Weil das Heft dünn geworden ist. Nicht nur in der Seitenzahl. Dafür ist das PR-Maul größer geworden. Das haben wir Leser natürlich bemerkt. Da darf sich die Redaktion nicht wundern, wenn wir Stattler und Waldorfs jetzt im Social Web eine hämische Soße an Sarkasmus anrühren. Früher hatte ich den "Spiegel" jeden Montag drei Stunden auf dem Bistrotisch und hatte alles Wichtige gelesen. Heute kaufe ich ihn nicht mehr. Auch aus Prinzip, weil er die Wechselkurs-Anpassungen zum Franken nicht mitgemacht hat und die Schweizer abzockt.

Haben sich "atmosphärische" Spannungen, wie sie zwischen Georg Mascolo und Mathias Müller von Blumencron stets vermutet worden sind, auf Konzept und Qualität der Medienmarke ausgewirkt?

Klar. Es gibt ja zwei "Spiegels". Der eine wird auf Papier gedruckt, der andere auf den Bildschirm. Synergien kann ich nur beim Logo erkennen. Früher war der gedruckte "Spiegel" pointierter, kritischer, frecher. Und hatte mehr gute Ideen. Heute läuft der Schreiber der ständigen Burnout-Titel ja Gefahr, dass er selbst einen kriegt. So viel, wie er zu tun hat.

Würde es aus Ihrer Sicht Sinn machen, wenn beim "Spiegel" die Doppelspitze aufgelöst und künftig nur noch ein Chefredakteur Print und Online verantworten würde?

Ja. Dann gäbe es endlich einen Fähnleinführer. Und der kann dann den Pfad durch den Info-Dschungel weisen. Man stelle sich nur mal vor, das Kriegsbeil der beiden Redaktionen würde in der Bleiwüste vergraben! Was könnte "Spiegel online" dann alles machen. Und das Heft käme vielleicht auf frische Einfälle. Aber für einen Print-Mann ist es wahrscheinlich ein Albtraum, wenn seine Story online mit News weitergeführt würde. Nichts für selbsternannte Edelfedern.

Die letzte Suche nach einer neuen Spitze beim "Spiegel" nach der Demission von Stefan Aust verlief dilettantisch und endete mit einer internen Besetzung, die nun offensichtlich auch nicht funktioniert hat. Wo und wie würden Sie einen neuen Chefredakteur suchen?

Ich würde dem "Spiegel" meine Telefonnummer geben (lacht) ...

Sie haben vor wenigen Wochen den Neustart des Gruner-Flaggschiffs "Stern" recht kritisch begleitet, viele Fehler bemängelt und den Relaunch in dieser Form als überflüssig eingestuft. Könnte auch der "Spiegel" in eine solche Falle tappen?

Ja, und wohl billiger. Aber statt den üblichen Kladderadatsch in ein neues Tütchen zu stecken und ein rosa Schleifchen drumzumachen, sollte er sich selbst den Spiegel vorhalten. Wenn die Kollegen lange genug hineinschauen, erkennen sie vielleicht, was zu tun wäre. Gut wäre noch, wenn sie sich vorher ein paar alte Exemplare aus den 70er-Jahren aus dem Keller holen lassen.


Autor: Petra Schwegler

Die @Schweglerin der W&V. Schreibt seit mehr als 20 Jahren in Print und Online über Medien - inzwischen auch jede Menge über Digitales. Lebt im Mangfalltal, arbeitet in München.