KI-Verstärkung für Suchmaschinen:
Bing vs. Google: So verändert sich die Suchfunktion
Die ChatGPT-Funktion hat der Suchmaschine Bing einen Achtungserfolg beschert. An der Vormachtstellung von Google wird sich deshalb wenig ändern. Konkurrenz kommt eher von anderer Seite.
Es war ein bemerkenswerter Start. Von 0 auf 100 Millionen Nutzer benötigte ChatGPT nur wenige Wochen. "So schnell hat noch kein anderes Tool diese magische Grenze geknackt", sagt Christian Tembrink, Online-Experte bei der Grow Digital Group. Inzwischen, so belegt eine Studie des Digitalverbands Bitkom, hat jeder Fünfte in Deutschland ChatGPT schonmal genutzt. Damit sei Microsoft, der Konzern hinter GPT, ein "weltweiter PR- und Marketing-Coup" gelungen, so Tembrink.
Die Frage ist nur, ob dieser Coup dazu führt, dass Microsoft seine Position gegenüber Google nachhaltig verbessern kann. Immerhin ist der Konzern gerade dabei, ChatGPT in seine Suchmaschine Bing zu integrieren. Damit können User nicht nur im Web suchen, wie sie es gewohnt sind, sondern auch alle möglichen offenen Fragen stellen - und erhalten eine Antwort. Aber: Ist dieses Angebot so attraktiv, dass User scharenweise zum Microsoft-Browser Edge wechseln und dort die Bing-Suche in Kombination mit ChatGPT nutzen? Und was bedeutet dies für das Anzeigengeschäft?
Mehr Traffic für Bing
Bing verzeichne derzeit zweifellos einen Zuwachs an Traffic, was größtenteils auf das Interesse der Nutzer an der neuen ChatGPT-Funktion zurückzuführen sei, berichtet Bernd Stieber, Geschäftsführer von Netzeffekt. Eine Beobachtung, die Adam Bojanczyk, Teamlead SEA bei Smarketer, teilt.
"Wir sehen unter den Bing-Nutzern ein stetiges Wachstum in diesem Jahr, insbesondere seit der Einführung des Bing-Chats", bestätigt er. Hinzu komme eine Verlängerung der durchschnittlichen Nutzungszeit, weil das Herumprobieren mit dem Chat eine vergleichsweise zeitintensive Angelegenheit sei.
Keine signifikanten Verlagerungen von SEA-Budgets
Dieses gesteigerte Interesse an Bing führt derzeit aber noch zu keiner bemerkenswerten Auswirkung auf die Suchmaschinenwerbung. "Aktuell können wir bei unseren Kunden keine signifikanten Verlagerungen der SEA-Budgets von Google zu Bing feststellen", so Stieber. Die breite Front der Werbungtreibenden werbe dort, wo die Masse aktiv sei, meint Tembrink. "Und das ist und bleibt bis auf Weiteres Google".
Das liegt vor allem daran, dass der Vorsprung von Bing, der durch die Integration von ChatGPT erfolgte, gerade wieder dahinschmilzt. Google hat die vergangenen Wochen zu einem Kraftakt genutzt und scheibchenweise KI-Innovationen präsentiert. Inzwischen hat Google den Chatbot Bard an den Start gebracht, der in mancherlei Hinsicht seinem Konkurrenten ChatGPT bereits überlegen ist.
Für Branchenexperten kam das wenig überraschend. Denn die Sprach-KI dahinter, "LaMDA" arbeitet so gut, dass sogar der renommierte Google-Entwickler Blake Lemoine im vergangenen Sommer der festen Überzeugung war, sie habe ein Bewusstsein - was ihm dann den Job kostete. Allerdings ist Bard bislang in Deutschland und anderen EU-Staaten noch nicht am Start. Das sei aber nur eine Frage der Zeit, betonte Google-Chef Sundar Pichai erst kürzlich.
Google behält Pole-Position
Viel deutet also darauf hin, dass GPT ein Triumph für Microsofts Bing ist, der für eine höhere Wahrnehmung am Markt sorgt. An der Vormachtstellung von Google wird sich jedoch wenig ändern. Allerdings wird sich Google darauf auch nicht ausruhen können. Denn mit der Integration der Chat-KIs in die Suche dürfte sich das Suchverhalten der User ganz grundsätzlich ändern. Künftig wird es darum gehen, auf alle erdenklichen Fragen eine Antwort zu erhalten, die aktuell ist und bei Bedarf auf weiterführende Quellen und Websites verweist.
"Wir können erwarten, dass Suchanfragen zunehmend differenzierter und fragmentierter werden", sagt Bernd Stieber. "Nutzer werden immer besser verstehen, welcher Suchanbieter welche spezifischen Aufgaben erfüllt und wie sie diese durch geeignete Anfragen oder Prompts hervorrufen können".
Amazon macht Google und Bing Konkurrenz
Wie sich in diesem Kontext SEO und SEA verändern, wird sich zeigen. Die darauf spezialisierten Agenturen erleben gerade, wie viele Jahre gültige Gesetzmäßigkeiten in Bewegung geraten. Einfacher wird deren Aufgabe auch deswegen nicht, weil sich das Rad mit enormer Geschwindigkeit weiterdreht. Google arbeitet bereits daran, dass in die Prompts für Bard auch Bilder integriert werden können. Auch Microsoft hat ein Update angekündigt.
Gleichzeitig erwächst an anderer Stellen Konkurrenz. Der Online-Riese Amazon, der in manchen Märkten bei der Produktsuche ohnehin die Nase vorn hat, kündigte jüngst ebenfalls Neuerungen an. Auch auf der Plattform soll die Suche künftig nicht mehr nach Produkten und Suchfiltern verlaufen. Sondern, so war es einer Stellenanzeige zu entnehmen, mit einer "interaktiven, dialogorientierten Erfahrung". Auch dort werden die User also schon bald chatten können.
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