AR - von Amazon bis Zara:
Wie Augmented Reality den Handel verändert
AR und VR haben das Zeug dazu, den Handel umzukrempeln. Jüngstes Beispiel: die Modekette Zara aus Spanien. Der Modehändler setzt im April eine App ein.
Augmented Reality (AR) ist ein Tor in die virtuelle Welt, das sich - praktisch - direkt auf dem Smartphone auftut. Wie das geht, hat 2016 Pokémon Go gezeigt. Und auch wenn über das Spiel, das im Sommer vor zwei Jahren das Gesprächsthema war, heute kaum einer mehr redet, ist damals in den letzten Unternehmen der Groschen gefallen: Diesen Zugang zur Marke sollten auch wir uns erschließen. Pokémon Go hatte bewiesen, dass AR und VR nicht Spaß für Spinner ist, sondern Massen bewegen kann.
Die Lufthansa spielt damit, Mercedes verbaut AR in der A-Klasse, BMW nutzt es zur Modellkonfiguration, Ikea und Amazon zum Möbelverkaufen - und das sind nur eine Hand voll der jüngsten Beispiele. Reuters zufolge investiert H&M gerade in neue technische Verfahren, um die Kundenbindung zu verbessern. Die Technikanbieter stellen Entwicklungsumgebungen für Augmented-Reality-Programme bereit, sei es Google (AR Core), Facebook (AR Studio) oder Apple (AR Kit). Axel Springer und Telekom widmen sich (getrennt voneinander) dem Thema Datenbrillen.
Das verschafft den Konsumenten leichten Zugang - und die Mobilgeräte sind immer dabei, die Zugangshürden fallen. Greg Jones, verantwortlich für VR und AR bei Google, erklärte laut Wirtschaftsmagazin Forbes auf dessen Veranstaltung "Shoptalk Europe", dass 34 Prozent der Google-Nutzer AR beim Einkaufen nutzen würden, 61 Prozent würden Shops mit AR solchen ohne vorziehen.
Vom Trendmagazin in die Zara-Shops
Das US-Fachmagazin Self Service setzte das vorigen Herbst um. Die Zeitschrift wendet sich zweimal im Jahr an Profis in der Modebranche, Stylisten und Fotografen (Auflage ca. 80.000). Um das Magazin zu modernisieren, probierte der Chef Ezra Petronio AR als neue Form von Entertainment und Sales. Gemeinsam mit dem auf AR und VR spezialisierten Studio Holooh hat er für die Herbst-/Winter-Ausgabe eine AR-VR-Anwendung mit dem Model Anja Rubik umgesetzt.
Das hat nun dazu geführt, dass Petronio und Holooh gemeinsam mit Zara ein AR-Projekt entwickelt haben. Zara arbeitet öfter mit Petronio - Kreativdirektor, Fotograf, Herausgeber, Tekkie, Filmemacher, Berater - zusammen und hatte seine Self-Service-App gesehen.
Ab 18. April wird die neue Kollektion in zunächst 120 Zara-Stores weltweit mithilfe von Augmented Reality präsentiert. Die Kampagne beginnt am 18. April und dauert zwei Wochen. Die neuen Looks wurden mit Models im Holooh-Studio aufgenommen. Die kann der Kunde dann per App "Zara AR" in den Läden und Schaufenster-Displays betrachten und direkt kaufen. Wenn der Benutzer das Handy auf einen der angezeigten Punkte im Schaufenster richtet, auf Podien im Laden oder auf den Karton, in dem er seine Onlinebestellung geliefert bekommen hat, werden die Models Léa Julian und Fran Summers auf den Bildschirmen der Smartphones und Tablets sieben bis zwölf Sekunden lang lebendig.
Zwölf AR-Sequenzen ließ Zara produzieren. Nach Angaben des Unternehmens war es "eine der größten Dreharbeiten dieser Art auf der Welt". Die Models bewegen sich in der AR und können sogar sprechen. Die App erlaubt es außerdem, die Hologramme im Social Web zu teilen.
Die Hologramme wurden in einem 170 Quadratmeter großen Set aufgenommen. Holooh produziert derzeit noch im Studio von Inria in Grenoble (Bild unten).
True VR statt 360 Grad
Hooloh legt großen Wert darauf, dass in seinem Studios nicht einfach 360-Grad-Bilder entstehen. Stattdessen werden mithilfe von 68 Kameras Menschen und Objekte in Bewegung von allen Seiten aufgenommen. Damit dreht Holooh vor allem volumentrische VR-Clips für Musiker (etwa für den Franzosen Yodelice) und Mode mit bis zu 50 Bildern pro Sekunden. Im Studio ist Platz für einen Laufsteg oder sogar eine Band.
"True VR" nennen es die Holooh-Gründer, Aymeric Delaroche-Vernet, Ursula Delaroche-Vernet und Edmond Boyer: "Der Betrachter kann interagieren. Und er hat Freiheit in sechs Dimensionen" - gemeint sind die drei Bewegungsachsen und dazu alle Neigungswinkel, in der Luftfahrt bekannt als Roll-Nick-Gier-Winkel. Das UFA Lab drehte Ende 2017 gemeinsam mit dem Fraunhofer Institute den ersten volumetrischen VR-Film in Deutschland.
Zu Mode und AR gibt es sogar einen Kommentar von Apple-Chef Tim Cook, der gemeinhin eher als Technik- denn als Mode-Guru gilt. Forbes zitiert Cook so: "Wenn man an Modenschauen denkt, die eignen sich großartig für AR, weil man die Kleider ja rundherum sehen will und nicht nur von vorn."
Laut den Deloitte TMT Predictions 2018 werden bis Ende nächsten Jahres weltweit 800 Millionen Premium-Smartphones im Umlauf sein, die mit entsprechenden Betriebssystemen und Prozessoren selbst anspruchsvolle AR-Anwendungen unterstützen. Konsumenten werden dann auf zehntausende Augmented-Reality-Apps zugreifen können. Deloitte sieht hier einen Antrieb für die Wirtschaft: AR-Apps der Content-Anbieter könnten 2018 weltweit einen Umsatz von rund 100 Millionen Dollar generieren, prognostiziert die Marktstudie. Noch mehr Geld verspreche AR hinsichtlich der Smartphone-Verkäufe und Downloads bestimmter App-Typen wie Shopping, Games und Social Networks, so Deloitte. Oder eben AR-Mode.