Bewegtbild-Entwicklung:
KI warnt, bevor Zuschauer abschalten
Es gibt Filme, bei denen die Zuschauer immer an der gleichen Stelle aus- oder umschalten. Ein Start-up will mit künstlicher Intelligenz herausfinden, warum das so ist, und Videos besser auf Zielgruppen anpassen.
Als Kameramann und Produzent kennt Eugen Gross die Herausforderungen der Medienindustrie. Als ihn ein Sportunfall zu einer beruflichen Auszeit zwang, entschied er sich zusätzlich für ein Medienmanagementstudium und erweiterte so sein Know-how zu den Themen Data Science und Artificial Intelligence.
Im Zuge seiner Masterarbeit "Optimierung von Bewegtbild-Content in Verlagshäusern – Ein Projekt zur Erhöhung der Verweildauer von Nutzern mit Hilfe quantitativer Methoden" fiel ihm auf, dass viel zu wenig Daten genutzt werden, um zu verstehen was der Zuschauer eigentlich will. "Daten müssen mehr bringen, als Zuschauer auf eine Webseite zu locken", ist Gross überzeugt. Damit war die Idee für ein Unternehmen geboren, das sich genau diesem Thema widmet.
Zusammen mit dem Neuroinformatiker Aleksander Koleski wollte Gross die Content-Produktion mithilfe moderner Technologien wie Künstlicher Intelligenz (Machine Learning) effizient gestalten. "Schon beim Fernsehen haben wir das Problem, zu erkennen, warum Zuschauer bei einer Live-Sendung abschalten", sagt Gross. Er habe sich im Rahmen seiner Masterarbeit zahlreiche Videos angeschaut und in 99 Prozent der Fälle habe es eine logische Erklärung gegeben, warum Zuschauer umschalten. "Die Frage war also: Wenn man etwas im Nachhinein erklären kann, inwieweit kann eine Künstliche Intelligenz bei der Vorhersage helfen?", so Gross.
Schlüsseltechnologie Künstliche Intelligenz
Den Vorteil von KI sieht Koleski in der Erweiterbarkeit: "Bei Algorithmen ist der Computer so schlau wie der Programmierer, der den Algorithmus geschrieben hat, bei KI ist er so schlau wie die Daten, die für das Training verwendet wurden." Das sei wie bei Kindern. Wenn man denen genügend Beispiele gebe, würden die auch lernen zu abstrahieren. Ausgestattet mit einem Stipendium machten sich die Unternehmer im Start-up-Dock der TU Hamburg an die Machbarkeitsplanung.
Der nächste große Schritt war die Bewerbung beim Next Media Accelerator (NMA), ein Fonds, an dem führende Medienunternehmen beteiligt sind und ausgewählte Start-ups mit Trainings- und Beratungsangeboten unterstützen. Experten stehen als Mentoren und Sparringspartner zur Verfügung. "Aus diesem Kreis der Berater kam letztlich die Aufforderung an uns, ein Minimum Viable Product, also das kleinste System mit minimalen Anforderungen und Eigenschaften, zu erstellen", erzählt Eugen Gross.
Rechenleistung aus der Cloud
Heraus kam das Programm "Aingine", das eigentlich als Zwischenprodukt gedacht war und es ermöglicht, gesprochene und audiovisuelle Inhalte in präzise Daten umzuwandeln. Diese erhalten dann ein umfassendes Labelling für eine spätere Suche. Dabei werden die Ergebnisse unterschiedlicher Anbieter konsolidiert und um intelligente Features verfeinert sowie um eigene Anwendungen ergänzt.
"Wir sehen künstliche Intelligenz als einen der Megatrends, wenn es um Tech-Startups im Medienbereich geht. Insbesondere was die Inhalteproduktion und Datenanalyse angeht", sagt Christoph Hüning, Managing Partner bei NMA, zur Förderung des Unternehmens Aiconix. "Wir wollen Deutschland und die EU als Standort für KI unterstützen und glauben, dass wir gemeinsam mehr tun müssen, um international Schritt zu halten."
Um Aingine am Laufen zu halten und weiterzuentwickeln war zudem eine entsprechende IT-Infrastruktur nötig. Neben einem Rechenzentrum stellte der IT-Anbieter Oracle unterschiedliche Cloud-Ressourcen und -Features zur Verfügung. Aiconix ist außerdem Teil des Oracle Global Startup Ecosystems, eine Initiative zur Unterstützung junger Unternehmen durch Hilfe bei der Entwicklung und Zusammenarbeit mit anderen Firmen.