Cannes Lions:
Innovationen aus Deutschland? Leider Fehlanzeige
Magere Ausbeute bei den Experience-Kategorien: Lediglich zwei Löwen gibt es in diesen Disziplinen. Gewonnen haben Havas sowie Serviceplan: einmal Bronze und einmal Silber.
Es ist mittlerweile eine der größten Kategorien und eine, die sich in den vergangenen Jahren wohl am meisten verändert hat: Brand Experience & Activation. Denn ohne die individuelle Erfahrung, digital oder nicht-digital, lassen sich die Menschen nicht mehr erreichen oder aktivieren. "Erfahrung ist alles", sagt Jury-President Yasuharu Sasaki, Kreativchef von Dentsu in Japan, "auch in einer digitalen Welt." Dabei spielt die Verbindung beider Welten gerade in Zeiten von Pandemien und Lockdowns eine immens wichtige Rolle.
Die deutschen Teilnehmer konnten mit ihren Arbeiten in dieser Kategorie eher weniger überzeugen. Lediglich für Serviceplan gab es einen Löwen. Die Agentur gewann mit Dot Go einen Silber-Preis. Die Community-getriebenen Plattform unterstützt Sehbehinderte im Alltag. Sie kann Objekte und Entfernungen erkennen und mit bestimmten Aktionen auf dem Smartphone verknüpfen. Wenn beispielsweise ein Stop-Schild auftaucht, kann das Smartphone vibrieren und beim Passieren einer Haltestelle den passenden Fahrplan aufrufen. Sofern gewünscht.
Den Grand Prix gab es für "The Unfiltered History Tour" von Dentsu Creative, Bengaluru. Auftraggeber ist Vice Media. Wie in anderen großen Museen der Welt auch, so zeigt das British Musem of History nur einen Bruchteil seiner Exponate. Darunter Gegenstände, die seit Jahren von ihren Ursprungsländern zurückgefordert werden. Es sind "gestohlene" Ausstellungsstücke, deren Geschichte nur wenigen Menschen bekannt ist.
Hier setzt die - unauthorisierte - interaktive Tour von Vice Media an. Besucher können 10 ausgewählte Objekte einscannen, um mehr zu erfahren. Dank Augmented Reality tauchen sie in die Zeit ein, als diese entwendet wurden und werden auch mit dem aktuellen Diskussionsstand konfrontiert. So über den "Rosetta Stone", der aus Ägypten stammt und wohl widerrechtlich im British Museum landete. Ergänzt wird die Tour durch einen zehnteiligen Podcast mit Interviews von Experten zu den einzelnen Exponaten.
Bronze für die Parkison-App
Eine Frage, die sich alle Jurys bei den Cases in der Kategorie Mobile stellen, lautet: Was ist spezifisch "mobile"? Und: Gibt es eine "Mobile First Experience?" Da machten die Juroren um Jurypräsident Hugo Veiga, Global Chief Creative Officer AKQA, keine Ausnahme. Wie bei Brand Experience war das Spektrum der Arbeiten offenbar sehr breit, wobei auffällig viele Social Cases dabei waren, so Veiga. Trends wollte der Jurychef nicht nennen. Allerdings sprach er Themen an, die für dieses Kategorie häufig stehen.So die Verlängerung und Verbindung der physischen mit der digitalen Welt. Oder das weite Feld Business Transformation. Das mobile Endgerät als Treiber für neue oder modifizierte Geschäftsmodelle. Ganz oben auf der Liste stehen auch "Vereinfachung" sowie personalisierte One-to-one-Kommunikation.
Vereinfachung ist auch das Thema des einzigen deutschen Löwengewinner: Havas holte mit der Browser-App für Parkinson-Kranke Bronze in der Kategorie Mobile. Die kostenlose App (Auftraggeber Deutsche Parkinson Vereinigung) gleicht das Zittern der Hände von Kranken in Echtzeit aus und ermöglicht damit eine ruhige Darstellung auf dem Tablet.
Auch wenn die Purpose-Diskussion einen etwas anderen Dreh bekommen hat als vielleicht in den Vorjahren, so goutieren es die Jurys durchaus, wenn Marken Verantwortung übernehmen. Wobei der Dreiklang "Marke, Individuum, Gesellschaft" im Fokus steht. Für jeden der drei Bereiche muss die Arbeit Positives leisten können, um zu überzeugen. Ein ganzheitlicher Anspruch, den auch der Grand Prix bei Mobile erfüllt: Real Tone von Google.
Der Software-Riese stellte gleichzeitig mit dem Smartphone Pixel 6 eine neue Funktion vor: Real Tone. Sie soll sicherstellen, dass Aufnahmen die verschiedenen Hauttöne der Menschen natürlicher und realistischer wiedergibt. Denn Google war der Meinung, dass Fotos von Menschen mit einer anderen Hautfarbe als Weiß, unabhängig von der Dunkelheit und dem Farbton, oft nicht so aussehen, wie sie sollten. Gerade Menschen mit dunklerer Hautfarbe würden auf diese Weise verfälscht wiedergegeben somit benachteiligt. Veiga: "Ein wichtiger Schritt für mehr Gleichberechtigung", zumal die Funktion nun auch bei Appel- wie Android-Geräten funktioniert.
Innovation geht auch ohne Deutschland
Es ist eine schwierige Kategorie, Innovation. Denn der Anspruch reicht, so die Jury, über das Festival und etwaiger Löwenpreise hinaus. Gefragt sind innovative Ideen, die "gut, nicht zwangsläufig großartig", dafür in der Ausführung solide sind und einen Impact auf die Gesellschaft haben, sagt Jurypräsident Cleve Gibbon, CTO von Wunderman Thompson Nordamerika. Kriterien, die der Grand-Prix-Case "One House to Save Man" mit Sicherheit erfüllt. Gesucht wurde nach einer Lösung, wie Bewohner in Australien, deren Region besonders häufig von Naturkatastrophen heimgesucht wird, besser geschützt werden können.
Dafür haben der Versicherer Suncorp, Leo Burnett Australia und Glue Society mit Experten der James Cook University und Fachleuten aus der Industrie sowie Architekten zusammengearbeitet und den Prototypen eines besonderen Hauses entwickelt, gebaut und auch getestet: das "One House". Es ist ein Gebäude, das Bränden, Stürmen und Überschwemmungen stand hält und die das Leben der Bewohner entsprechend schützt. Ein Vorzeigebeispiel dafür, wie Akteure aus unterschiedlichen Bereichen partnerschaftlich und effektiv kooperieren, so Gibbon. Einer der großen Cannes-Trends in diesem Jahr.
Weitere Grands Prix, die am dritten Tag verliehen wurden:
Creative Business Transformation
Wenn eine Company wie Dole sich mit einem Start-up wie Ananas Anam zusammentut, um aus den Blättern der Ananaspflanzen, die sonst ja weggeworfen werden, Lederersatz zu produzieren, zum Beispiel für Schuhe, dann ist das für alle gut: die Umwelt, die Ananas-Bauern, das Start-up, aber auch für Absatz und Markenwerte von Dole. Die Arbeit "Pinatex" von L&C in New York, lobt Jury-Präsident Ronald NG, Global CCO von MRM, mache aus einem Problem eine Opportunity und mit Müll Profit. Das war seiner Jury einen Grand Prix in der Kategorie Creative Business Transformation wert.
Creative Commerce
Und natürlich schafften es in der Kategorie auch Arbeiten mit klarem Produkt-Fokus an die Spitze. Als in der Pandemie in den USA die beliebten Chicken Wings - Amerikaner:innen sind verrückt danach - knapp wurden, stellt Wingstop kurzerhand sein ganzes Geschäftsmodell um. Aus Wingstop wurde Thighstop: Das Unternehmen verkaufte von einem Tag auf den anderen einfach Hühnchenschenkel und kommunizierte das durchaus selbstironisch (Agentur: Leo Burnett, Chicago).
Und das ist der Medaillenspiegel für Mittwoch:
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