Award:
Gemischte Gefühle bei der Effie-Gala
Bei der Verleihung der Effie-Awards mangelte es nicht an bewegenden Momenten. Die Laudatio für Stefan Kolle von FM Schmidt rührte jeden (hier zum nachlesen). Regisseur Detlev Buck dagegen düpierte viele Gäste.
Seien wir mal ehrlich: Die perfekte Preisverleihung gibt es nicht. Und das gilt auch für die Effie-Gala gestern Abend in Frankfurt. Mal ist der Rahmen nicht angemessen festlich. Dann wieder finden die Moderatoren nicht den richtigen Ton. Ein anderes mal genügen die Live-Acts nicht den Erwartungen und enttäuscht das Catering. Oder – und das ist einer der problematischsten Punkte – die Verleihung der Preise passt nicht. Weil zu lang. Zu kurz. Zu oberflächlich oder zu detailliert. Gestern, im Gesellschaftshaus im Palmengarten, dauerte es bald drei Stunden, bis der letzte Effie, in dem Fall der Grand Effie, vergeben worden war. Für viele Besucher zu lange. Sie mussten sich gedulden, bis sie endlich smalltalken und networken konnten. Für etliche dieser Zeitgenossen der eigentlich Sinn und Zweck der Veranstaltung.
Die richtigen Worte für Stefan Kolle
Doch dabei wird übersehen, dass es beim Effie darum geht, herausragende, weil effektive und effiziente Kommunikation zu feiern. Das geht nicht ohne erklärende Worte. Die gab es gestern in ausreichender Menge. Nicht zu viele, aber auch nicht zu wenige. Erst Recht nicht, als es darum ging, den Verlust eines langjährigen und äußerst geschätzten Wegbegleiters zu gedenken: Stefan Kolle. Er war völlig überraschend vor einigen Wochen verstorben. FM Schmidt, Chef von Scholz & Friends fand die richtigen Worte, würdigte Kolle als einen Brückenbauer, als jemanden, der Mauern eingerissen und der Branche ein menschlicheres Gesicht gegeben hat. Es war eine persönliche Rede. Und doch erreichte sie wohl die Herzen aller Gäste im "Palmengarten". (Die vollständige Rede finden Sie unten)
Dass es nach dem kleinen Film, in dem sich Mitarbeiter der Agentur von ihrem Chef nochmals verabschieden, schwer werden würde, wieder zu einer fröhlichen Feierstimmung zu finden – wen wundert es. Doch war Detlev Buck als Key-Note-Speaker im Anschluss die völlig verkehrte Besetzung. In seiner ungestümen und vielleicht auch ungelenken Art war der Auftritt des Schauspielers und Regisseurs für viele fast ein Affront. Wie kann der Mann laut nach Standing Ovations rufen nach einer Laudatio, die zugleich ein Nachruf war, der niemanden ungerührt gelassen hat? Wie wenig später die Macher der Gold-Effie-Cases als unkreativ und wenig innovativ abkanzeln? Obgleich die Kampagnen stets noch mehr geleistet haben, als von ihnen erwartet worden war.
ADC-Verhältnisse beim Effie?
Kritik an den Gewinnern gab es nicht. Auch wenn mancher Besucher irritiert war, dass die Rekruten-Kampagne gleich drei Effies erntete. Drohen demnächst ADC-Verhältnisse auch beim Effie? Die geplante neue Struktur mit viel mehr Kategorien für 2018 lässt es fast befürchten. Wäre es nicht wichtiger dafür zu sorgen, dass wieder mehr hochkarätige Kunden den Weg zur Gala finden? Denn die wurden von vielen der gekommenen Agenturchefs vermisst. Nein, perfekt war die 36. Auflage der Effie-Verleihung nicht. Aber auch alles andere als schlecht.
Die Laudatio von FM Schmidt
Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,
in einer Zeit, in der es den kalten Satz gibt: "Du bist immer nur so gut wie Deine letzte Präsentation, Dein letzter ADC-Nagel oder Dein letzter EFFIE!“ bietet die „Hall of Fame" mit dem Blick auf das Lebenswerk immer eine Chance zum Innehalten und einen Kontrast zu den Konjunkturen des Alltäglichen. Das gilt in diesem Jahr noch weit mehr als in jedem anderen.
Wir nehmen heute am 9. November, dem Tag des Mauerfalls, mit der übereinstimmenden Überzeugung aller Jury-Mitglieder, einen Menschen in die „Hall of Fame“ auf, der es verstanden hat, Brücken zu bauen und Mauern einzureißen. Wir ehren heute – mit Blick auf sein Lebenswerk – eine große Gründer- Persönlichkeit unserer Branche. Das heißt: einen großen Gründer und eine große Persönlichkeit. Ein menschliches und fachliches Vorbild: Stefan Kolle - Gründer, unternehmerischer und kreativer Kopf der Agentur: Kolle Rebbe.
Lieber Stefan,
wie gern würde ich diese Laudatio halten, mit Dir hier bei uns in der ersten Reihe. Einer ersten Reihe, in die Du in allen Hinsichten gehörst. Auch, wenn Du Dich nie in sie gedrängt hast. Das Schicksal hat es anders bestimmt. Am Abend des 12. September hast Du Dich auf Deiner Traum-Insel Ibiza schlafen gelegt und am nächsten Morgen bist Du nicht mehr in dieser Welt aufgewacht. Zwei Tage zuvor warst Du noch in Deiner Agentur in der Hamburger Speicherstadt. Keiner Deiner Freunde, Partner und Kollegen hat geahnt, dass Dein Abschied in den Kurzurlaub ein Abschied für immer werden wird. Deine Frau und Deine Tochter sind heute hier, um Dich an diesem besonderen Abend – neben den Partnern von Kolle Rebbe – zu vertreten. Liebe Sigrid, liebe Anna, schön dass Ihr bei uns seid!
Lieber Stefan,
Dein Tod erinnert uns daran, wie unwesentlich doch manches werden kann, das uns zu oft beschäftigt: Manche Eitelkeit, manches Machtspiel, manche letzte Präsentation, mancher ADC-Nagel und sogar: mancher Effie. Wer die Einträge im Kondolenzbuch Deiner Agentur gelesen und wer die Präsenz führender Köpfe von Kunden und Agenturen auf Deiner – bis auf den letzten Platz besetzten – Trauerfeier in der Hamburger St. Katharinen-Kirche erlebt hat, der weiß Deine Bedeutung für die Branche einzuschätzen.
Die großen Fachmedien schrieben in ihren Nachrufen unisono: "Mit Stefan geht ein Mann, der die Werbung besser, innovativer und menschlicher gemacht hat." (W&V). Und: "Mit Stefan Kolle verliert die deutsche Agenturszene einen ihrer prominentesten und beliebtesten Vertreter. Zudem einen, der fachlich über jeden Zweifel erhaben war." (Horizont) Selten war sich die Branche so einig wie in diesem Punkt.
Das zeigt auch die spontane Initiative für die Schaltung einer ganzseitigen Anzeige für Stefan Kolle, zu der sich alle deutschen Agenturen mit Rang und Namen zusammengefunden haben. Vereinen und verbinden, das war eines von Stefans Themen – und es wirkt bis heute. Die intensive Anteilnahme, die wir alle erleben konnten, ist Ausdruck der hohen Anerkennung für Stefan Kolle und sein Lebenswerk.
Mit seiner einzigartigen Persönlichkeit hat er eine großartige Agentur gegründet, geprägt, geführt. Jeder, der Stefan kannte, konnte erleben, wie er scheinbar Gegensätzliches harmonisch in sich vereinte: die Rolle des Unternehmers und des Kreativen, des Visionärs und des Pragmatikers, des emotionalen Kulturstifters und des rationalen Kompasses. Stefan war ebenso perfektionistischer Arbeiter wie humorvoller Gesprächspartner. Ebenso konservativer Sicherheitsdenker wie revolutionärer Innovator. Vielleicht war er das im Kern: ein revolutionärer Konservativer.
Doch der Reihe nach: Alles begann am 27. April 1962. An diesem Tag wurde Stefan in Wuppertal – in eine Unternehmerfamilie hinein geboren. Das familiäre Umfeld hat ihn früh zwei Dinge gelehrt, die ihn ein ganzes Leben geprägt haben: unternehmerische Vorsicht und: unternehmerischen Mut. Doch erst einmal stand das Abitur auf dem Programm und dann das Studium an der Hochschule der Künste in Berlin. In der wilden Berliner Zeit lernte er auch Stephan Rebbe kennen. Die gemeinsame WG ist Legende.
Im Jahr 1994 wurde es dann – nach ein paar Lehr- und Wanderjahren - ernst: Die beiden „Stefans“ fanden wieder zusammen – und Kolle Rebbe wurde gegründet. Stefan Kolle gründete im Alter von 32 Jahren. Viel zu früh, wie sein damaliger Chef sagte. Genau richtig, wie wir heute wissen. Die Agentur kam von Anfang an auf die richtigen Umdrehungen: Nach gelungenem Start 1996 Umzug in die Hamburger Speicherstadt – heute Weltkulturerbe und immer noch Heimat von Kolle Rebbe. 1997 Gewinn des ersten Cannes-Löwen. 2002 werden Stefan Kolle und Stephan Rebbe vom „Horizont“ zu „Männern des Jahres“ gekürt. 15 Jahre ist das her. Seitdem wurde die Liste der persönlichen Auszeichnungen - ebenso wie die Award- und die Kunden-Liste der Agentur - immer länger.
Das gilt auch für die Liste der Kampagnen, an die wir uns alle erinnern: Vor zehn Jahren war es die unglaubliche Bionade-Story und eine Headline, die uns die Markenbotschaft für alle Zeiten ins Gedächtnis graviert hat: "Gut in Bio. Schlecht in Chemie!!!" Seit vielen Jahren ist es Ritter Sport, mit Motiven, die mindestens so abwechslungsreich sind wie die bunten Schokoladen-Quadrate, um die es geht. Und natürlich ist es die tolle und internationale Arbeit für die Lufthansa. 2014 gekrönt vom weltmeisterlichen Sieger-Flieger. Um nur wenige Beispiele zu nennen.
Welches Geheimnis steckt nun hinter diesen Erfolgen, die Deine Agentur, lieber Stefan, mit mittlerweile 294 Mitarbeitern fest in der Spitzengruppe deutscher Agenturen etabliert hat? Was macht Deinen Erfolg so besonders, dass Du heute - viel zu spät! – in die "Hall of Fame" aufgenommen wirst? Ich glaube, es sind im Kern 7 Punkte, die ganz eng mit Deiner Persönlichkeit verbunden sind:
1. Du hast Dich nicht verkleidet.
Du bist Du selbst geblieben. Und hast damit unter vielen Aspekten einen Kontrapunkt zu den Klischees unserer Branche verkörpert. Vom Dresscode bis zu Deinen Haltungen und Überzeugungen. Du hast gewusst, dass es nicht auf die bunten Klamotten, sondern auf die grauen Zellen - und das Herz am rechten Fleck ankommt. Dass Du damit erfolgreich warst, spricht für Dich, Deine Kunden und: durchaus auch für unsere Branche, die Dir - vielleicht gerade weil Du so anders warst - mit so viel Sympathie begegnet ist.
2. Du hast das Produkt immer vor die Person gestellt.
Auch vor Deine eigene. Damit hast Du Glaubwürdigkeit und professionellen Respekt gewonnen.
3. Du hast es vermocht, mit den Augen Deiner Kunden zu sehen und trotzdem mit dem eigenen Kopf zu denken.
Kunden-Empathie nennt man das. Insbesondere das Zwiegespräch von Unternehmer zu Unternehmer war Dein berufliches Lebenselixier. Ritter Sport, Krombacher, Bionade. Als Unternehmer-Berater hast Du glaubwürdig dafür gestanden, die beste Lösung zu suchen. Nicht um jeden Preis Werbung verkaufen zu wollen. Beim Kennenlernen des Bionade-Kunden lautete Dein erster Satz: "Eigentlich brauchen Sie gar keine Werbung!"
4. Du hast es immer wieder geschafft, die richtige Balance zwischen Bewahren und Bewegen zu finden.
Konservative Markenpflege ist in Deinem Werk ebenso zu finden, zum Beispiel in den Arbeiten für Krombacher, wie durch viele Awards ausgezeichnetes disruptives Denken.
5. Du hast immer über den Teller-Rand der Werbung hinaus geschaut: geistig und unternehmerisch.
Wer Dich als Gesprächspartner oder als Kolumnist des „Handelsblatt" kennengelernt hat, konnte sich schnell überzeugen, dass Dein Horizont nicht auf Werbung beschränkt ist. Wer Deine unternehmerischen Aktivitäten beobachtet hat, konnte den endgültigen Beweis finden: Das Ideen-Unternehmen – als dass Du Kolle Rebbe positioniert hast – steht für weit mehr als die Werbe-Idee. Neben den Produkt-Ideen für Deine Kunden hast Du mit KOREFE – Kolle Rebbe Form und Entwicklung - eigene Produkte und Marken entwickelt. Am bekanntesten: "The DeliGarage", Delikatessen im Werkstatt Design und – nicht nur jedem Besucher der 25hours Hotels vertraut – die Naturkosmetik-Serie "Stop the water while using me".
Hinzu kommen Beteiligungen an Start-ups mit Fokus auf Technologie und Nachhaltigkeit.
6. Du hast die Kraft der sprachlichen - oft metaphorischen - Verdichtung genutzt, um das Denken Deines Gegenübers zu öffnen und zu erweitern.
Du hast es immer wieder geschafft, manchmal schmerzliche Wahrheiten so zu verabreichen, dass der Empfänger sie annehmen konnte. Als ein eifriger FMCG-Kunde Dir eine ganze Checkliste von Botschaften, die in einem 30-Sekunden-Commercial transportiert werden sollten, vorgelegt hat, lautete Deine Antwort: "Wenn das kleine Eselchen zu viele Steine tragen muss, kommt es den Berg nicht hoch." Danach konntet Ihr Euch auf EINE Haupt-Botschaft einigen. Einer Deiner Lieblingssätze lautete: "NIX ist FIX." Kürzer lässt sich das Infragestellen von vermeintlichen Tatsachen nicht auf den Punkt bringen. Und die Erkenntnis von Veränderungs-Notwendigkeit.
Ich muss zugeben, eines Deiner Mini-Mantras habe ich selbst mehr als einmal zitiert: "Gremium ist nicht Premium." Ein Satz, den jeder der regelmäßig mit Konzern-Logiken konfrontiert ist, nicht häufig genug wiederholen kann: "Gremium ist nicht Premium!"
Last, but not least:
7. Du bist auch deswegen groß geworden, weil Du andere größer gemacht hast.
Du hast verstanden, dass die weichen Faktoren oft die härtesten Erfolgsfaktoren in unserem Business sind. Kolle Rebbe sollte für vieles stehen, aber niemals für: Glamour, Eitelkeiten und Ellenbogen-Kultur. Deine Formel dafür: "Wir sind ein ECOSystem, kein EGO-System". Daraus abgeleitet: ein Satz, der Unternehmenskultur zum Mission-Statement werden lässt: "We help each other to be great." Mit dieser Haltung hast Du frühzeitig den Transformations-Prozess von der Gründer-geführten zur Partner-geführten Agentur eingeleitet.
Eine chinesische Weisheit lautet: "Was gut gepflanzt ist, wird nicht ausgerissen." Gerade deshalb bin ich überzeugt, dass Deine Agentur in Zukunft auch unter Führung Deiner Partner weiter wachsen und gedeihen wird.
Lieber Stefan, es ist Zeit, Abschied zu nehmen.
Ich werde Dich als eine Persönlichkeit vermissen, die Menschlichkeit und Erfolg miteinander verbinden konnte.
Ich werde unsere vertrauten und manchmal vertraulichen Gespräche vermissen.
Ich werde Dich als ein Vorbild unserer Branche vermissen.
Ich werde unsere gemeinsamen, schon zum Ritual gewordenen Weihnachts-Essen vermissen. Bald wäre es wieder soweit. Wir alle werden viel vermissen!
Am Ende bleibt die Erkenntnis: Du hast uns nicht verlassen! Du bist uns nur – wie so oft – einen Schritt voraus. Aber das Wichtigste ist: Du wirst bleiben! In den Herzen derer, die Dich lieben. In der Erinnerung aller, die Dich schätzen. Und ab heute – für alle Zeiten - In der "Hall of Fame" der deutschen Werbung.
Respekt und Dank für alles, lieber Stefan.
Dein
FM