
Neustrukturierung:
So funktioniert das Media-Modell der Deutschen Telekom
Die Deutsche Telekom ordnet ihr Mediageschäft neu. Jetzt ist das Modell komplett. Die Verantwortlichen Christian Hahn und Andreas Nassauer erklären, wie es funktioniert.

Foto: Deutsche Telekom
Seit fast einem Jahr ordnet die Deutsche Telekom ihr gesamtes Mediageschäft neu. Es ist in fünf Bereiche aufgeteilt (siehe Schaubild). Jetzt ist das Modell so gut wie komplett. Drei weitere Dienstleister kommen an Bord: Den europaweiten Media-Einkauf im Bereich Programmatic verantwortet künftig Emetriq, eine Tochter der Telekom Deutschland GmbH. Zu diesem Bereich zählt auch das Social-Media-Buying, also zum Beispiel Bewegtbild-Inventar von Facebook und Youtube (Google).
Die Agenturen Neustar Marketshare und Objective Partners betreuen den Bereich Media Analytics.
Für den Bereich Search Advertising & Affiliate Marketing Services vergibt der Bonner Konzern keinen Lead-Auftrag. Sprich: Die Ländergesellschaften der Telekom können lokale Lösungen auswählen. Im Heimatmarkt Deutschland läuft die Ausschreibung für diesen Bereich noch.
Bereits im November vergangenen Jahres hatte die Telekom für den Bereich Kampagnenplanung und Mediaeinkauf die Group M als neuen Agenturpartner verkündet. In Deutschland wechselte die Betreuung von Mediacom zur Schwester Mindshare.
Den wichtigsten Bereich der Strategie und Steuerung hält die Telekom inhouse.
Im Interview mit W&V erklären Christian Hahn, Leiter Marketingkommunikation, Strategie und Media und Andreas Nassauer, Leiter Media, die Hintergründe zu dem Ergebnis des Pitches, der insgesamt fast ein Jahr gedauert hat - und immer noch nicht ganz abgeschlossen ist.
Signalwirkung
Herr Hahn, Herr Nassauer, warum haben Sie für den Bereich "Search and affiliates" keine internationale Agenturlösung gewählt?
Hahn: Es macht keinen Sinn, hier eine länderübergreifende Lösung vorzuschreiben. Die Reifegrade der Märkte sind sehr heterogen.
Nassauer: In den europäischen Gesellschaften zeichnet sich derzeit noch ein sehr heterogenes Bild. Es variiert von einem inhouse favorisierten bis hin zu einem ausgelagerten Modell. Auch innerhalb eines Landes kann es da noch Veränderungen in die eine oder andere Richtung geben. In Deutschland läuft die Ausschreibung noch. Diese Lösung könnte dann Signalwirkung auf andere Länder haben.
Wenn Sie Inventar von Youtube oder Facebook buchen: Läuft das unter "Media Buying", für das die GroupM verantwortlich zeichnet, oder unter "Programmatic Operations", für das Sie jetzt Emetriq als Partner ausgewählt haben?
Hahn: Das Thema ist bei Programmatic Operations inklusive Social Media Buying angesiedelt. Somit haben wir den zunehmend datengetriebenen und automatisierten Media-Einkauf an dieser Stelle aus interner Hand gewährleistet. emetriq gehört zur Deutschen Telekom, ist also quasi eine Inhouse-Lösung.
Nassauer: Wir erwarten, dass Programmatic im Media-Mix weiter ansteigen wird. Es wird Verschiebungen aus klassischen Kanälen geben, die wir irgendwann automatisiert über die Plattform des Loses C einkaufen können. Vor diesem Hintergrund war das eine strategische Entscheidung. Dass die Wahl für diesen Bereich auf die Telekom-Tochter emetriq gefallen ist, hat uns aus Konzernsicht natürlich gefreut. Es hätte aber ebenso gut ein Dienstleister außerhalb der Telekom-Gruppe sein können.
Sowohl der bisherige Etathalter für den Bereich Kampagnenplanung und Mediaeinkauf, Mediacom, als auch der neue Etathalter, Mindshare gehören zur GroupM. War das also eine Konditionen-Entscheidung?
Hahn: Nein, es ging nicht nur um Konditionen. Mindshare hat im gesamten Paket überzeugt. Dass wir innerhalb der GroupM geblieben sind, hat einen reibungsfreien Übergang ermöglicht.
Im Bereich Media Analytics arbeiten Sie künftig mit Neustar und Objective Partners zusammen. Sind das überraschende Lösungen?
Hahn: Innerhalb der Ausschreibung sind wir einem klar strukturierten Prozess gefolgt. Wir haben uns fast ein Jahr lang in verschiedenen Phasen mit der Auswahl der Partneragenturen beschäftigt. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse führen zum jetzigen Bild und lassen keine Überraschungen zu.
Arbeiten Neustar und Objective Partners bei allen Aufgaben zusammen oder verteilen Sie die Aufgaben?
Nassauer: Grundsätzlich sind die Landesgesellschaften flexibel. Sie können je nach Leistungsumfang einen der beiden Partner auswählen. In Deutschland werden wir beispielsweise mit Neustar / Marketshare zusammenarbeiten. Die Holländischen Kollegen arbeiten weiterhin mit Objective Partners.
Intern verwenden Sie für das neue Media-Modell den Namen Tetris. Wer ist darauf gekommen?
Hahn: Der Name entstand in der Projektgruppe und dient seitdem als interner Projekttitel. Den Vergleich mit dem Computerspiel-Klassiker Tetris fanden wir außerordentlich treffend. Schließlich kommt es darauf an, wie die vielen einzelnen Formen oder Bestandteile vernünftig zu einem Gesamtwerk passend zusammenkommen. "Tetris" klingt griffiger als "das neue Media-Modell". Ein interner Projekttitel fördert oftmals das Verständnis innerhalb eines Konzerns und verbessert das Miteinander.
Media-Strategie und –Steuerung erfolgen inhouse. Warum eigentlich?
Hahn: Wenn man ein Geschäft beherrschen will, in dem viel Geld steckt, sollte man wissen, was man tut. Wir wollen weitestgehend unabhängig agieren. Wir haben unser Media-Geschäft in fünf Lose aufgeteilt, die wir steuern werden. Hierbei ist es wichtig den Überblick zu behalten. Themen wie Datentransparenz und Datenhoheit stehen im Fokus. Hier wollen wir im Drivers Seat sitzen und nicht delegieren.
Man kann das auch als Misstrauensvotum gegenüber Mediaagenturen verstehen.
Hahn: Das hat nichts mit Vertrauen oder Misstrauen zu tun, sondern mit Verantwortung, die wir als Unternehmen selber übernehmen und tragen müssen. Wenn ich mein Pferd selber reite, heißt das nicht, dass ich anderen nicht zutraue, reiten zu können. Aber wir werden unser Pferd eben selber reiten.
Was heißt das konkret?
Nassauer: Das Modell ist jetzt europaweit institutionalisiert und befindet sich je nach Reifegrad der Märkte im Rollout. Konkret mal aus der deutschen Perspektive gesehen: Auf der Geschäftsfeldebene wissen alle Bescheid. Es ist nicht mehr die Agentur, die alles für mich macht. Ich bin selbst in der Verantwortung. Jedes Geschäftsfeld ist ein A1er und muss selbst aktiv werden. Deshalb ist die Frage weniger "Wie funktioniert das Modell?" – sondern eher: "Wie steuern wir die Schnittstellen zwischen den Gewerken sauber an?" Schließlich geben wir mehr Verantwortung in die einzelnen Fachbereiche.
Hahn: Wir orchestrieren das – mit klaren Verantwortlichkeiten. Das bringt mehr Disziplin. Jedem wird jetzt klar, wie die Zusammenarbeit verbessert werden kann.
Nassauer: Wir als Media-Abteilung haben mit unseren Marketing-Kollegen bereits mit dem Marketing-Mix-Modell gearbeitet. Die operative Umsetzung erfolgte durch die Agentur. Wir hatten als Ergänzung einen zweiten, neutralen Dienstleister für die Analytik beauftragt. Der Vertriebsbereich wiederum hatte bereits mit dem Attributionsmodell gearbeitet. Wir hatten also im Prinzip parallel drei Anbieter. Im neuen Modell haben wir das aufgelöst. Wir haben einen Dienstleister gefunden, der das Marketing-Mix- und das Attributionsmodell aus einer Hand anbieten kann. Zudem sitzt dieser Dienstleister nicht bei der Agentur. Er wird also nicht von ihr beauftragt, sondern direkt von uns.
Ihr Mediageschäft ist also wie eine Pflanze, die Sie stutzen, um die Kraft in die Haupttriebe zu bringen?
Hahn: Um in Ihrer Sprache zu bleiben: Wir vermeiden jedenfalls, dass irgendwelche Gärtner irgendwie an dieser Pflanze rumschnippeln. Wir sind jetzt in einer Position, von der aus klar ist, welcher Gärtner was macht.
Nassauer: Wir sprechen hier über fünf Gewerke mit fünf starken Einzelinteressen. Wenn wir über Transparenz sprechen, gilt doch: Man kann als Kunde nicht ständig Transparenz fordern, wenn man nicht selbst transparent ist. Oftmals scheitert diese Transparenz jedoch an der eigenen Bequemlichkeit. Im ersten Schritt macht es mehr Arbeit, weil wir in der Steuerungsfunktion fünf Blumen gießen müssen und nicht nur eine.
Sie haben gesagt, sie wollen die "Schnittstellen zwischen den Gewerken sauber ansteuern". Was meinen Sie damit?
Nassauer: Um es mal plakativ darzustellen: Früher schrieb man ein Briefing, gab das dem Agentur Key Account des jeweiligen Geschäftsfelds, und der hat sich intern in seiner Agenturgruppe um alles gekümmert. Nach zwei bis drei Wochen kam die Agentur mit einer Lösung. Die wurde dann aus der Agenturempfehlung heraus und je nach Wissen und Expertise des Beauftragenden so umgesetzt. Heute lädt man aus dem Bereich A1 heraus alle Parteien zu einem Briefing-Kickoff ein. Der Bereich Analytics liefert in diesem Rahmen entsprechende Daten zu definierten Ziel-KPIs. Parallel steuert Los C Informationen aus Segmentierungen zur Marketingzielgruppe bei. Das sind erste datengetriebene Grundlagen für A1 und damit Input für die Mediaagentur. Diese übernimmt die strategischen Vorüberlegungen und operationalisiert diese mit ihren Media-Tools und auf Basis der Markt-Media-Studien. A1 kann nun mit Blick auf interne Rahmenbedingungen daraus eine Planung freigeben. Dieses frühzeitige Zusammenspiel der Lot-Partner ermöglicht einen strategisch zielführenden Dialog gleich zu Beginn einer Kampagnenplanung. Das meine ich, wenn ich davon spreche, Schnittstellen zu managen. Der Output wird ein deutlich höherer sein oder media neutral, wenn man die Leistung dann wirklich auf die Straße bringt.
Hahn: Nehmen wir die Bereiche Marketing und Vertrieb. Jeder hatte die neuen digitalen Möglichkeiten für seinen Bereich genutzt. Dann hat man irgendwann festgestellt, dass man mehr Kraft entwickeln kann, wenn man zum Beispiel eine Marketingkampagne mit einer Performancekampagne verzahnt. Dafür muss man sich aber von vornherein zusammensetzen.
Nassauer: Als beide Abteilungen das Commitment gegeben haben, gemeinsam an dem Modell zu arbeiten, hatte das auch eine didaktische Komponente nach innen. Man kann das neue Media-Model nicht alleine aus dem Marketing heraus stemmen. Wir haben jetzt ein viel besseres Verständnis füreinander und arbeiten besser zusammen.
Hat das Thema Datenschutz bei Ihrer Entscheidung, die Strategie und die Steuerung inhouse zu machen, eine große Rolle gespielt?
Hahn: Datenschutz war definitiv ein Thema, auch mit Blick auf die kommende Datenschutzgrundverordnung. Hier stellt sich die Frage, was das politische Europa am Ende des Tages verabschieden wird und was das dann für die Branche bedeutet.
Nassauer: Es hat uns Mühe und Zeit gekostet, unsere internen Ressourcen vernünftig aufzustellen. Schließlich glauben wir nicht nur, aber auch an datengetriebenes Marketing, also Analytics. In diesem Bereich wollen wir selbst mit unseren Daten arbeiten. Von generischen Daten bis zu internen Daten über Parameter wie Absatz und Kunde. Damit wollen wir ein neues Mediasteuerungsmodell aufsetzen. Die eigenen Daten einem Dritten, also einer Agentur, zu übermitteln, ist zu riskant. Dann könnten wir keine definitive Kontrolle darüber haben, wie die Daten geschützt würden.
Hat Ihr neues Media-Modell eine Vorbildwirkung für andere Unternehmen?
Hahn: Ja, ich glaube schon. Das Interesse aus der Branche ist groß. Das ist auch naheliegend. Schließlich stehen wir alle vor der gleichen Herausforderung, die sich für unser Geschäft aus der Digitalisierung ergibt.
Sollten auch mittelständische Unternehmen stärker strategisch arbeiten?
Hahn: Ich glaube, dass in manchen Unternehmen die strategische Herangehensweise an das Media-Geschäft ausbaufähig ist. Viele glauben: Das wird die Agentur schon richten. Das ist der falsche Weg. Man muss wissen, was man tut.
Haben Sie personell aufgestockt?
Hahn: Ja, das haben wir.
Wieviel Budget sparen Sie durch das neue Modell?
Hahn: Das Modell ist kein Streichprogramm. Wir wollen besser werden. Wenn die Media-Leistung transparenter und effektiver wird, sind wir letztlich natürlich auch effizienter.