Spiegel Verlag:
Umbau und harter Sparkurs beim "Spiegel"
Neue Produkte, deutliche Einschnitte - der Spiegel-Verlag wird radikal umgebaut. Damit will Geschäftsführer Thomas Hass das Unternehmen davor bewahren, in die roten Zahlen zu rutschen. Auch eine Zusammenlegung der Vermarktung mit dem Zeitschriftenhaus Gruner + Jahr schloss er nicht aus.
Jetzt trifft es auch den Spiegel-Verlag. Jahrelang galt das von Rudolf Augstein gegründete Medienhaus als ein Fels in der zunehmend rauer gewordenen See des deutschen Verlagswesens. Doch die Anzeigenkrise beim "Spiegel" macht dem Traditionsverlag schwer zu schaffen. Nun steuert Verlagschef Thomas Hass beherzt dagegen: Er will mit neuen Produkten, digitalen Erlösmodellen sowie einem harten Sparkurs verhindern, dass das Printhaus in die roten Zahlen abrutscht und dadurch mittelfristig seine publizistische Unabhängigkeit verliert. Erstmals in der Geschichte droht dem Spiegel-Verlag ein Stellenabbau. Bislang war nur Spiegel-TV von Personalmaßnahmen betroffen. Bis 2017 soll das Wachstums-und Sparprogramm greifen.
Gemeinsam mit den Chefredakteuren Klaus Brinkbäumer und Florian Harms plant Hass, 15 Projekte aufzusetzen. Dazu gehören unter anderem eine digitale Abendzeitung, eine Bezahlschranke sowie ein Innovationslab, das Ideen für neue Produkte hervorbringen soll. Vor allem auf eine digitale Abendzeitung setzt Brinkbäumer große Hoffung. Sie könnte möglicherweise in deutscher und englischer Sprache erscheinen. In die neuen Projekte will Thomas Hass einen mittleren einstelligen Millionenbetrag investieren. In die gut gefüllte Kriegskasse beabsichtigt der Geschäftsführer nicht zu greifen.
Um die Erlösseite zu verbessern, will Brinkbäumer noch in diesem Jahr die Bezahlschranke bei Spiegel Online senken. Wie die geplante Paywall aber am Ende aussieht, ließ Brinkbäumer offen. Vor das Webportal solle aber kein Vorhängeschloss gehängt werden, um die Klickraten und damit die Werbeerlöse nicht zu gefährden. Auch die Spiegel-App sowie Spiegel Online International sollen moderner werden. In die geplanten Projekte sind alle Redaktionen, die Dokumentation sowie Verlagsabteilungen eingebunden. „Wir werden unsere Kernprodukte weiterentwickeln, neue digitale Angebote auf den Markt bringen und neue Wege zu unseren Lesern und Nutzern erschließen“, erklärt Hass.
Sanfte Korrekturen beim Printprodukt nimmt Brinkbäumer mit der nächsten Ausgabe am 20. Juni vor. Künftig stellt er die "Spiegel"-Titelgeschichten an den Anfang des Heftes, um den Lesern den Einstieg in das unter Auflagenrückgängen leidende Printheft zu erleichtern. Ein weiteres großes Schwerpunkt-Thema soll zudem das Nachrichtenmagazin noch attraktiver machen. Leserbriefe würden hingegen an das Heftende geschoben. Unter den Artikeln stünden künftig Mailadressen, um den Leser enger in Kontakt zu treten.
Die geplanten Vorhaben reichen aber offenbar nicht aus, um die Ertragslage des mittelständisch geprägten Medienhauses nachhaltig zu verbessern. Hass tritt daher bei den Sach- und Personalkosten kräftig auf die Kostenbremse. Der Geschäftsführer plant, dauerhaft eine Summe von 15 Millionen Euro einzusparen. Wie viel von diesem Betrag auf Sach- und Personalkosten entfallen, will er nicht sagen. Klar ist aber, dass wohl ein Stellenabbau im Raum steht, um das anvisierte Sparziel umzusetzen. Betriebsbedingte Kündigungen schließt Hass nicht aus. Auch die Redaktionen könnten von Personalmaßnahmen betroffen sein. Eine Möglichkeit sei aber auch, dass die Belegschaft insgesamt auf einen Teil ihres Gehaltes verzichtet, um Kündigungen zu vermeiden. Alle Optionen würden mit dem Betriebsrat besprochen, heißt es. Das Unternehmen beschäftigt mehr als 1100 Mitarbeiter.
Gleichzeitig beabsichtigt Verlagschef Hass, die gesamte Organisationsstruktur neu auszurichten. So sollen Bereiche zusammengelegt und Tätigkeiten ausgelagert werden, heißt es. Hierbei seien viele Optionen denkbar. Dabei schließt der Spiegel-Chef nicht aus, dass auch die Vermarktung mit dem Hamburger Zeitschriftenhaus Gruner + Jahr ("Stern", "Geo") gemeinsame Wege geht. Gruner + Jahr ist am Spiegel-Verlag beteiligt. In den nächsten Wochen will die "Spiegel"-Spitze zunächst die Arbeitsstrukturen und -prozesse unter die Lupe nehmen. Anschließend plant Hass, mit dem Betriebsrat ein Gesamtprogramm zu erarbeiten. Eine Entscheidung hierüber soll mit dem Arbeitnehmervertretern und der Mitarbeiter-KG im Herbst fallen. Wie W&V Online aus Unternehmenskreisen erfahren hat, wird hierfür der Oktober anvisiert.
Um die Schlankheitskur führt offenbar kein Weg vorbei. Steuert Hass jetzt nicht rechtzeitig dagegen, droht das Printhaus an der Ericus-Spitze in die Verlustzone zu rutschen. „Wir sind zurzeit noch ein wirtschaftlich solides Unternehmen, das aber – bedingt durch die rückläufige Entwicklung bei Anzeigen und Vertrieb – seit einigen Jahren Erlöse verliert, während unsere Kosten annähernd stabil geblieben sind. So riskieren wir, dass der Spiegel schon bald in die roten Zahlen rutscht. Das dürfen wir nicht akzeptieren“, sagt Hass. Dann wäre die publizistische Unabhängigkeit des von Rudolf Augstein gegründeten Unternehmens gefährdet. "Nur mit einer erfolgreichen Geschäftsentwicklung können wir wirtschaftlich unabhängig bleiben - und dies ist die entscheidende Voraussetzung für unser oberstes gemeinsames Ziel: die Wahrung der publizistischen Unabhängigkeit des Spiegel", meint der Verlagsgeschäftsführer.
Um den neuen Kurs zu finanzieren, werden die Mitarbeiter wohl auf ihre Dividenden verzichten. Damit gehört das jahrelang gültige Prinzip einer Vollausschüttung des Jahresergebnisses der Vergangenheit an. Hinter dem harten Sparkurs stünden alle Gesellschafter, betont Hass - damit auch Jakob Augstein, der mit drei weiteren Erben seine Anteile am Verlagshaus verkaufen will.
Grund für den Sparkurs ist, dass sich die wirtschaftliche Lage des Unternehmens deutlich verschlechert hat. Der Gesamtumsatz ist seit dem Ausstieg des "Spiegel"-Chefredakteurs Stefan Aust um 19 Prozent zurückgegangen. Waren es 2007 noch 352,5 Millionen Euro, setzte die Gruppe im vergangenen Jahr noch 284,9 Millionen Euro um. Deutlich kräftiger brach der Ertrag in diesem Zeitraum ein: Der Jahresüberschuss verringerte sich von 2007 bis 2014 um 48 Prozent auf nunmehr 25,2 Millionen Euro. Hintergrund hierfür sind unter anderem die rückläufigen Werbeumsätze. Sie gingen von 2010 bis 2014 jährlich um 8,2 Prozent zurück. Betrachtet man die Entwicklung bis zum Jahr 2000, so sanken die Werbeerlöse um insgesamt 70 Prozent. Die Zahl der Vollzeitkräfte blieb hingegen konstant.