Pinterest-Shopping:
"In Deutschland kommt Social Commerce grad erst an"
Social Commerce ist noch im Aufbau, schafft aber neue Chancen, auch für Agenturen. Davon ist Jens Tiedemann überzeugt und will das mit der von ihm gegründeten Social-Commerce Agentur Swipe You Up beweisen.
Jens Tiedemann, Sie haben gerade erst mit zwei Partnern die Agentur Swipe You Up gegründet. Das spricht dafür, dass Social Commerce in Euren Augen keine Eintagsfliege ist. Welche strategische Bedeutung messen Sie dem Thema bei?
E-Commerce hat sich in den letzten Jahren sehr stark in Richtung 'inspirational shopping' bewegt. Früher hat man im Web eingekauft, weil die Produkte dort billiger waren, heute hat Digital-Shopping Entertainment-Charakter. Auch die Rolle von Suchmaschinen hat sich verändert. Zwar kommen noch immer viele User:innen über Google und Co. in die Shops, aber auch Pinterest beispielsweise funktioniert inzwischen wie eine Suchmaschine, baut aber eine ganz eigene Bildwelt auf.
Social Commerce spielt also eine wichtige Rolle, ist aber kein Selbstläufer: Die digitalen Schaufenster auf Social Media müssen gepflegt werden, der Katalog hochgeladen sein, die Accounts verifiziert, das Tracking eingerichtet und die zu den Produkten passenden Audiences für Social-Paid-Ausgaben zugeschnitten werden.
Verkürzt Social Commerce den Funnel?
Die Customer Journey selbst verändert sich nicht, aber wenn ein Kaufimpuls sofort bedient werden kann und der Shopper Ready-to-buy ist, kann sie sich verkürzen. Hier in Deutschland haben wir noch immer die Checkout-Challenge, die Heimat des E-Commerce bleibt damit aktuell durch den Payment-Prozess für fast alle Unternehmen (noch) die eigenen Webseite mit dem eigenen Shop. Social Media ist das Schaufenster, das dorthin führt. Wenn wir den Checkout-Prozess direkt auf den Social-Media-Plattformen hätten, wäre der Weg für die Kund:innen noch kürzer, aber diese Funktionen sind aktuell in Deutschland noch nicht möglich.
Die Brands und User:innen in anderen Länder sind da teilweise ganz anders unterwegs.
Vor allem in Asien und UK. Auch die Expert:innen zum Thema Social Commerce haben oft einen internationalen Hintergrund. Das merken wir aktuell beim Aufbau unseres Agentur-Teams in Berlin. In Deutschland kommt Social Commerce grad erst an und wächst sehr stark, das vergangene Jahr hat bei uns einen deutlichen Schub verliehen. Liveshopping-Events etwa haben stark zugenommen und ermöglichen einen sehr intensiven Markenkontakt. Dabei lohnt es sich, nicht nur auf die effektive Live-Reichweite zu schauen, sondern in der Bewertung auch die Announcement-Reichweiten sowie die Video-On-Demand Abrufe zu betrachten.
Neben Live-Shopping: wie finden Unternehmen die passenden Formate?
Da empfehle ich das Prinzip "Test, Learn, Scale". Also zunächst den Katalog sauber zu pflegen, ein Test-Setup aufzubauen und herauszufinden, welche Ad-Formate, Creatives, Communications und Inhalte gut funktionieren. Für die Messung hinterher ist es wichtig, verschiedene Quellen zurate zu ziehen und die Daten sauber zu interpretieren. Wenn ich die Daten, die ich von Facebook bekomme, mit den Daten von Google Analytics für meinen Shop vergleiche, liegen die teilweise um 80 Prozent auseinander! Es ist immer die Frage, wer sich welchen Kauf am Ende zurechnet. Erst nach der Analyse sollte man skalieren und eine Kampagne größer aufziehen. Darüber hinaus betrachten wir z.B. Neukunden auch entlang der Qualität, also Retourenquote der Neukunden, Net-Sales etc.
Wie wichtig ist das Zusammenspiel aus bezahlten und organischen Inhalten?
Das ist uns natürlich das Liebste – und nicht nur, weil das mehr Aufgaben für die Agentur bedeutet. Ein gut gepflegter Channel ist die Grundvoraussetzung, um ein granulares Micro-Audience-Targeting aufzubauen, die dann auch für die Shopping-Inhalte offen ist. Es gilt, den "Sweet-Spot" der eigenen Kunden im sozialen Kosmos zu finden. Außerdem hat man auf einem eigenen Kanal sehr gute Learnings, welcher Content am besten funktioniert.
Alle großen Plattformen beschäftigen sich inzwischen mit Social Commerce – was sind die Besonderheiten bei Pinterest?
Pinterest ist eine Art Inspirations-Suchmaschine. Dadurch braucht der Shopping-Prozess etwas länger, liefert aber aus Conversion-Sicht Ergebnisse. Da hilft die Mechanik der Plattform: Unser:innen speichern sich die Pins ab und kommen später wieder darauf zurück. Das ist ein großer Unterschied zu anderen Social Channels wie Facebook, bei denen die Shopping-Angebote im Feed laufen und dann schnell wieder aus dem Mindset der Zielgruppen verschwinden.