VPRT/Radiogipfel:
Medientage München: Das muss sich rund ums Radio tun
Radio ist beliebt und wird viele digitale Wege nutzen. Auf den Medientagen München warnte der VPRT davor, dass die ARD auch digital zu mächtig werden könnte. Andere Panels hoben vor allem die notwendigen Veränderungen des Hörfunks hervor.
Die Zukunft ist auch im Radio digital. Während die Politik vor allem auf den Übertragungsweg DAB+ setzt, nutzt der Hörer neben UKW zunehmend das Internet, um Radio zu hören – so ein Tenor der verschiedenen Veranstaltungen rund um das Medium Hörfunk auf den Medientagen München. Auf dem Panel "Die Radio-Agenda: Smart und im Ohr - Die Radio-Zukunft", forderte der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) deshalb zuallererst auch ein Ende der UKW-Abschaltdebatte. Die analoge Antenne sei zu 90 Prozent bei allen Privatsendern über lange Zeit das Geschäftsmodell, erklärte Kai Fischer, Geschäftsführer Hit-Radio Antenne in Niedersachsen.
Trotzdem geht es auch beim Hörfunk künftig um die Auffindbarkeit auf digitalen Plattformen. Der VPRT hielt fest: "Die digitale Zukunft des Radios wird nicht auf einen Übertragungsweg zu reduzieren sein." Der Fachbereichsvorsitzende Audio, Radio-Regenbogen-Chef Klaus Schunk, forderte daher aus Sicht des VPRT ein, die Diskussion über die Auffindbarkeit auf mobilen Endgeräten vorantreiben, etwa mit einem technologieneutralen Multi-Chip, der neben UKW und DAB+ auch Internet enthalte.
Kristian Kropp, Geschäftsführer BigFM formulierte in seiner Keynote zum VPRT-Panel sieben Thesen, um Radio fit für die Zukunft zu machen. Zum einen müssten Radioinhalte im Netz durch Suchmaschinen auffindbar sein. Auch das Teilen der Inhalte spiele zunehmend eine Rolle. Die Konsequenz sei eine notwendige „Visualisierung des Radios“, wie Kropp forderte. Nur so könne Radio im Netz den Gegebenheiten von Suchmaschinen entsprechen und mit anderen Medien konkurrieren. Nach wie vor bleibe aber der USP des Mediums der Moderator, so der Radiomacher. Hier gelte es noch stärker an der Personalisierung zu arbeiten. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Informationsflut, reduziere sich das Interesse auf den Menschen. Zudem steige die Lust am Selbermachen, wie zahlreiche Youtube-Videos belegten. „Radio muss deshalb User-generierte Inhalte senden und dafür Umfelder schaffen“, forderte Kropp. Schließlich gewinne Aggregation an Bedeutung. Plattformen wie der geplante Radioplayer, der 140 private Radioprogramme bündelt, seien ein erster Schritt in diese Richtung. Der Aggregator könnte zum Jahresende starten.
Vor allem die starke Radio-Dominanz der öffentlich-rechtlichen ARD, die nach UKW aus Sicht der Privaten nun auch digitale Wege und das Netz betrifft, war Thema. Studio-Gong-Chef Philipp von Martius betonte mit Blick auf die geplante UKW-Aufschaltung für BR Puls, dass damit umfassende Einnahmereduzierungen und ein eklatanter Wettbewerbsnachteil für die privaten Radios in Bayern verbunden seien, die sich zum größten Teil über UKW finanzierten. Das sei "existenzgefährdend". Der Gesellschafter und Vermarkter zahlreicher weiß-blauer Lokalsender kündigte an, dass die privaten Anbieter sich deshalb "über den Klageweg zur Wehr setzen werden".
Helwin Lesch, Hauptabteilungsleiter Planung und Technik des Bayerischen Rundfunks, verwies lieber auf die gemeinsamen Interessen von privaten und öffentlich-rechtlichen Hörfunkanbietern als Gattung im Hinblick auf die Herausforderungen der Digitalisierung. Dies gelte beispielsweise für die Verbreitung auf neuen Plattformen. Er appellierte deshalb für mehr Miteinander und weniger Gegeneinander. Hinsichtlich der Digitalisierungsstrategie setzte er sich dafür ein, nicht alle digitalen Verbreitungswege gleichermaßen zu forcieren, sondern sich zu fokussieren. Nur so sei eine erfolgreiche Digitalisierung angesichts der Ressourcen des Radios möglich. Der Chef der Medienanstalt LPR Hessen, Joachim Becker unterstrich, dass das Radio sich bemühen müsse, auch digital verbreitet zu werden. Mit Blick auf die öffentlich-rechtliche Frequenzpolitik unterstützte er die Kritik des VPRT.
Der digitalen Zukunft unter dem Motto „Smart, mobile, social – Das neue Radiozeitalter“ galt auch der Radiogipfel. Stichwort Social Media: „Social Media sei der Rauch, um das Feuer zu finden“, sagte Ina Tenz, Programmdirektorin Radio ffn. Das soziale Netz helfe dem Sender authentisch zu sein. Gleichzeitig dient es auch als Promotiontool. Dennoch sei Social Media Fluch und Segen zugleich, denn Facebook und Co. buhlen genauso um die Aufmerksamkeit der jungen Hörer wie die Sender. Hier könne aber der Wettbewerbsvorteil des Radios zum Tragen kommen. Und das seien die Menschen hinter dem Mikro. Stichwort Personalisierung: Deshalb sei es wichtig, die entsprechenden Talente zubinden und nicht an junge Start-ups zu verlieren, so die ffn-Managerin.
Stichwort Mobile: Bilder gewinnen im Hörfunk besonders für Apps an Bedeutung. Dabei gehe es nicht darum, das gesamte Programm abzubilden, sondern nur teilvisuell. Das heißt besonderen Konzerte oder Interviews punktuell zu zeigen. Hier kündigte Martin Kunze, Programmdirektor Antenne Bayern, an, mit einem „großen Schub“ in die digitale Mobile-Welt aufzubrechen. Unter anderem wäre es sinnvoll einen eigenen Social-Media-Moderator einzusetzen. Der Altersschere zwischen den jungen Hörern ab 14 bis zu den älteren über 50 Jahren will Antenne Bayern mit einem Generation-Desk begegnen. Große Themen sollen künftig von Jung- und Altredakteuren gemeinsam bearbeitet werden, um die entscheidenden Aspekte aus verschiedenen Blickwinkeln aufzubereiten. Ein Vorstoß, um junge Hörer zu binden.
Damit ist Antenne Bayern auf dem richtigen Weg, denn Radionutzung über Mobile nimmt zu. So eines der Ergebnisse des Webradiomonitors 2014, den Goldmedia im Auftrag der Münchner Medienanstalt BLM und des BVDW erstellt hat. Demnach hören 44 Prozent bis 2016 Radio über mobile Devices. Die Vielfalt der digitalen Plattformen für Hörfunk macht Radio auch für Werbekunden noch interessanter. Bis 2015 sollen die Brutto-Investitionen für Online-Audio-Werbung auf 135 Millionen Euro wachsen. 2014 lagen die Werbumsätze noch bei 91 Millionen Euro.
Der Weg für Online-Audio scheint geebnet. Nicht zuletzt dank der Leistungswerte der MA IP Audio, die seit Anfang dieses Jahres die technischen Reichweiten erhebt. Zwar sei die Forschungs-und Experimentierbereitschaft der Kunden in diesem Feld noch zu gering, meint Michael Enzenauer, Geschäftsführer des Vermarkters k2 mediasales. Aber die Anstrengungen in Richtung Konvergenzwährung werden weiter Überzeugungsarbeit leisten. 2015 soll es dann tatsächlich soweit sein, verspricht Henriette Hoffmann, RMS-Marktforscherin, dann auch. Aktuell würde eine Personenbefragung in Ergänzung zu der rein technischen Messung aufgestellt. Im kommenden Jahr soll dann die Radiokonvergenzwährung auf drei Säulen stehen: auf der MA Radio, der MA IP Audio und der zusätzlichen Webradiostudie. „In Zukunft haben wir eine MA Audio“, so Hoffmann. Die MA Radio soll nicht ersetzt werden, sondern Teil der Zukunft sein.
ko/ps