Kooperationen im TV-Markt:
Warum immer mehr Vermarkter und Technologieanbieter gemeinsame Sache machen
Zusammen stärker: Diese Erkenntnis setzt sich im deutschen TV-Markt immer mehr durch - gerade wenn es um den Ausbau technologischen Know-hows und um die Entwicklung zukunftsweisender crossmedialer Ad-Tech-Lösungen geht. Was dahintersteckt.
Die Aktivitäten der übermächtigen US-amerikanischen Tech-Konzerne sehen Soziologen, Medienwissenschaftler, Mediaexperten wie auch die hiesigen Medienhäuser zu Recht als Bedrohung. Es geht nicht mehr „nur“ um eine Transruption des Werbemarktes, sondern in weitaus größeren Dimensionen um die Vielfalt der Medien und damit um den Zusammenhalt der Gesellschaft und letzten Endes um das Fortbestehen der Demokratie. Zeit also, dass sich die großen Player in Deutschland und Europa zusammenschließen, um sich insbesondere technologisch von den großen US-Konzernen unabhängig zu machen.
RTL mit ProSiebenSat.1
Wie zum Beispiel die RTL-Gruppe und ProSiebenSat.1, die vor einigen Monaten eine große Kooperation verkündeten. Ziel der Ad-Tech-Allianz (an der beide Häuser übrigens trotz der „Turbulenzen“ aufgrund des überraschenden Wechsels von Carsten Schwecke von Seven.One zur Ad Alliance festhalten) ist es, die Angebote und Leistungen der konzerneigenen Technologie-Unternehmen miteinander zu verknüpfen, um Werbekunden übergreifende Werbekampagnen über die Plattformen beider Partner zu ermöglichen, vom linearen Fernsehen über Werbung auf Smart TVs bis hin zu Kampagnen auf den Streamingplattformen Joyn und RTL+.
Unabhängiger von US-Konzernen
Die Zusammenarbeit soll, so betonen die beiden Partner, sowohl den deutschen Werbemarkt als auch die Medienhäuser selbst unabhängiger von den Werbetechnologien der großen US-Konzerne machen. Digitale und lineare Bewegtbildreichweiten sollen technologisch verknüpft werden, lineares TV soll programmatisch breit verfügbar werden. „Mit dieser Kooperation realisieren wir die Vision eines kompletten AdTech-Stacks und bieten unseren Werbepartnern eine echte Alternative zu internationalen Tech-Anbietern“, sagt Matthias Dang, Chief Commercial, Technology and Data Officer RTL Deutschland. „Gleichzeitig bleiben wir bei der Digitalisierung des Total Video-Ansatzes im Driver’s Seat und können dem sich stark veränderten Wettbewerb durch Tech und Data die Stirn bieten." Die Ad-Tech-Kooperation steht ausdrücklich weiteren Vermarktern offen: Broadcaster und Publisher in ganz Europa können dabei ihre Inventare anbieten, für ihre Kunden leichter zugänglich machen und damit zur weiteren Konvergenz von TV und Online-Bewegtbild beitragen.
Auch kleinere Partnerschaften
Neben diesen großen Kooperationen vereinbaren die Videovermarkter auch kleinere strategische Partnerschaften, um in technologischer Hinsicht für den Werbemarkt der Zukunft gerüstet zu sein. So verkündete die Ad Alliance Anfang Juni die Zusammenarbeit mit dem Schweizer Date-Clean-Room-Anbieter Decentriq. Durch diese datenbasierte Kooperation soll Advertisern eine sichere und neutrale Umgebung ermöglicht werden, um ihre First-Party-Daten mit denen der Ad Alliance datenschutzsicher zu matchen, heißt es seitens des Kölner Vermarkters.
Um den sendungsbegleitenden Bewegbildcontent auf Youtube, den RTL2 auf rund 22 Channels anbietet, noch besser auszuwerten, vereinbarte der Sender im Februar dieses Jahres eine Co-Vermarktungspartnerschaft mit Studio71, der Influencerschmiede von ProSiebenSat.1. Julian Krietsch, Bereichsleiter Channel Strategy & Content Distribution bei RTL2, betont, dass für RTL2 als kleineren Vollprogrammsender Partnerschaften schon immer unerlässlich waren. „Bei der Vermarktung setzen wir ergänzend zu El Cartel auf Kooperationen, um unseren Content maximal zu kapitalisieren. So arbeiten wir bei unseren eigenen digitalen Kanälen, bei ATV und bei RTL+ seit langem mit Ad Alliance zusammen.“ Anders sehe es bei Drittplattformen aus, so Krietsch: „YouTube-Inhalte beispielsweise vermarkten neben El Cartel auch Studio71 und IP Österreich, und bei Waipu besteht eine Partnerschaft mit Exaring.“ Man folge, unterstreicht Krietsch, dem Prinzip, „jeden Channel gemäß seiner Besonderheiten optimal zu monetarisieren“.
Weiterentwicklung des CTV-Portfolios
Auch Visoon profitiert von der Zusammenarbeit mit starken Marktpartnern. Im Sommer letzten Jahres gab der TV- und Videovermarkter eine technologische Kooperation mit dem global agierenden Sell-Side-Advertising-Unternehmen Magnite bekannt. Davon erhofft sich Visoon effizientere Transaktionen über CTV und Big-Screen-Video. Im Januar dieses Jahres verkündete Visoon zudem, an der Seite von Paramount Advertising International (PAI) als exklusiver Direktvermarktungspartner von Pluto TV im deutschen Markt tätig zu werden. Damit verfügt Visoon über ein alleiniges Erstzugriffsrecht auf das gesamte verfügbare Werbeflächeninventar von Pluto TV. Für das Vermarktungs-Joint-Venture von Axel Springer und Paramount bedeutet die Zusammenarbeit mit Visoon eine wichtige Weiterentwicklung seines CTV-Portfolios.
Eine Zusammenarbeit ganz anderer Art verkündete Sport1 zu Beginn dieses Jahres: eine umfangreiche strategische Kooperation mit der Deutschen Streaming Allianz (DSA). Die DSA macht mit ihren Leistungen Unternehmen den Aufbau von Streamingportalen einfacher, zudem soll die Vermarktung eigener Inhalte noch lukrativer werden. Zur Angebotspalette der DSA gehört auch ein Club-TV-Bundle, das sich speziell an Profiklubs wendet und diesen eine Plattform für ihre Inhalte bietet. Zusätzlich zur Streamingtechnologie mit den TV-Apps bekommen die Partner mediale Reichweite auf allen Sport1-Plattformen. Im Rahmen der Partnerschaft hat Sport1 Gesellschafteranteile an der Deutschen Streaming Allianz erworben. Eine Kooperation mit guten Zukunftsperspektiven: Beide Partner planen, so war zu hören, gemeinsam weitere Projekte und Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen.