Mascolo und Blumencron:
Kommentar: Drei Erkenntnisse aus dem "Spiegel"-Desaster
Zementierte Printdominanz, PR-Gau, Patriarchat: Warum die Führungskrise beim "Spiegel" tief blicken lässt. Ein Kommentar von Petra Schwegler.
Ohne Grabenkämpfe geht es wohl nicht an der Spitze des wichtigen deutschen Nachrichtenmagazins "Spiegel". Erneut steht der Hamburger Verlag vor einem redaktionellen Neuanfang – wie ihn eigentlich das jetzt geschasste Duo Georg Mascolo und Mathias Müller von Blumencron ab 2008 in der Ära nach Stefan Aust hätte einleiten sollen. Es können aber wichtige Lehren aus dem Eklat an der "Spiegel"-Spitze gezogen werden:
Print soll nicht Online dominieren
Die Doppelspitze muss gehen, ein neuer Boss muss her. Darüber entscheiden die Gesellschafter, die beim "Spiegel" zu 50,5 Prozent "Mitarbeiter KG" heißen. Kollege Kai-Hinrich Renner, in der Sache bestens informiert, bedauert in der "Welt" gleich mal, dass sich die Suche wohl wieder schwierig gestalten werde. Denn: Nur den Printredakteuren des "Spiegels" gehört mehr als die Hälfte am Hamburger Unternehmen. Nicht aber den Kollegen von Spiegel Online und Spiegel TV; sie sind bei Tochterfirmen angestellt. So entscheidet einzig die Zeitschriftenbelegschaft, wer beim "Spiegel" künftig über Print UND Online regieren wird. Einem von Magazinredakteuren unterstützter Kandidat soll der große Wurf im Digitalgeschäft gelingen? Der misslungene Versuch kostete ja das Duo Mascolo/Müller von Blumencron schon den Job. Fortschritt müsste im Jahr 2013 anders aussehen!
Qualitätsjournalismus und gute Eigen-PR schließen einander aus
Ebenso wie beim "Handelsblatt", das vor einigen Wochen reichlich ungeschickt Umbauten und Entlassungen schönzuschreiben versuchte, hat sich das "Spiegel"-Management bei der Kommunikation zur Abberufung von Mascolo und Müller von Blumencron nicht mit Ruhm bekleckert. Das Dementi des Hauses nach den ersten Enthüllungen hielt genau ein Wochenende lang - bis Montagvormittag. Dann ließ Spiegel-Verlag-Chef Ove Saffe die Redaktion wissen, es sei auf Gesellschafterseite noch nichts entschieden, aber alle Optionen seien offen. Bis Dienstagvormittag ließen sich Gesellschafter und Geschäftsführung Zeit, um offiziell zu machen, was die Branche längst als bare Münze erkannt hatte: Der "Spiegel" brauchte einmal mehr eine neue redaktionelle Spitze.
Wer soll da noch einem Dementi aus der Chefetage glauben? Wenn gar im Nachgang eine Dolchstoßlegende die Runde macht, sollte sich ein namhaftes Unternehmen wie der Spiegel Verlag ernste Gedanken um die Qualität seiner Kommunikation machen. Schade, dass ein Magazin durch schlechten Führungsstil gerade jetzt für negative Schlagzeilen sorgt, wo es angesichts sinkender Auflagenzahlen und ohne Digitalstrategie eigentlich all seine Kraft in die Marke investieren müsste.
Der "Spiegel" bleibt dem Patriarchat treu
Da hätte das Haus nun erneut die Chance, einen echten Neuanfang zu wagen. Selbst wenn der Favorit auf den Chefposten dpa-Chefredakteur Wolfgang Büchner ist und für qualitativen und meinungsstarken Journalismus stehen mag: Warum wird keine einzige Frau als ERNSTHAFTE Kandidatin gehandelt? Der Journalistinnen-Verbund ProQuote plädiert nicht ohne Grund dafür, dass der "Spiegel" mit der Wahl einer vortrefflichen Chefredakteurin "gesellschaftlich" vorangehen könnte. Glaubt man den Kritikern des Magazins, hat der "Spiegel" seine Meinungsführung ohnehin in den vergangenen Jahren abgegeben. Vielleicht hilft da eine taffe Frau an der Spitze. Sollten sich die Gesellschafter inspirieren lassen wollen: Bei ProQuote sind ein paar sehr fähige Kolleginnen vertreten.