Gerade der Plus-Part spielt in den Plänen der Bild-Gruppe eine wichtige Rolle. Für viele Publisher sei Paid Content neben der Werbung eine der zentralen Erwerbsquellen. „Mit Bild Plus haben wir inzwischen mehr als 410.000 zahlende Abonnenten. Wir investieren hier auch deshalb, weil wir bei den Digitalabos weiter wachsen wollen.“ Die Empfehlungstechnologie müsse diese strategischen Ziele unterstützen. „Deshalb brauchen wir einen Partner, der das ermöglicht. Mit Blick auf die langfristigen Investitionen in Produkt und Technologie haben wir uns deshalb für Taboola entschieden.“

"Hoffnung ist keine gute Strategie"

Einig sind sich die noch recht frisch gebackenen Partner in jedem Fall darüber, dass Empfehlungstechnologie ein wichtiger Schlüssel bei der Gewinnung neuer Kunden für Paid-Content-Angebote ist. „In der Vergangenheit dachten Publisher oft, für die Abogewinnung würde ein Knopf in der Mitte der Seite ausreichen. Die Strategie bestand aus der Hoffnung, dass den Knopf jemand klickt. Aber Hoffnung ist keine gute Strategie“, sagt Adam Singolda. Bei Bild sehe man die Seite als ein Produkt, dass die Nutzer mögen, sich mit ihm beschäftigen sollen. Es gehe zum Beispiel darum, was passiere, wenn jemand einen Artikel fertiggelesen habe. Am Ende dieses Artikels sollte er einen Bereich entdecken, in dem er sich gern aufhalte, Neues entdecken können. Dabei sollten unterschiedliche Menschen auch unterschiedliche Dinge sehen können. „Die Seite muss sich so anfühlen, als sei sie für mich gemacht“, glaubt Singolda. Dabei sei der Artikel das Hauptprodukt, deshalb sei der Nutzer gekommen - danach sei er bereit, Neues zu entdecken. Man habe hier die Gelegenheit, gleichzeitig Engagement, Abos und Revenue zu befeuern und nicht das eine für das andere dranzugeben. 

Der Weg dorthin führt über Technologie und da haben sich Taboola und Bild miteinander einiges vorgenommen. Dazu gehört auch, dass die Redaktionen bei der Erstellung der Inhalte durchgängig mit Live-Daten versorgt werden. Betzold: „Wir stecken eine Menge Arbeit in die Entwicklung, um die richtigen Inhalte zur richtigen Zeit auf die richtige Plattform zu bringen. Mobil brauchen wir anders ausgesteuerte Empfehlungen als für Desktop oder für unsere App-Produkte. Dazu ist es wichtig zu wissen, welche Artikel gelesen werden und welche Themen die Menschen in den Bild-Plus-Bereich bringen.“ Gerade an dieser Stelle soll die Partnerschaft mit Taboola künftig noch wesentliche Verbesserungen bringen.

Mission Open Web

Warum gerade Taboola dafür der richtige Partner ist? Zumindest Adam Singolda braucht da nicht lange zu überlegen: „„Wir sind ein Unternehmen mit 1000 Mitarbeitern, 400 von ihnen sind Entwickler. Ein Drittel des Entwicklerteams arbeitet an Themen, die zunächst keinen Umsatz erzielen. Taboola Newsroom - ein Analyse-Tool mit Live-Daten für Redaktionen - und ein Personalisierungs- sowie Rezirkulations-Tool, um User langfristig an die Seite zu binden, sind solche Produkte. 50 Mitarbeiter arbeiten beispielsweise  an Taboola Newsroom, ein sehr wertvolles Tool für Redaktionen und Journalisten. Es ist kein einfaches Unterfangen gewesen, dem Aufsichtsrat von Taboola zu erklären, dass knapp ein Drittel der Mitarbeiter an Forschung & Entwicklung arbeiten. Diese Projekte bringen zunächst keinen Umsatz ein, aber wir sind uns sicher, dass dies der beste Weg für die Zukunft unserer Partner und für das Open Web ist. Ich hoffe auch, dass es uns als Partner für Publisher gegenüber anderen Anbietern unterscheidet.“

Stefan Betzold ist überzeugt, dass die Kombination aus Mindset und Technologie von Taboola und die Herangehensweise eines Publishers wie Bild eine ausgezeichnete Mischung ergeben. Die neuen Ideen und Produktinnovationen sollen dabei nicht exklusiv für Bild nutzbar sein, sagt Betzold. „Wir freuen uns, wenn auch andere Partner von Taboola von unseren gemeinsamen Produktentwicklungen profitieren können.“ Schließlich müsse es darum gehen, der Dominanz der GAFA etwas entgegenzusetzen. Das perfekte Stichwort für Adam Singolda: „Amazon, Google und Facebook würden niemals die Daten teilen, über die sie verfügen. Sie wollen als Endverbrauchermarken ihre eigene Angebote wachsen lassen. Taboola ist genau das Gegenteil. Wir haben extrem viele Daten, aber wir sind nur erfolgreich, wenn unsere Partner erfolgreich sind. Wir verfolgen die gleichen Interessen, unsere Zukunft hängt von einander ab.“

Dabei führt Singolda auch durchaus hehre Ziele an: „Unser Job ist es, das Open Web nicht nur am Leben zu erhalten, sondern stärker zu machen. Das ist unsere Mission.“ Stefan Betzold formuliert es pragmatischer, inhaltlich aber durchaus verwandt: „Wir arbeiten natürlich auch mit den großen US-Plattformen zusammen. Wir haben immer versucht, so partnerschaftlich wie möglich zusammenzuarbeiten. Aber genauer betrachtet handelt es sich nur bedingt um echte Partnerschaften, denn die US-Player verfolgen eben ihre eigenen Ziele, mit denen sie teilweise in Konkurrenz zu uns stehen. Mit Taboola ergänzen wir uns in vielen Disziplinen. So kann z.B. unser Sales Team von Media Impact die Content Marketing-Platzierungen von Taboola direkt mit verkaufen.“

Gemeinsame Teams und Projekte

Die Partnerschaft von Bild und Taboola soll sich in den nächsten Monaten in einer ganzen Reihe von gemeinsamen Teams und Projekten niederschlagen. Im Mittelpunkt stehen dabei zunächst vier Bereich: die bestmögliche Nutzung von Live-Daten mit Blick auf relevante Inhalte, die Weiterentwicklung des Empfehlungsbereiches, die Verbesserung von User Experience und Engagement mit Blick auf die Abo-Gewinnung sowie Verbesserung der Monetarisierung durch Anzeigen. Klingt viel, aber Singolda und Betzold sind sich einig: das soll erst der Anfang sein. Es geht schließlich  um ein richtig großes Rad.


Autor: Holger Schellkopf

Chefredakteur. Mitglied der W&V-Geschäftsleitung. Sozialisiert mit Print, konvertiert zu digital. Findet beides prima. Feste Überzeugung von @hschellk : Digital Journalism rocks! Versucht ansonsten, sich so oft wie möglich auf das Rennrad zu schwingen oder in die Laufschuhe zu steigen.