Cannes Lions:
Marcin Baba: "Kreativität ist eine Superpower"
Der ECD von Serviceplan Suisse, Marcin Baba, berichtet im Cannes-Tagebuch von seinen Eindrücken. Nach stressigen Tagen lässt sich der Kreative in einem ruhigen Moment von Cases begeistern, die die Welt verändern wollen.
Das erste Mal ist immer etwas Besonderes – auch mein erstes Mal bei den Cannes Lions. Ich bin zwar schon ewig in der Werbung tätig und konnte auch schon ein paar Löwen gewinnen, doch mit dem Besuch des Festivals hat's für mich erst dieses Jahr geklappt. Bisher kam irgendwie immer was dazwischen. Die Geburt meines Sohnes zum Beispiel. Dagegen haben natürlich selbst die glänzendsten aller Werbeauszeichnungen nicht den Hauch einer Chance. Ja, es gibt Wichtigeres im Leben als Werbung.
Paradoxerweise spürt man das nirgendwo so deutlich wie bei den Cannes Lions. Nicht falsch verstehen, es gibt hier unzählige unglaublich starke Arbeiten, die das tun, was Werbung halt klassischerweise tut: Produkte verkaufen. Und das ist auch gut so. Trotzdem: Wer sich hier die prämierten Cases anschaut, merkt sehr schnell, dass die richtig guten Werber mehr machen wollen als nur Werbung. Hier herrscht der Anspruch, mit genialen Ideen die Welt zu verändern.
Endlich mal Cannes Lions
Doch der Reihe nach. Denn in den ersten Tagen meiner Woche an den Cannes Lions hatte ich gar nicht die Zeit, mir diese weltverändernden Cases anzusehen. Hier in Cannes ist es nämlich schön – aber auch ganz schön anstrengend. Ein totaler Overload an Inspiration.
Kreative Druckbetankung voller Talks, Trends und Next Big Things. Zwischendurch essen im Stehen, mit alten Bekannten plaudern, mit Rosé anstoßen und mitfiebern bei den Cannes Cases aus unserer Agentur. Ganz frei vom Daily Business war ich leider auch nicht – vor Teams-Calls ist man ja selbst im fernen Südfrankreich nicht sicher. Abends dann Party. Kurze Nächte. Morgens Kopfweh. Ein ungewohnter Lifestyle für mich – hab ich schon erwähnt, dass ich Familienvater bin?
Verbunden durch die gleiche Überzeugung
Erst heute ist ein bisschen Ruhe eingekehrt. Die intensiven Workshops unseres internationalen Agentur-Netzwerks im Rahmen des Festival sind durch. Meine Kollegen sind gerade abgereist und schon wieder auf dem Weg zurück nach Zürich. Ich selbst bleibe noch ein paar Tage. Atme durch und geniesse ehrlicherweise ein bisschen die Zeit für mich. Als einsamer Werbewolf lasse ich mich treiben und gehe ins Palais des Festivals, um mir dort die prämierten Arbeiten anzuschauen.
Im Palais herrscht buntes Treiben. Tausende von Leuten aus allen Ländern der Welt – ich frage mich, was uns alle verbindet? Über der Tür, die zur Ausstellung der Cases führt, hängt ein Schild, auf dem steht: "This is your moment. Make history." Genau das ist es, was die Besucher:innen hier eint: Die Überzeugung, dass Kreativität die Kraft hat, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Dass das nicht bloß Wunschdenken ist, beweisen dieses Jahr in Cannes gleich eine ganze Reihe von Cases. Hier ein paar, die mir besonders aufgefallen sind:
CO2AT – Nichts ist unmöglich. Nicht mal ein Mantel, der selber O2 produziert und damit den Klimawandel bekämpft. Das ist die Zukunft der Mode: Fashion, die mehr ist als nur ein Statement und aktiv die Umwelt schützt.
Hope Reefs – Korallen sind vom Aussterben bedroht. Mit fatalen Folgen für Meereslebewesen. Doch es gibt Hoffnung. In diesem Case wird ein Korallenriff mit einer speziellen Stahlkonstruktion wiederhergestellt, die am Meeresgrund das Wort "Hope" ergibt. Die Aktion ist Teil des weltweit größten Programms zur Regenerierung von Korallenriffen und sogar auf Satellitenbildern von Google Earth sichtbar.
Portuguese Reconstitution – Portugal lebte im 20. Jahrhundert über vier Jahrzehnte unter einer faschistischen Diktatur. Das Verlagshaus Penguin legt den blauen Stift, mit dem damals die Zensurbehörde die Redefreiheit eingeschränkt hatte, in die Hände portugiesischer Künstler. Diese gestalten damit die faschistische Konstitution neu und machten aus einem Dokument der Unterdrückung ein Kunstwerk, das die freiheitliche Gesellschaft Portugals feiert.
Diese Arbeiten zeigen exemplarisch, dass man mit Kreativität jedes Problem der Welt lösen und die Gesellschaft positiv mitgestalten kann. Denn nichts ist stärker als eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Kreativität ist eine wahre Superpower. Lasst sie uns nutzen.
Marcin Baba ist Executive Creative Director und Mitglied der Geschäftsleitung bei Serviceplan Suisse. Geboren in Polen und aufgewachsen in Deutschland hat er nach einem Kommunikationsdesignstudium seine Karriere als Art Director bei Scholz & Friends in Hamburg begonnen. 2000 ging es in die Schweiz, um die Dependance von Scholz & Friends in Zürich aufzubauen. Nach einer Station bei FCB Zürich als Creative Director ist er seit 2019 bei Serviceplan.
Marcin ist Mitglied beim ADC Schweiz, Gastdozent an der HTK Hamburg und hat mit seinen Arbeiten zahlreiche internationale und nationale Auszeichnungen gewonnen. Seine Freizeit verbringt der Vater von zwei Kindern gern mit der Familie in der Schweizer Natur.
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