Mehr Lokales: WAZ-Gruppe baut NRW-Blätter um
Relaunch bei "WAZ", "NRZ", "Westfälische Rundschau", "Westfalenpost": Manfred Braun trimmt die NRW-Zeitungen der WAZ-Gruppe auf Lokal-Kurs - und kassiert zumindest Teile des großen Redaktionsumbaus vor drei Jahren.
Die Essener WAZ-Mediengruppe hat ihre vier nordrhein-westfälischen Tageszeitungen gründlich relauncht. Seit Ende Juli erscheinen das Flaggschiff "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" und deren Schwesterzeitungen "NRZ", "Westfälische Rundschau" und "Westfalenpost" mit einer neuen Buchstruktur. Kernstück der Reform ist die prominentere Präsentation von lokalen Themen. Der Lokalteil aller WAZ-Blätter ist aufgewertet und ins zweite Buch vorgezogen worden. Der vierfache Relaunch ist Teil der von Geschäftsführer Manfred Braun ausgerufenen Lokaloffensive. Braun ist seit März an oberster Stelle des Essener Zeitungskonzerns unter anderem für die NRW-Redaktionen zuständig.
Bereits vor 15 Monaten hatte Braun, der bei der WAZ-Gruppe auch für das Zeitschriftengeschäft zuständig ist, in Leserbefragungen die Zufriedenheit der Leser mit ihren nordrhein-westfälischen WAZ-Zeitungen testen lassen. Ergebnis: "Wir waren oft nicht nah genug am Leser und haben uns nicht deutlich genug am Lokalen orientiert". In einem monatelangen Prozess ließ Braun die Verantwortlichen Lösungen erarbeiten. Erstes sichtbares Resultat ist nun die für alle NRW-Blätter gleiche Blattstruktur: Nach dem Mantel folgt das Lokal-Buch. Neu ist hier unter anderem eine Bürger-Seite. Hier wollen "WAZ" und Co. künftig der Leserschaft ein Forum bieten. Das dritte Buch bildet der Sportteil mit einem stärkeren Akzent auf lokalen Leibesübungen. Das vierte Buch ist ein um Freizeit-Themen erweiterter Kulturteil.
Brauns Lokal-Offensive ist bemerkenswert. Denn erst vor drei Jahren hatte die WAZ-Gruppe in einem schmerzhaften Sparkurs über 300 Redakteure entlassen. Einige Lokalredaktionen wurden geschlossen und in Essen ein zentrales Content-Desk für alle vier NRW-Titel geschaffen. Die regionale Berichterstattung wurde seitdem in fünf regionalen Newsdesks gesteuert. Braun korrigiert die Struktur nun wie angekündigt mit mehr Präsenz vor Ort: Mehrere Redakteure sind aus der Essener Zentrale und den Regiodesks abgezogen worden, um wieder in einer Lokalredaktion zu arbeiten.
Als Rolle rückwärts will Braun seine Lokalreform allerdings nicht verstanden wissen. "Das Content-Desk ist nach wie vor sinnvoll und war nie eine Abkehr vom Lokalen", betont Braun. "Es ist nach wie vor richtig, dass nicht jeder Titel eigene Reporter zu den Olympischen Spielen nach London schickt". Trotzdem will er die "Präsenz vor Ort" stärken. Falls notwendig, schließt er auch die Schaffung von neuen Redakteursstellen nicht aus. "Ich werde sparsam sein, aber an diesem wichtigen Punkt sicher am wenigsten." Den Relaunch der vier Blätter sieht Braun nur "als ersten Schritt". Mittelfristig wünscht sich der Geschäftsführer in den Regionalzeitungen "mehr neue und kreative Erzählformen". "Die reine Nachricht ist längst nicht mehr unser Hauptgeschäft", sagt Braun. "Wir müssen zu neuen Erzählformen kommen." Im Mittelpunkt müssten "mehr Einordnung und Service" stehen.
Den neuen Kurs zu mehr lokaler Identität hatte Braun bereits im Mai im dem Umbau des Online-Portals DerWesten eingeleitet. Die 2007 mit viel Aufwand gegründete Online-Dachmarke der nordrheinwestfälischen Regionalzeitungen ist dort als solche kaum noch sichtbar. Seit Frühjahr stehen im Netz wieder die Tageszeitungsmarken im Vordergrund.