Werbewirkung:
"Das Differenzierungsmerkmal ist nach wie vor die Kreation"
Sai-Man Tsui und Volker Neumann, die Geschäftsführer der JOM Group, über die größten Herausforderungen in Sachen Nachweis der Werbewirkung.
Welches sind aktuell die größten Herausforderungen, wenn es um den Nachweis der Werbewirkung geht? Und wie begegnet man ihnen als Media-Agentur?
Tsui: Gerade im Digitalbereich besteht häufig die Krux der vermeintlichen Messbarkeit: Zugunsten der technischen Möglichkeiten, wie z.B. Klickraten, Viewability und Conversion, werden markenrelevante Faktoren oft vernachlässigt. Dabei können auch diese Dimensionen über Ex-post-Befragungen im digitalen Raum mit wenig Aufwand erhoben werden. Schwierig wird es bei der Zuordnung der Werbewirkung, wenn unterschiedliche Touchpoints im Spiel sind. Hier greift man aktuell auf den Trade-off zwischen Marketing-Mix-Modelings und dynamischen Attributionsansätzen zurück.
Viele Werbungtreibende konzentrieren sich vor allem auf Performance – welche Folgen hat das?
Neumann: Die Abschöpfung ist ok, aber für das zukünftige Überleben müssen auch immer neue Zielgruppen erschlossen werden. Dies gilt auch für starke Marken, die heute mehr als 90 Prozent Markenbekanntheit in der relevanten Zielgruppe ausweisen... aber fragen Sie mal 14-Jährige, welche Waschmaschinenmarke sie kennen. Viele starke Marken profitieren noch heute von Werbeinvestitionen der 80er und 90er Jahre. Beispielsweise fließen heute immer noch Stork Riesen von Frau Lange, Saft "wie frisch gepresst" von Valensina oder "eine Allianz fürs Leben" bei vielen Mittdreißigern und Vierzigern in die Markenwahrnehmung mit ein. Was ist aber, wenn diese Depots nicht neu angelegt werden? Wenn wir nur nach aktuellen Needs aussteuern, also die quantitativen Bedürfnisse decken und "massenindividuelle" Botschaften triggern: dann geraten wir in eine Spirale uniformer Werbung ohne Differenzierungsmerkmal und ohne Erinnerungswert.
Tsui: In der Plattformökonomie bestimmt dann der Preis den Zugang zum Kunden. Damit sollte Markenaufbau unbedingt als langfristiges Performance-Marketing betrachtet werden, das zu einem zukünftigen Wettbewerbsvorteil führt.
Wie gelingt die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Kanäle?
Tsui: Jedes Instrument hat seinen Zweck. Trotzdem ist es auch wichtig, die Skalierungen und Synergiewirkungen zu betrachten. Daher ist ein Kanalvergleich häufig nicht sinnvoll.
Neumann: Wir haben beispielsweise mit dem "JOM Hybrid Score" eine Kennzahl geschaffen, die den Beitrag unterschiedlicher Maßnahmen auf Marke und Sales für Kunden greifbar macht. Das können klassische Media-Kennzahlen naturgemäß nicht leisten.
Bei all dem Tracking: Wo bleiben Kreativität und Zielgruppe? Wie schafft man es, alle Attribute gleich stark zu beachten?
Tsui: Wenn wir richtig messen, dann ermöglichen uns verschiedene Technologien die Rückkopplung kreativer Ansätze für heterogene Zielgruppen, mit vergleichbar geringem Aufwand.
Neumann: Wichtig ist, dass wir Kreation aber weiterhin als Differenzierungsmerkmal verstehen. Der große kreative Ansatz, also wirklich toll gemachte Inhalte mit einer klaren Position für die Marke, diese Mehrwerte haben im digitalen Zeitalter nach wie vor Bestand. Aus unserer Sicht sogar mehr als je zuvor. Denn Digitalisierung ist eben auch gleich Atomisierung und Miniaturisierung. Gleichzeitig gilt es die Inhalte deutlich feiner herunter zu brechen auf verschiedene Umfelder oder Zielgruppencluster.
Ein wichtiges Buzzword: Lovebrands – aber wo bleibt da die Erfolgskontrolle? Wie kann man Emotionen messen?
Tsui: Da gibt es verschiedene Modelle, wie Preis-Uplifts gegenüber Handelsmarken, semantische Analysen des Social Media Buzz nach Tonality-Kriterien sowie klassische Marken- und Unternehmenswert-Analysen, die z.B. zeigen, ob Tesla mehr geliebt wird oder Porsche. Und Biotech-Analysen von Haut- und Pulswerten bei Brandkontakt liefern immer tiefere Einblicke in die unbewusste Gefühlswelt der Verbraucher.