VidCon 2017:
Warum die Influencer-Branche nach Amsterdam pilgert
Was für die Autobranche die IAA ist, heißt in der digitalen Bewegtbildszene VidCon. Die größte Online-Video-Veranstaltung der Welt findet erstmals in Europa statt. W&V-Autor Moritz Meyer ist dabei.
Die größte Online-Video-Veranstaltung der Welt, die VidCon, kommt erstmals nach Europa. An diesem Wochenende treffen sich in Amsterdam vom 7. bis zum 9. April Branchenprofis, Multi-Channel-Networks, Influencer und deren Fans. Die hoffen vor allem auf ein Autogramm oder gar ein Selfie mit einem der ganz großen Stars der Szene. Die Branche allerdings wird intensiv darüber diskutieren, wie die Zukunft des sich rasant wandelnden Online-Video-Markts aussieht.
Wer wegweisende Worte zur Zukunft der Branche erwartet hatte, wurde enttäuscht. Hank Green, Mitgründer der VidCon und einer der "Vlogbrothers", ist in den USA das "gute Gewissen" der Szene und bekannt dafür, sich oft sehr reflektiert über die Branche zu äußern. Doch er ist auch bekannt dafür, Dinge einfach auf seine Art zu machen und sich nicht viel um die Erwartungen anderer zu kümmern.
Ein Hauch von guter alter Youtube-Zeit
Und so stammelte sich der bekennende Nerd durch seine Eröffnungsrede wie ein Schulsprecher durch seine Rede beim Abiball und erzählte, wie er beim Flug nach Europa seinen Laptop verschludert hatte, dadurch kein Video auf seinen Kanal hochladen konnte, seine Fans ihm aber irgendwie durch den Schlamassel geholfen haben. Wie auch immer. Aber auch das sagt ja etwas aus über die VidCon und die Branche, die sie repräsentiert. Es mag ein globales Business geworden sein. Aber ab und zu blitzt der Geist des "ursprünglichen Youtube" noch auf, als vor fast zehn Jahren die ersten Videomacher zu Stars wurden, ohne so recht zu wissen, warum.
Einige dieser Stars werden auch in Amsterdam erwartet. Wie etwa Tyler Oakley, der als einer der prominentesten Vertreter der LGBT-Community gilt und für seine rund acht Millionen Abonnenten schon Michelle Obama interviewte. Weitere Top-Creator sind Grace Helbig, Hannah Hart, die Fine Bros und natürlich die "Vlogbrothers" Hank und John Green, Urgesteine der Szene und Erfinder der VidCon Deutsche Namen, obwohl zwischenzeitlich Bibis Beauty Palace, Julien Bam oder Freshtorge angekündigt waren, fehlen im offiziellen Line-Up, dass sich offensichtlich an ein international orientiertes Publikum wendet.
Erstmals fand das Szene-Treffen im Jahr 2010 statt, damals in fast schon familiärer Atmosphäre mit 1400 Teilnehmern. Inzwischen ist die VidCon eine Mega-Veranstaltung in Anaheim, Kalifornien, zu der rund 30.000 Besucher kommen. Ganz so viele werden es in Amsterdam nicht sein. Die Veranstalter sprechen von 3000 verkauften Tickets. Während am Samstag und Sonntag die Veranstaltung ganz den Fans und ihren Stars gehören wird, geht es am Freitag um handfeste Branchenthemen.
Es geht um neue Geschäftsmodelle
Die Online-Video-Industrie ist im Umbruch, alte Geschäftsmodelle funktionieren nicht mehr. Das gilt vor allem für die einst gefeierten Video-Netzwerke, die in der Vergangenheit zu viel "Zeit und Geld verschwendet haben, sich gegenseitig die Stars abzujagen", wie es Jan Riemens, CEO von zoomin.TV beim VidCon-Panel "Die Zukunft der Multi-Channel-Networks" ausdrückte.
Weswegen es darum geht, neue Geschäftsmodelle zu finden, bei denen man nicht darum angewiesen ist, "Party-Stimmung bei den großen Künstlern zu machen." Das sagt Constantin Stammen, neuer CEO bei Mediakraft. In der vergangenen Woche kündigte der einstige Platzhirsch Mediakraft einmal mehr eine Umstrukturierung des Unternehmens an. Statt der zeit- und ressourcenintensiven Künstlerbetreuung wolle man sich verstärkt darauf konzentrieren, Unternehmen zu betreuen und mit Know-How zu unterstützen. Denn, so Constantin Stammen, etwas weniger blumig: "Für sich allein gesehen ist alte MCN-Modell zu margenschwach, um sowohl professionelle Video-Kreationen als auch die konzeptionellen Anforderungen von Brand-Integration zu unterstützen."
Der Wettlauf darum, wer mehr große Youtube-Stars unter Vertrag nehmen kann, sei vorbei, sagt auch Sebastiaan van Dam, Chief Audience Officer bei Divimove. Eher geht es darum, "ein gesundes Portfolio zu haben", sagt van Dam. Weshalb sich Divimove zuletzt von fast 400 Videomachern getrennt hat, um die verbliebenen Künstlern besser betreuen zu können.
Neben der Künstlerbetreuung setzt man wie Mediakraft auf den direkten Kontakt mit Marken und Unternehmen. Als dritte Säule sieht van Dam das Schaffen von Medienerlebnissen. Auch hier hat Divimove sich breiter aufgestellt, und in einem durchaus überraschenden Schritt die "Videodays" übernommen, mit dem Ziel deutsche Pendant zur VidCon weiter auszubauen und möglicherweise auch in andere Länder zu bringen. Auch wenn die ganz große Feier vorbei ist: Ein bisschen Partystimmung muss eben schon noch sein.