", stößt die Blattreform nach dem Kommandowechsel auf geteilte Meinung. "Mehr Kanten und Ecken" beim "Stern" wünscht da so mancher.
An einem weiteren Relaunch wird gearbeitet und in Kürze wird der "Stern" mit seinem Erscheinungstag Donnerstag deutlich stärker auf die Wochenendleser ausgerichtet. W&V geht in der aktuellen Printausgabe vertiefend auf die erneuten Umbauten ein (EVT: 11.08.). Immerhin ist der Titel für G+J einer der wichtigsten Ertragsbringer, dessen Erfolg die Bilanz des Verlags wesentlich mitbestimmt. Der Verlag war nach einer harten Restrukturierung 2013 wieder in die Gewinnzone zurückgekehrt. Nun lässt vor allem der Anzeigenbereich weiter zu wünschen: Ende Juni lag der kumulierte Brutto-Anzeigenumsatz für Nielsen knapp ein Fünftel unter dem ersten Halbjahr 2013. Wie man es auch betrachtet: Wichmanns "Stern" sinkt.
ps/gl/fze