Gastbeitrag:
Warum DOOH der Energiekrise nicht zum Opfer fallen wird
Um Energie zu sparen, bleiben die Schaufenster in Spanien ab 22 Uhr dunkel. Selbst, wenn Deutschland nachziehen sollte: Frank Goldberg sieht dennoch keine düsteren Zeiten für DOOH heraufziehen.
Wer schon mal auf der iberischen Halbinsel war, kennt das Bild: Egal, ob Madrid, Barcelona oder Valencia – in Spaniens Städten steppt auf den hell erleuchteten Straßen und Plätzen bis spät in die Nacht der Bär. Gegessen wird frühestens ab 21:30 Uhr, und wenn hierzulande unsereins schon ans Schlafengehen denkt, fängt dort das Leben erst so richtig an.
Doch damit könnte vorerst Schluss sein: Ab sofort müssen auf Anordnung der spanischen Regierung sämtliche Schaufensterbeleuchtungen sowie die darin platzierten Digital-Signage-Displays ab 22 Uhr ausgeschaltet werden. In den Stadtzentren auf der iberischen Halbinsel dürfte es damit deutlich dunkler werden. Ob es auch ruhiger wird, bleibt abzuwarten.
Kaum wurde diese Nachricht publik, schon tauchten auch hierzulande die ersten bangen Fragen auf: Wird Deutschland mit ähnlichen Maßnahmen nachziehen? Könnte in der Folge auch den Digital-Out-of-Home-Medien der Stecker gezogen werden? Wird am Ende die digitale Außenwerbung durch die Energiekrise ins Straucheln geraten? Nun, vor allem die zweite und dritte Frage lassen sich mit einem jeweils eindeutigen Nein beantworten, und zwar aus mehreren Gründen:
DOOH ist mehr als reine Werbung
Immer mehr Städte und Kommunen haben mittlerweile erkannt, dass DOOH-Screens mehr als nur reine Werbeflächen im öffentlichen Raum sind: Zum einen transportieren sie abwechslungsreichen und informativen Content, von dem die Werbung nur einen kleinen Teil ausmacht. Zum anderen sind sie aus Sicht der Behörden ideale Kommunikationsmittel, um mit den Bürgerinnen und Bürgern schnell in Kontakt zu treten. So wurden gerade die digitalen Werbeträger an den Straßen für Aufrufe an die Bevölkerung während der Pandemie genutzt. Zudem sind sie in die Katastrophen-Warnketten eingebunden, worüber als jüngstes Beispiel die Menschen in Berlin rechtzeitig vor den Bränden im Grunewald gewarnt werden konnten. Nicht zuletzt aufgrund entsprechender Verträge und Vereinbarungen mit einer Reihe von Stakeholdern ist ein Abschalten nicht ohne Weiteres erlaubt und erscheint auch nicht als sinnvoll.
Doch selbst wenn von öffentlicher Hand die Abschaltung der digitalen Screens angewiesen werden sollte, würde das für keine ernsthaften Umsatzeinbrüche in der DOOH-Branche in Deutschland sorgen. Denn: 131.000 der insgesamt rund 135.000 DOOH-Screens in Deutschland befinden sich in Innenräumen und sind somit von Regelungen durch die Städte und Kommunen ohnehin nicht betroffen. Ebenso dürfen die Kommunen laut der Landesbauverordnung keinen Einfluss auf die Auslagen und Dekorationen und somit auch nicht auf die Displays in Schaufenstern ausüben, solange kein anstößiger Content gezeigt wird.
Hinzu kommt, dass die Geschäfte hierzulande deutlich vor 22 Uhr schließen, was sich auch auf die Leistungswerte des Mediums auswirkt: Laut unserer Reichweitenstudie Public & Private Screens werden 94 Prozent aller Kontakte zwischen 6 Uhr und 21 Uhr erzielt. Daher spielt die Werbeausspielung ab 22 Uhr eine untergeordnete Rolle, da viele Kampagnen den Slot von vornherein ausschließen.
Energiesparende Technik
Es ist unbestritten, dass in der aktuellen Energie- und auch Umweltkrise jeder noch so kleine Beitrag zur Energieeinsparung hilft. Die DOOH-Branche ist auf diesem Gebiet bereits seit Jahren aktiv: Wo möglich, kommen Screens mit einer verbesserten LED-Technik zum Einsatz, die generell mit sehr wenig Strom auskommen und abends den Verbrauch nochmal deutlich reduzieren, da sie ihre Helligkeit in dunkler Umgebung drastisch herunterregeln. Ebenso wird – ähnlich wie beim Smartphone möglich – auch bei den DOOH-Screens verstärkt darauf geachtet, einen wenig Licht- und Energie-intensiven Hintergrund zu nutzen. Und nicht zuletzt die beiden größten Anbieter Ströer, der spätestens ab 2025 klimaneutral wirtschaften will, und Wall sind bei ihren digitalen Werbeträgern bereits zu 100 Prozent auf Ökostrom umgestiegen und verbrauchen somit ausschließlich regenerative Energie. Das heißt: Eine Abschaltung ihrer Screens würde keinen einzigen Kubikmeter Gas einsparen.
Denn auch das ist ein entscheidender Unterschied zur Situation in Spanien, weshalb deren Energiesparmaßnahmen nicht eins zu eins in Deutschland übernommen werden sollen, wie auch das Bundeswirtschaftsministerium in einem Beitrag von Business Insider erklärt: Demnach hat Spanien vor allem ein Problem mit Strom. Hierzulande dagegen sehe man die größere Einsparnotwendigkeit aber beim Gas.
Jeder noch so kleine Beitrag hilft
Doch auch in puncto Strom muss DOOH sich nicht verstecken: Laut der Green GRP-Studie der Mediaplus hat DOOH den kleinsten CO2-Footprint aller Werbemedien: Dieser liegt sechs bis acht Mal niedriger als der anderer Bewegtbildmedien und bis zu 300 Mal niedriger als der mancher klassischer Medien. Das ist sicherlich kein Grund, sich zufrieden zurückzulehnen, sondern Ansporn, noch besser zu werden.
Alles in allem sehen wir in der digitalen Außenwerbung daher weder düstere Zeiten heraufziehen, noch befürchten wir ernsthaft, zu einem Kollateralschaden der Energiekrise zu werden. Ganz im Gegenteil: Wir glauben, dass die aktuellen Entwicklungen den Trend hin zum einzig verbleibenden Massenmedium DOOH eher noch verstärken werden.
Zum Autor: Seit über 20 Jahren ist Frank Goldberg in der (digitalen) Außenwerbung tätig. Als Geschäftsführer des Institute for Digital Out of Home Media (IDOOH) leitet er gemeinsam mit seiner Co-Geschäftsführerin Nadia Abou-El-Ela einen Verband für Digital Out of Home-Werbung (DOOH). Das IDOOH wurde im Jahr 2022 vom Digital Media Institute (DMI), Ströer und Goldbach gegründet und wird im Herbst die erste übergreifende Leistungsstudie für Digital Out of Home (Indoor) herausgeben. Das DMI gründete Goldberg bereits im Jahr 2013 zusammen mit Nadia Abou-El-Ela. Das erste Halbjahr 2022 lief extrem erfolgreich für DOOH. Dennoch gibt es zahlreiche Herausforderungen, über die Goldberg kürzlich im Interview mit W&V gesprochen hat.