"Wir sehen unter den Bing-Nutzern ein stetiges Wachstum in diesem Jahr, insbesondere seit der Einführung des Bing-Chats", bestätigt er. Hinzu komme eine Verlängerung der durchschnittlichen Nutzungszeit, weil das Herumprobieren mit dem Chat eine vergleichsweise zeitintensive Angelegenheit sei.

Keine signifikanten Verlagerungen von SEA-Budgets

Dieses gesteigerte Interesse an Bing führt derzeit aber noch zu keiner bemerkenswerten Auswirkung auf die Suchmaschinenwerbung. "Aktuell können wir bei unseren Kunden keine signifikanten Verlagerungen der SEA-Budgets von Google zu Bing feststellen", so Stieber. Die breite Front der Werbungtreibenden werbe dort, wo die Masse aktiv sei, meint Tembrink. "Und das ist und bleibt bis auf Weiteres Google".

Das liegt vor allem daran, dass der Vorsprung von Bing, der durch die Integration von ChatGPT erfolgte, gerade wieder dahinschmilzt. Google hat die vergangenen Wochen zu einem Kraftakt genutzt und scheibchenweise KI-Innovationen präsentiert. Inzwischen hat Google den Chatbot Bard an den Start gebracht, der in mancherlei Hinsicht seinem Konkurrenten ChatGPT bereits überlegen ist.

Für Branchenexperten kam das wenig überraschend. Denn die Sprach-KI dahinter, "LaMDA" arbeitet so gut, dass sogar der renommierte Google-Entwickler Blake Lemoine im vergangenen Sommer der festen Überzeugung war, sie habe ein Bewusstsein - was ihm dann den Job kostete. Allerdings ist Bard bislang in Deutschland und anderen EU-Staaten noch nicht am Start. Das sei aber nur eine Frage der Zeit, betonte Google-Chef Sundar Pichai erst kürzlich.

Google behält Pole-Position

Viel deutet also darauf hin, dass GPT ein Triumph für Microsofts Bing ist, der für eine höhere Wahrnehmung am Markt sorgt. An der Vormachtstellung von Google wird sich jedoch wenig ändern. Allerdings wird sich Google darauf auch nicht ausruhen können. Denn mit der Integration der Chat-KIs in die Suche dürfte sich das Suchverhalten der User ganz grundsätzlich ändern. Künftig wird es darum gehen, auf alle erdenklichen Fragen eine Antwort zu erhalten, die aktuell ist und bei Bedarf auf weiterführende Quellen und Websites verweist.

"Wir können erwarten, dass Suchanfragen zunehmend differenzierter und fragmentierter werden", sagt Bernd Stieber. "Nutzer werden immer besser verstehen, welcher Suchanbieter welche spezifischen Aufgaben erfüllt und wie sie diese durch geeignete Anfragen oder Prompts hervorrufen können".

Amazon macht Google und Bing Konkurrenz

Wie sich in diesem Kontext SEO und SEA verändern, wird sich zeigen. Die darauf spezialisierten Agenturen erleben gerade, wie viele Jahre gültige Gesetzmäßigkeiten in Bewegung geraten. Einfacher wird deren Aufgabe auch deswegen nicht, weil sich das Rad mit enormer Geschwindigkeit weiterdreht. Google arbeitet bereits daran, dass in die Prompts für Bard auch Bilder integriert werden können. Auch Microsoft hat ein Update angekündigt.

Gleichzeitig erwächst an anderer Stellen Konkurrenz. Der Online-Riese Amazon, der in manchen Märkten bei der Produktsuche ohnehin die Nase vorn hat, kündigte jüngst ebenfalls Neuerungen an. Auch auf der Plattform soll die Suche künftig nicht mehr nach Produkten und Suchfiltern verlaufen. Sondern, so war es einer Stellenanzeige zu entnehmen, mit einer "interaktiven, dialogorientierten Erfahrung". Auch dort werden die User also schon bald chatten können.

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Autor: Helmut van Rinsum

Helmut van Rinsum berichtet als Fachjournalist seit vielen Jahren über die Entwicklungen der Medien- und Marketingbranche. Er schreibt regelmäßig über Themen aus dem Online- und Social-Media-Marketing und publiziert für diverse Blogs. Einmal pro Woche verfasst er den Social Media Newsletter, zudem ist er Herausgeber des Newsletters "Künstliche Intelligenz im Marketing" sowie des dazugehörigen Blogs. Van Rinsum ist Vater von drei Kindern und lebt mit seiner Familie in München.