Familie Augstein:
Die Erben-Generation steigt beim "Spiegel" aus
Erst die Jahr-Familie, jetzt die Augstein-Nachkommen: Sie wollen ihren "Spiegel"-Anteil schnellstmöglichst versilbern, um hierfür noch genügend Geld zu bekommen. Denn der Wert ihres Erbes sinkt drastisch.
Es glich einem Paukenschlag: Vor sechs Monaten zog sich die Verleger- und Gründerfamilie Jahr aus dem Hamburger Verlagshaus Gruner + Jahr zurück. Überraschend verscherbelte sie ihren restlichen Anteil von 25,1 Prozent des "Stern"-Verlages an den Gütersloher Mutterkonzern Bertelsmann. Jetzt zeigt eine weitere namhafte Erbengemeinschaft dem Mediengeschäft die kalte Schulter. Drei der vier Erben des "Spiegel"-Gründers Rudolf Augstein wollen aus dem Hamburger Spiegel-Verlag aussteigen. Eine Zäsur, die Wirkung zeigen dürfte.
Die Gründe sind in beiden Fällen profan. Das hart umkämpfte Mediengeschäft wirft immer weniger Rendite ab. Beteiligungen an Verlagshäusern sind immer weniger wert, weil Anzeigen- und Vertriebserlöse immer stärker unter Druck geraten. Bitter bereuen musste dies bereits die Verlegerfamilie Jahr. 2012 hatte der G+J-Mutterkonzern Bertelsmann der Jahr-Familie noch angeboten, für ihre Beteiligung einen Betrag im mittleren dreistelligen Millionenbereich zu zahlen. Doch der Verkauf scheiterte, da sich die Gruner-Erben mit dem Bertelsmann-Chef Thomas Rabe nicht auf eine Bewertung einigen konnten. Hätte die Jahr-Familie damals bloß zugegriffen: Denn 2014 erhielt sie für ihre Schachtel nur noch einen kläglichen Betrag von rund 200 Millionen Euro in bar. Denn die Ertragslage des Magazin-Hauses hatte sich in dem Zeitraum so stark verschlechert, dass Bertelsmann nicht bereit war, mehr zu zahlen.
Jakob Augstein und seinen Geschwistern wird der Rückzug der Jahr-Familie nicht kalt gelassen haben. Denn mit dem Verkauf des G+J-Anteils wurde ihnen schmerzlich vor Auge geführt, dass auch ihre Beteiligung am Spiegel seit Jahren deutlich an Wert verliert. Dazu reicht ein bloßer Blick auf die Ertragslage des traditionsreichen Medienhauses an der Ericus-Spitze. Schaut man in die aktuell vorgelegte Bilanz von Bertelsmann aus 2014, wird hier für die Spiegel-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG ein Nachsteuerergebnis - nach der internationalen Rechnungs-Methode IFRS - von 17,52 Millionen Euro ausgewiesen, 2013 waren es 27,5 Millionen Euro und ein Jahr zuvor mehr als 33 Millionen Euro.
Die Gewinnentwicklung der Gesellschaft zeigt eine deutliche Richtung: es geht steil bergab. Damit wird auch der Anteil der Spiegel-Erben von aktuell 24 Prozent in den vergangenen drei Jahren kräftig an Wert verloren haben. Jetzt wäre deshalb der richtige Zeitpunkt, um sich hiervon zu trennen. Denn die Renditesituation beim Spiegel-Verlag wird sich in den kommenden Jahren nicht rasant verbessern, zu angespannt sind die Anzeigenmärkte, zu unsicher das Digitalgeschäft. Die Umstellung des Print-Titels auf den Samstag war zwar erfolgreich, allerdings nur mäßig. Auch die Kapitalreserven des Verlags sind kräftig geschrumpft, um große Wachstumssprünge zu machen. Zu viel Geld hat der Spiegel-Verlag an Abfindungen gezahlt, ob an Chefredakteure wie Stefan Aust, Georg Mascolo, Mathias Müller von Blumencron, Georg Büchner oder Geschäftsführer wie Ove Saffe.
Zudem können die Augstein-Erben mit ihren Anteilen wenig bewirken. Sie haben keine Mehrheit, um maßgebliche Veränderungen im Verlagshaus an der Ericus-Spitze anzuschieben. Sie sind auf den Willen der Mitarbeiter-KG als Mehrheitsgesellschafter und dem Miteigner Gruner + Jahr angewiesen.
Bei Jakob Augstein, der sich auf Anfrage zu den Verkaufsgerüchten nicht äußern will, ist die Situation differenzierter. Er dürfte nicht nur das Geld gebrauchen, um seine defizitäre Wochenzeitung "Der Freitag" weiter finanzieren zu können. Er sieht wohl auch kaum noch Chancen, je Herausgeber des Print-Titels zu werden. Seine letzte Hoffnung versickerte mit dem Rausdrängen von Chefredakteur Georg Büchner gänzlich. Auf ihn hatte Augstein seine ganze Kraft und Energie gesetzt. Doch die Ressorteiter wehrten sich gegen die Pläne von Büchner, die "Strategie 3.0" umzusetzen. Für Jakob Augstein bleibt daher nur noch ein Ausweg: dem Erbe des Seniors Adieu zu sagen - so bedauerlich es auch ist.