Gegen SPD-Willen:
120 Stellen weg: WAZ schließt Redaktion der "Westfälischen Rundschau"
Die WAZ Mediengruppe streicht bei der defizitären "Westfälischen Rundschau" (WR) 120 Stellen. Gesellschafter ddvg wusste nichts davon...
Die Printkrise zieht immer weitere Kreise: Die WAZ Mediengruppe streicht bei der defizitären "Westfälischen Rundschau" (WR) 120 Stellen. Die "WR"-Redaktion werde geschlossen, für die Mitarbeiter gelte ein Sozialplan. Das teilt die WAZ-Gruppe am Dienstag in Essen mit. Laut "dpa" sind die Betroffenen bei einer Mitarbeiterversammlung informiert worden. Den Titel "Westfälische Rundschau" will der Verlag erhalten und kauft dafür lokale Inhalte von drei konkurrierenden Verlagen ein. Die Tageszeitung ist einer der vier NRW-Titel der WAZ-Gruppe und verkauft täglich 115.000 Exemplare. Die "WR" wurde wie die anderen WAZ-Titel erst Ende 2012 relauncht.Doch von 50 Millionen Euro Defizit seit 2008 ist die Rede. Die klassischen Sanierungsmaßnahmen wie Marketing und Investitionen seien ausgeschöpft gewesen, beteuern WAZ-Lenker Christian Nienhaus und seine Kollegen Manfred Braun und Thomas Ziegler. Es habe keinen Sinn mehr, Millionen in ein Blatt zu stecken, das fast in seinem ganzen Verbreitungsgebiet eine oder zwei größere Konkurrenzzeitungen hat. So ensteht nun eine Zeitung ohne Redaktion.
Erzürnt ist über den Schritt der 13,1–Prozent-Gesellschafter ddvg, die SPD-Medienholding; sie sei in die Entscheidung zur "WR“ nicht einbezogen worden, heißt es in einer Mitteilung. "Die Entscheidung der WAZ ist nicht plausibel nachvollziehbar und erweckt den Eindruck einer seelenlosen Redaktionsklempnerei", erklärt SPD-Schatzmeisterin Barbara Hendricks. "Auch ich als Generaltreuhänderin des Beteiligungsbesitzes der SPD erkläre hiermit, dass die Entscheidungen der WAZ gegen und ohne uns gefallen sind." Die ddvg sei Ende November 2012 erstmals und sehr rudimentär darüber informiert worden, dass Einschnitte bei der WR durch die WAZ geplant sind. Trotz mehrfacher Nachfragen seien der SPD keine näheren Informationen hierzu übermittelt worden. Weiter heißt es: "Auf einer daraufhin von uns initiierten Gesellschafterversammlung am 27. Dezember 2012 haben wir ausdrücklich gegen einen Beschlussvorschlag der WAZ gestimmt, der der Geschäftsführung der WAZ freie Hand gegen geben sollte.“ Die ddvg droht: „Durch das einseitige Vorpreschen der WAZ ist jetzt eine gesellschaftsrechtlich äußerst schwierige Situation entstanden. Wir werden rechtlich prüfen, wie wir damit umgehen. Klar ist schon jetzt, dass das Vertrauensverhältnis zum Mehrheitsgesellschafter zerrüttet ist.“
Die Gewerkschaften Verdi und Deutscher Journalisten-Verband DJV und die NRW-Landesregierung kritisieren die WAZ-Entscheidung ebenfalls. "Hier wird die Medienkrise für einen weiteren Kahlschlag in der nordrhein-westfälischen Medienszene benutzt", sagt der DJV-NRW-Vorsitzende Helmut Dahlmann. NRW-Medienministerin Angelica Schwall-Düren (SPD) und Verdi monieren, dass Zeitungsvielfalt verloren gehe.
Darüber, dass der WAZ-Konzern und vor allem die "WR" vor einer neuen drastischen Sparrunde steht, hat der W&V-Schwestertitel "Kontakter" bereits Anfang Dezember berichtet. Die Mediengruppe hatte erst vor drei Jahren einen schmerzhaften Umbau vollzogen und rund 300 Redakteursstellen gestrichen. Die überregionale Berichterstattung der vier nordrhein-westfälischen Zeitungen wird seitdem von einer Zentralredaktion in Essen gesteuert.
In der WAZ-Gruppe erscheinen in Nordrhein-Westfalen die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" (WAZ), die "Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung" (NRZ), die "Westfalenpost" und die "WR" mit einer verkauften Auflage von 700 000. Den "WR"-Mantel liefert die Zentralredaktion der WAZ-Gruppe, lokale Inhalte kommen ab Februar laut Mitteilung von der WAZ-eigenen "Westfalenpost" sowie von den "Ruhr Nachrichten", dem "Hellweger Anzeiger" und vom Märkischen Zeitungsverlag (Lüdenscheid).
Die ddvg ist, zusammen mit dem Kölner Medienhaus M. DuMont Schauberg, auch Miteigentümerin der "Frankfurter Rundschau", die im November Insolvenz angemeldet hat.