Ende der Cookies:
"Es ist frustrierend, aber kein Grund zur Panik"
Das Thema ist "Top of Mind", sagt Jörn Strehlau von GroupM im Interview auf die Frage, wie es im Werbe-Ökosystem abseits der Cookies weitergehen könnte. Doch nicht alle Ideen funktionieren.
Herr Strehlau, das traditionelle cookiebasierte Marketing steht quasi vor dem Abgrund – was können Marketer jetzt tun, um nicht in den Abgrund hinein zu fallen?
"Zunächst einmal gilt: Niemand muss und sollte aktuell in Panik verfallen. Die Karenzzeit des Cookies ist klar definiert und gibt Marketern jetzt noch genau die Zeit, die sie benötigen, um sich und ihr Business auf die Änderungen einzustellen. Wichtig ist zuerst eine genaue Übersicht und eine Verständnis zu erarbeiten, welche Arbeitsschritte im digitalen Marketing heute cookiebasiert funktionieren. Sobald diese Klarheit besteht, sollte man einen agilen Projektplan aufsetzen, um für die unterschiedlichen Bereiche gemeinsam mit seinen aktuellen oder neuen Partnern alternative Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln. Agil sollte dieser Projektplan vor allem auch deswegen sein, da an den Lösungen, die das cookiebasierte Marketing ersetzen sollen, beständig gearbeitet wird und ganz explizit vor allem Tracking und Attributionslösungen noch nicht wirklich existieren. Das ist für alle frustrierend, aber eben auch kein Grund zur Panik. Leider kann man heute noch nicht sagen: 'Nutzen Sie diese oder jene Technologie und dann wird schon alles gut werden.' Marketer sollten aber unbedingt ihre Stimme nutzen, um die Technologieanbieter zu schnellen und konkreten Lösungen zu motivieren."
Wie kann Künstliche Intelligenz dabei helfen?
"Natürlich hilft Künstliche Intelligenz bei allen zukünftigen Lösungen. De facto funktioniert auch bereits heute nicht viel im digitalen Ökosystem ohne Künstliche Intelligenz, allein wegen der schier unendlichen Datenmengen. Das wird gegebenenfalls nicht so stark wahrgenommen, weil das meiste unter der Oberfläche stattfindet und weil auch der Begriff der Künstlichen Intelligenz nicht klar definierbar ist. Das Ende des Cookies wird jedoch die Bedeutung von konkreten KI-Anwendungen deutlich erhöhen, da es viel mehr für einen Paradigmenwechsel steht, der deutlich größere Auswirkungen haben wird. Der Gedanke, im digitalen Marketing eine perfekte 1-zu-1-Kommunikation umsetzen zu können, wird voraussichtlich zu einem Ende kommen und das digitale Marketing wird sich mehr denn je mit Mitteln der Statistik und probabilistischen Annahmen zu helfen wissen müssen. In der Kombination von riesigen und unterschiedlichen Datenmengen und statischen Methoden, die zukünftig stärker zum Einsatz kommen werden, folgt der stärkere Einsatz von Künstlicher Intelligenz, gesteuert durch Menschliche Intelligenz."
Safari und Firefox blockieren bereits Third-Party-Cookies. Google will die sogenannte Sandbox einführen. Welche Auswirkungen wird das auf die Werbewirtschaft/Mediabusiness haben?
"Der Markt beschäftigt sich meiner Meinung nach aktuell zu sehr mit den Auswirkungen, die wir im Targeting bereits heute haben und zukünftig noch haben werden. Wir sind jedoch absolut davon überzeugt, dass es gerade in diesem Bereich zahlreiche vielversprechende und interessante Ansätze gibt, ein intelligentes Targeting umzusetzen ohne dabei Third-Party-cookies zu benötigen. Viel bedeutsamer und weniger thematisiert sind jedoch die Auswirkungen in den Bereichen des Trackings, Post-Trackings und Attribution-Modellings. Hier werden Kanäle und Platzierungen in einem Mediaplan in der Qualität, in ihrem ROI und ihrem Beitrag zum Kampagnenerfolg gemessen und genau hier gibt es von den Technologieanbietern noch keine Lösung, wie dies in Zukunft ohne Third-Party-Cookies stringent, kanalübergreifend und unabhängig geschehen kann. Erst die Antwort auf diese Frage wird Klarheit geben, welche Auswirkungen wir in der Werbewirtschaft tatsächlich zu erwarten haben."
Wie könnte ein Werbe-Ökosystem abseits von Cookies aussehen?
"Es gibt momentan viele Ideen, die im Markt diskutiert werden. Einige diese Ideen sind nachhaltiger, einige weniger. Ein funktionierendes digitales Werbeökosystem kann nur im Einklang mit dem Willen der Menschen, die unsere Werbung konsumieren sollen, aufgebaut werden. Dieser Wille wurde in der DSGVO umgesetzt und zeigt sich auch in der Nutzung von Privacy freundlichen Endgeräten und Browsern, aber auch in der Nutzung von AdBlockern. Die Menschen wollen weniger getrackt werden und wollen nicht, dass Unternehmen Daten auf ihren Endgeräten, bspw. in Form von Cookies, ohne ihr Wissen speichern. Die DSGVO stärkt drüber hinaus die Position der Webbrowser. Ein Werbeökosystem, in dem das Tracking einheitlich über die unterschiedlichen Browser etc. geschieht und diese Daten anonym und fair an die Marktpartner im digitalen Media-Ökosystem übergeben werden, halte ich bspw. für eine sehr charmante Lösung."
Werden Massenkontakte im Blindflug billiger, bzw. wie drückt die Entwicklung auf die TKPs?
"Vermutlich wird die Schere aufgehen. Gerade mit Blick auf Webseiten mit relevantem Content, der stark nachgefragt wird und dem Endverbraucher einen Mehrwert liefert. Das Stichwort lautet hier kontextuelles Targeting. Diese Publisher werden stärker nachgefragt werden und somit ggfs. höhere TKPs ansetzen können. Webseiten mit breitem Content und breiter Zielgruppe sollten unbedingt ihre Seiten so strukturieren, dass kontextuelles Targeting auch bei ihnen so funktioniert, dass Rückschlüsse zwischen Content, bspw. auf einer Unterseite, und einer werberelevanten Zielgruppe umsetzbar sind. Longtail-Webseiten, die kein klares Profil besitzen, werden mit ziemlicher Sicherheit weniger stark nachgefragt werden."
Ist das Thema „cookieless“ bei den Werbungtreibenden angekommen? Wie ist der Stand der Dinge?
"Das Thema 'cookieles' ist absolut bei den Werbetreibenden angekommen. Jedoch in ganz unterschiedlicher Ausprägung. Viele Werbetreibende beschäftigen sich schon sehr konkret mit Alternativen zum Cookie in den unterschiedlichen Bereichen ihrer Werbeaktivitäten. Einige andere sind momentan noch in der Bestandsaufnahme. Grundsätzlich ist das Thema aber überall top of mind."