Kritik an E-Privacy-Verordnung:
Was passiert, wenn 9 von 10 Nutzern Cookies abwehren?
Werbefinanzierte Medien warnen davor, dass die EU-Kommission Cookie-Warnungen in Browser verlagert. Ein Aufschrei kommt von VPRT und Bitkom, zumal die Brüsseler einen Schritt weiter sind.
Die EU-Kommission will mit der geplanten neuen EU-Datenschutzverordnung auch die Regeln für Cookies vereinfachen. In der Regel müssen Nutzer dem Setzen dieser Dateien per Mausklick zustimmen. Brüssel will nun in der so genannten E-Privacy-Verordnung Browser-Hersteller - allen voran Google, Apple, Microsoft und Mozilla – dazu verpflichten, alle Voreinstellungen Privatsphäre-freundlich zu gestalten und Cookie-Warnungen in die Browser zu verlagern. Noch fragen Websites bei jedem Besuch erneut das Einverständnis zum Einsatz von Cookies ab.
Diese geplante Neuregelung ist einen Schritt weiter: Am Donnerstag hat der federführende Ausschuss des Europäischen Parlaments für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) über den Kommissionsvorschlag für die E-Privacy-Verordnung abgestimmt. Schwarz sieht nun der Privatfunkverband VPRT fürs immer mehr datengetriebene Werbegeschäft.
"Die Branche erwartet, dass 90 Prozent der Nutzer eine Einstellung wählen werden, die zumindest Cookies von Drittparteien ablehnt", heißt es in einer Stellungnahme des Berliner Verbands. Die Verordnung sehe keinen Automatismus vor, der bei späterer Einwilligung des Nutzers den Browser wieder aufschließe. "Dies begünstigt Browserunternehmen und große Login-Giganten wie Facebook, Google", heißt es dazu. America First?
Wen die E-Privacy-Verordnung trifft
In der Tat: Big Data wird erschwert, vor allem bei jenen, die nicht über Login-Daten verfügen. Das gilt beispielsweise für Medien, die keine Paid-Content- oder Shopmodelle angegliedert haben. Und hier vor allem die kleineren Anbieter – während die großen Vermarktungshäuser der Medienkonzerne wie etwa SevenOne Media oder IP Deutschland Datenallianzen mit Handelspartnern oder Cookie-Spezialisten eingegangen sind.
Login-Profile für die ProSiebenSat.1-Kanäle und deren Vermarktung etwa liefert unter anderem der Onlinehändler Zalando. Ströer bedient sich bei den Shoppingprofilen der Otto-Kunden und schlägt sich wie alle anderen Vermarkter mit der Konkurrenz durch neue Töchter der deutschen E-Commerce-Anbieter herum. Doch an den internationalen und umfassenden Datenpool der GAFAs (Google, Apple, Facebook, Amazon) reichen weder deutsche Händler noch die diversen Daten-Partnerschaften heran.
So gibt VPRT-Geschäftsführer Harald Flemming angesichts der E-Privacy-Verordnung die Warnung aus: "Für die Medien bedeutet der abgestimmte Bericht das Aus für die Reichweitenmessung und damit für die verlässliche Werbewährung. Eine Zielgruppenbildung für Werbung im Internet verhindert der Vorschlag. Dies schafft Login-Giganten einen massiven Wettbewerbsvorteil gegenüber werbefinanzierten Anbietern."
Der VPRT will nun seinen Einfluss beim Plenum des Europäischen Parlaments und bei "vernünftigen Stimmen im Rat" geltend machen. Mitstreiter finden sich sicher auch beim Digitalverband Bitkom, der ähnlich entsetzt reagiert und verkündet: "Für bestehende und zukünftige Geschäftsmodelle im klassischen Internet ebenso wie im Internet of Things wird dies erhebliche Auswirkungen haben. Die vorliegende E-Privacy Verordnung torpediert die Bemühungen der EU-Kommission und der Mitgliedsstaaten, die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft in Europa voranzutreiben."
Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) hatte bereits kurz nach Vorstellung des Entwurfs der Verordnung vor "einer fundamentalen Gefährdung der heutigen Informationsgesellschaft" gewarnt - aus ähnlichen Gründen wie Verleger Ende Mai. Jetzt beklagt der BVDW einen "fundamentalen Einschnitt in die Funktionsweisen digitaler Netzangebote". Das sei mehr oder weniger "das Ende des freien Internets, wie wir es heute kennen und schätzen". Viele neue Geschäftsmodelle basieren auf Daten, die aus dem Tracking bezogen werden.
Unter anderem mit diesem Spot unter dem Motto #LikeABadMovie will die europäische Medien- und Werbeindustrie die Brüssler Gremien doch noch umstimmen:
Übrigens: Dass GAFA die nächsten 50 Jahre überlebt, glaubt Marketing-Guru Scott Galloway nicht - und hat über die Gründe ein Buch geschrieben.